Fanfic: Die Rätsel von Karenta
Kapitel: Die Rätsel von Karenta
Die Rätsel von Karenta
1. Kapitel
Ich sollte eigentlich mit dem Mädchen anfangen. Die besten Geschichten
fangen immer mit einem Mädchen an. Es sollte so fantastisch aussehen,
dass sich selbst ein Sargdeckel heben würde, wenn es vorbeiging. Es
sollte in heißem Badewasser sitzen, dessen Schaum bis hinauf zu seinen
schönen, süßen großen … Ohren reichte. Außerdem sollte es nicht genau
wissen, warum die Jungs mit den gebrochenen Nasen hinter ihm her sind,
oder vielleicht wollte das Mädchen das auch einfach nicht verraten.
Es sollte einen übermütigen Blick haben und nicht davor zurückschrecken,
auch mit Mister Richtig herumzutollen.
So sollte es eigentlich sein. Diesmal jedoch fing es gleich mit dreien
dieser entzückenden verruchten Dämoninnen an, und jede Einzelne von
ihnen hätte jeden Mann auf dreißig Schritte Entfernung dazu gebracht,
sich den Hals zu verrenken.
Übrigens, ich bin Garrett, alias Mister Richtig. Obwohl ein eifersüchtiger
Bekannter einem Frager vielleicht etwas anderes auf die Nase binden
würde: Ich bin einsfünfundachtzig groß, sehe gut aus und bin ein Ex-Marine.
Na klar, sicher hat meine Visage ein paar Ecken und Kanten, aber die
unterstützen nur mein charaktervolles Äußeres. Sie machen der hingerissenen
Süßen klar, dass sie einen richtigen Mann vor sich hat. Oder vielleicht
auch einen Burschen, der so blöd ist, dass man ihn an seinen Weichteilen
spazieren führen kann.
Dean, mein Koch, Haushälter, Pförtner-General und Hausmeister (das
allerdings nur in seinem eigenen Kopf), hatte Ausgang. Ich musste
also selbst auf das rhythmische Klopfen reagieren. Es war Mittag,
und ich schlürfte gerade genießerisch meine erste Tasse Tee. Ich war
noch ein bisschen zerzaust und fast nur mit meinem raubeinigen Charme
bekleidet. Ich hatte mir eine ausgiebige Nachtruhe verschrieben, weil
ich eine Pestilenz der Großen Alten überstanden hatte, alten Göttern,
die das heutige Traumviertel eher wie ein Haufen weltverschlingender
Termiten denn wie altersschwache Himmelsbewohner bevölkerten.
Was soll`s? Richtige Frauen mögen ihre Kerls ein bisschen rau an den
Kanten.
Ich presste ein blutunterlaufenes Auge ans Gluckloch. Der Tag sah schlagartig
besser aus. »Heureka!« Meine Schwelle wurde von Schmollmündern überschwemmt,
die alle aus genau den richtigen Zutaten zusammengesetzt waren. Jugend.
Schönheit. Kurven, Schwünge und Bahnen, die selbst eine ganze Gruppe
geifernder Geometer auf der Stelle veranlasst hätten, sich diesem
besonderen Arbeitsfeld zu widmen. Und direkt hinter ihnen drängte
sich ein Haufen besonders hässlicher Schläger, die offenkundig das
Element der Bedrohung verkörperten.
Ich riss die Tür auf. »Wie viel Glück kann ein Mann haben?«
Die Blonde war Alyx Weider. Sie glotzte mich an wie einen Zombie, der
soeben aus seiner Gruft gestiegen war. Sie maß einsfünfundsechzig
und war so schlank wie ein Nerz, aber die Natur hatte bei ihr mit
Extras nicht gerade gegeizt. »Garrett? Bist du das?« Was denn, trage
ich etwa eine Verkleidung?
»Du bist erwachsen geworden.« Sie war erwachsen geworden.
Jetzt war die Rothaarige an der Reihe. »Hör auf zu sabbern, Garrett.«
Darf ich vorstellen: Tinnie Tate, Beruf: Rothaarig. Und sie nahm den
Besuch ernst. Sie war meine halbe Ex-Freundin. »Du machst den ganzen
Boden nass. Dean wird dich zwingen, aufzuwischen.«
Es war das erste Mal seit Monaten, dass Tinnie mit mir sprach. Und
natürlich musste sie gleich wieder von Hausarbeiten anfangen.
»Du siehst heute Morgen wirklich entzückend aus, Darling. Kommt rein.«
Ich beäugte die dritte Frau. Sie war brünett, und sie hatte sich selbst
keinen Gefallen getan, zusammen mit Tinnie und Alyx hier aufzutauchen.
Sie trug schlichte Kleidung und hatte sich auch keine besondere Mühe
mit ihrer Frisur gemacht. Neben Tinnie und Alyx sah sie aus wie ein
graues Mäuschen. Aber nur auf den ersten Blick. Ein geschultes, scharfes
Auge erkannte sofort, das sie die hinreißendste dieser drei Grazien
war. Und mein Auge ist in dieser Beziehung scharf wie ein Rasiermesser.
Außerdem kannte ich sie nicht.
»Du arbeitest wirklich hart an deinem Junggesellendasein, hm?«, fragte
Tinnie.
»Häh?« Normalerweise bin ich mit einem Verstand wie ein Rapier gewappnet,
na ja, vielleicht eher mit einem wie eine Gladiole. Aber wenn Tinnie
auftaucht, verkrümelt sich mein Verstand sofort.
»Du siehst aus wie eine Leiche am Spieß, Garrett. Und zwar leicht aufgewärmt.«
Tinnie kann mit Worten umgehen. So wie der Kerl im Schlachthof am
Ende der Rutsche mit seinem Hackebeilchen umgehen kann.
»Ganz mein Schätzchen«, sagte ich ins Publikum. Ich zog mich ins Haus
zurück. »Ist sie nicht köstlich?«
»Wenn du ein Schätzchen haben solltest, Garrett, heißt das sicher nicht
Tinnie Tate. Es sei denn, es gibt mehrere Ausgaben von mir.«
»Autsch!«, sagte ich bestürzt. »Unmöglich! Du bist einzigartig!«
»Hast du dir vielleicht ein Bein gebrochen? Oder den Weg zu meinem
Haus vergessen? Oder das Schreiben verlernt?«
Jetzt hatte sie mich. Selbst der gewiefteste Hermelin hätte sich aus
dieser Klemme nicht herauswieseln können. Ich hab etwas getan, was
Kerle manchmal tun, ohne zu wissen, dass sie es tun, während sie es
tun, und immer noch nicht wissen, was sie tun, wenn sie es getan haben,
und dann legte ich auch noch die ungeheuerliche Frechheit an den Tag,
mich nicht öffentlich dafür zu entschuldigen. In letzter Zeit hege
ich den Verdacht, dass es ein strategischer Irrtum erster Güte ist,
sich an Prinzipien zu halten.
»Ich glaube kaum, dass du hierher gekommen bist, um dich vor deinen
Freundinnen mit mir zu zanken.« Ich zeigte ihr mein vollständiges,
strahlendes Gebiss.
Sie bedachte mich mit einem Blick, der mir deutlich machte, dass ich
mal wieder alles in den falschen Hals bekommen hatte, aber dass sie
es mir für den Augenblick durchgehen lassen würde.
Der Besuch war eigentlich keine Überraschung, außer was den Zeitpunkt
anging. Die Damen hatten mich fast alle schon einmal besucht, aber
jedes Mal war ich damit beschäftigt gewesen, die Welt zu retten. Alyx´
Vater hatte Probleme, und sie dachte, ich wäre der Richtige, um sie
zu lösen.
Tinnie kennt meine Öffnungszeiten. Gott segne ihr kleines, sadistisches
Herz.
Der alte Weider besitzt das größte Brauereiimperium in TunFaire. Und
zwar deshalb, weil der clevere Halunke einfach die beste Brühe braut.
Als er mich das erste Mal engagierte, habe ich ihn von einem Diebesring
aus Insidern befreit, die seine Geschäfte wie ein rasendes Krebsgeschwür
befallen hatten. Seidem stehe ich auf seiner Lohnliste. Am liebsten
wäre es ihm, wenn ich Vollzeit für ihn arbeiten würde. Aber an einem
ordentlichen Job bin ich nicht interessiert. Wenn man sein eigener
Boss ist, muss man niemandem gefallen außer sich selbst. Allerdings
hat man dadurch auch wenig Spielraum, anderen die Schuld für Fehlschläge
in die Schuhe zu schieben.
Im Austausch für mein Gehalt statte ich der Brauerei überraschende
Stippvisiten ab. Zufälliges Auftauchen erschwert es dem organisierten
Verbrechen, wieder Wurzeln zu schlagen.
Früher war Alyx ein dürres Kind gewesen, dem keiner eine Zukunft als
Herzensbrecherin vorausgesagt hätte. Ihre ältere Schwester Kittyjo
war da schon viel interessanter.
Tja, die Zeit trottet weiter, und manchmal spielt sie dabei eine hübsche
Melodie.
Ich versuchte es noch einmal. »Lass uns nicht streiten, Tinnie. Ich
hätte ohnehin keine Chance.«
»Wenn du das weißt, wieso …?«
»Ich meinte damit nicht, dass du Recht hast!« Verdammt. Ich wusste,
noch während ich die Worte ausspuckte, dass ich es mal wieder vermasselt
hatte.
»Garrett! Ich …!«
2. Kapitel
»Ach du gute Güte!«, kreischte jemand. »Augen auf, Kumpel! Das ist
ja der reinste Himmel! Wer von euch Süßen will zuerst?«
»Ist das dieser berüchtigte Papagei?«, fragte die Neue. Alyx und Tinnie
warfen einen finsteren Blick in mein kleines Wohnzimmer. Sie hätten
damit Wasser gefrieren und Glas zum Bersten bringen können. Die Zimmer
in meinem Haus gehen direkt hinter der Haustür vom Flur ab. Ich hatte
vergessen, sie zuzumachen, bevor ich die Damen hereinbat.
»Das ist Mr. Big, ja. Der großschnäblige Champion des Universums. Ignoriert
ihn. Sonst regt er sich nur noch mehr auf.«
»Aufregen?«
»Er hält sich im Moment noch zurück.«
»Garrett nennt ihn Den Gottverdammten Papagei«, warf Tinnie in die
Runde.
Woher wusste sie das? Der gefiederte Moskito war erst nach ihrem denkwürdigen
Abgang hier aufgetaucht.
Natürlich. Ihr Versuch, mich so verrückt zu machen, bis mir der letzte
Hirnsaft aus dem Kopf träufelt, bedeutet nicht, dass sie sich nicht
mit