Fanfic: Surly Isle

Kapitel: ~Ot Gould~

Er lenkte seine Schritte in Richtung seines Elternhauses.
Zugleich musste er abermals die Pierstraße nehmen. Er vernahm das vertraute Rauschen der Wellen. Grey verlangsamte sein Tempo, und sah wie sich die Sterne im Wasser spiegelten. Der Mond hüllte die Umgebung in ein schwaches weißes Licht ein und Grey erreichte schon bald die Straße, in der er wohnte. Von weitem erblickte er, dass noch Licht aus den kleinen Fenstern seines Heims drang. Er bog in den Weg zur Haustüre und öffnete diese, trat in den engen Flur herein. An den Wänden flackerten neben den wuchtigen Gemälden, die aus den Beutezügen seines Vaters stammten, einige Kerzen, der dunkle Holzboden knarrte, als Grey darüber ging.
Unter der Küchentüre flimmerte noch Licht und er hörte seine Mutter mit einem Gast reden. Grey beschloss seiner Mutter und ihrem Gast Gesellschaft zu leisten und betrat die Küche, worauf die Köpfe der beiden Anwesenden erschrocken zu ihm herumfuhren.
„Ach, du bist es.“, sagte Ira, Greys Mutter. Sie trug bereits ihr Nachtgewand und ihre braunen dichten Haare waren zerzaust. Sie musste wohl schon geschlafen haben. So mehr wunderte es ihn, dass sie um diese späte Stunde noch einen Gast empfing. Er musterte ihn eindringlich.
Es war ein Mann, Mitte 50. Er trug einen schwarzen Hut und war ebenfalls in einen langen schwarzen Mantel mit Stehkragen gehüllt.
Irgendwoher kam er ihm bekannt vor und Grey nahm am Tisch Platz.
„Grey, das hier ist Ot Gould, der Navigator der Poseidon.“
Der Alkohol war schlagartig aus Greys Blut verschwunden und er dachte so klar, wie schon lange nicht mehr.
„Was will er hier?“, fragte er nun seine Mutter.
„Das kann er dir am besten selbst erklären. Ich gehe jetzt schlafen. Geleite Ot nachher bitte noch hinaus.“
Mit diesen Worten verabschiedete sich Ira und stieg die Treppe in den zweiten Stock zu den Schlafzimmern hinauf.
Ot, der die meiste Zeit im Schatten gesessen hatte, beugte sich näher zu Grey ins Licht hinüber, welcher dessen Gesichtszüge nun deutlicher erkennen konnte.
Ots Gesicht war schwer vernarbt und an seinem Kinn thronte der typische schwarze Bart eines Piraten. Er blinzelte Grey leicht verdrießlich aus seinen Augen an.
„Ich habe eine Nachricht von deinem Vater für dich!“, begann er mit einer derartig rauen Stimme, die anscheinend schon einige Flaschen Rum und Jahre auf See zuviel auf dem Buckel hatte. Bei der Erwähnung von seinem Vater starrte Grey Ot fassungslos an.
Seit dem mysteriösen Verschwinden seines Vaters hatte er keinerlei Anhaltspunkte was mit ihm zugestoßen war. Doch, da sie jetzt- nach drei Monaten- noch immer nichts von ihm gehört hatten, mussten sie seinen Tod wohl oder übel akzeptieren. Dass jetzt der ehemalige Navigator der Poseidon, dem Schiff seines Vaters, bei ihm saß und eine Nachricht von ihm für Grey hatte, traf ihn völlig unvorbereitet. Und so konnte er nichts anderes tun, als Ot noch immer anzustarren.
Dieser kramte in seinem Seesack herum und holte ein großes Buch zum Vorschein, legte es vor Grey auf den Tisch.
„Was ist das?“, Grey hatte seine Sprache wieder gefunden und durchbohrte jetzt das Buch mit seinen Blicken.„Captain Abaddon gab es mir kurz vor seinem Tod.“
„Also ist es jetzt klar, dass er getötet wurde?“
„Ja, das wurde er. Und anscheinend hat der alte Fuchs es geahnt, sonst hätte er mir das hier nicht anvertraut.“
Ot strich mit der Hand über den Ledereinband des Buches.
„Was ist es denn?“, fragte Grey ungeduldig.
„Das Lockbuch deines Vaters.“
„Sein Lockbuch?“
„Bist du schwerhörig oder was? Ja! Sein Lockbuch. Es war sozusagen sein letzter Wille, dass du es bekommst und nicht Slaight.“
Je mehr Grey nachfragte und sich Klarheit verschaffen wollte, desto undurchsichtiger wurde es. Warum sollte sein Vater ein solch wichtiges Dokument ihm und nicht Slaight, seinem älteren Bruder, anvertrauen? Zwar hatten beide nicht das beste Verhältnis zu ihrem Vater, doch Slaight hatte der Familie vor einigen Jahren den Rücken gekehrt und war verschwunden. Ira hatte es damals fast das Herz gebrochen, dass eines ihrer Babys das Nest verließ, doch allmählich verspürte sie jetzt auch nur noch Hass auf ihren Erstgeborenen.
„Warum?“
„Woher soll ich das wissen?! Ich bin hier nur der Botschafter.“
„Mein Vater hat dir vertraut. Ihr ward fast so etwas wie Freunde. Also, erzähl mir was passiert ist! Warum musste er sterben?!“
Ot nahm seinen Hut ab und eine Glatze kam zum Vorschein. Er lehnte sich zurück und blinzelte Grey eindringlich an.
„Wir lagen vor einer Insel vor Anker. Dort gab es einen Kampf mit dem Meervolk und dabei wird dein Vater wohl ums Leben gekommen sein. Wie er jetzt den Tod gefunden hat, kann ich dir nicht sagen. Nur, dass diese verdammten Meerviecher daran schuld sind. Die mit ihren ekligen Flossen und Schuppen-“, er unterbrach und spukte auf den Boden, „Sie haben ihn gestellt und dann was weiß ich noch mit ihm angestellt. Wir waren auf dem Schiff und hörten nur seine Schreie von der Insel hinüber schallen.“
„Moment mal. Du willst mir sagen, dass es die Aerandir tatsächlich gibt? Es ist doch nur eine Legende!“
„Nein, Bürschen. Es gibt sie und sie sind für den Tod des wohl gefürchtesten Piraten verantwortlich!“
Nervös fuhr sich Grey durch seine Haare, als Ot weiter erzählte:
„Ich war so frei und habe das Lockbuch gelesen und einen Brief deines Vaters gefunden.“
Ot durchblätterte das Buch und fand schließlich ein vergilbtes Blatt, auf dem Grey augenblicklich die Handschrift seines Vaters erkannte.
„Was?! Ein Brief?! Was steht drin?!“
„Nur so viel, dass du die Poseidon geerbt hast.“
Grey entriss ihm den Brief und überflog ihn. Tatsächlich. Sein Vater hatte ihm sein Schiff, das Schiff, mit welchem er schon so viele Stürme überstanden und Meere besegelt hatte, vermacht. Für Grey war dieses Schiff schon immer der Inbegriff von Freiheit gewesen und dementsprechend war er auch geschockt, dass es nun seins sein sollte.
„Nun, ich und die Crew liegen hier jetzt mit der Poseidon im Hafen und warten auf Befehle, Captain.“
Grey sprang auf und lief verwirrte einige Schritte auf und ab.
„Moment, ich kann doch jetzt nicht von einem Augenblick auf den anderen euer neuer Captain sein?! Du weißt gar nicht, was das alles für mich bedeutet!“
„Verdammt noch mal! Nun beruhig dich wieder, Bürschen! Du benimmst dich, wie ein hysterisches Weib! Wenn dir das alles hier so viel bedeutet, wie du sagst, dann wird es dir sicher auch nicht schwer fallen von nun an der Captain der Poseidon zu sein. Dein Vater war ein kluger Mann und wird dir das Schiff geschweige denn den Titel nicht ohne Grund hinterlassen haben.“
„Ja.“, grübelte Grey und nahm wieder Platz, „Du hast Recht…“
Nun war es Ot der sich erhob. Er packte seine Sachen zusammen und setzte sich seinen Hut wieder auf.
„Du kannst das Schiff morgen früh besichtigen. Es wäre auch im Sinne der Crew, dass du kommst.“
„Das werde ich!“, antwortete Grey voller Zuversicht und reichte Ot die Hand.
„An deinem Händedruck musst du noch arbeiten, Bürschen. Sonst wirst du nicht für voll genommen. Vor allem die Crew wird dir sehr skeptisch gegenüberstehen.“
„Lass das mal meine Sorge sein.“
„Keine Panik, das werde ich.“, sagte Ot und verschwand eingehüllt von der Dunkelheit in den Straßen der Stadt.
Dieser kleine Bengel war zu naiv, wie er fand. Er würde niemals einen würdigen Captain abgeben und niemals den Stand seines Vaters erreichen, auch wenn er sich sein verdammtes Leben dafür anstrengen würde. Ot war keineswegs von ihm überzeugt und dazu noch wütend. Wütend, auf Abaddon, dass er ihn so schamlos übergangen hatte. Eigentlich wäre die Poseidon sein Eigentum gewesen. Doch sein Captain hatte ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht, was ihm sehr missfiel, er jedoch nichts gegen den Befehl ausrichten konnte. Mal abwarten, dachte er, wie die Crew reagieren würde, die von alledem noch nichts Genaueres wusste.
Nach diesem Gedankengang stand er ihr auch schon gegenüber:
Die Poseidon war ein wahrhaftiges Meisterwerk von einem Schiff. In den vielen Jahren die sie nun schon mit ihr segelten, hatte es kein anderes Schiff, selbst nicht die, der Royal Navy, geschafft ihr das Wasser zureichen. Sie war nur eines mächtigen Piraten würdig, so jemanden wie Dwayne oder ihm; ihm: Ot Gould!
Ein wunderbares Schiff. Perfekt bis ins kleinste Detail, von dem Achterdeck bis zu den drei Masten war sie makellos auf Piraterie eingestimmt. Machtvoll für einen gewaltigen Kanonenangriff, robust, um Wochen bei starkem Seegang unbeschadet zu überstehen, und wendig, um den Angriff auszuweichen. (höhö…. Wie schmalzig… Anm. von Cloud ^^)
Ot war vernarrt in dieses Schiff und er wollte es sich unter keinen Umständen von so einem dahergelaufenen Bürschen nehmen lassen. Doch vorläufig könnte der Kleine ihm noch sehr nützlich sein und daher wollte er sich sein Missfallen nicht anmerken lassen. Vorerst.

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