Fanfic: Neko
Untertitel: ~Sklaven von Gaia~
Kapitel: Ryu und Nagusame
Villiano hatte die erste Wache für diese Nacht übernommen. Nachdenklich saß er im Gras und schliff im fahlen Licht des Mondes seine Silenquedea.
Die schreckliche Nacht in Jissele lag bereits mehrere Tage zurück. Seitdem waren sie ein gutes Stück nach Süd-Westen gewandert, in Richtung Nebelgebirge und hatten nur selten gerastet. Ghiauna´s Knöchel war wieder völlig geheilt, was sie Maya´s Heilkräutern zu verdanken hatten, ansonsten hätten sie diese große Strecke wohl nicht so schnell hinter sich gebracht. Die Gefahr das die Soldaten ihre Flucht vielleicht bemerkt hatten und sie nun verfolgten war noch immer groß, daher waren sie immer auf der Hut.
Ein kühler Luftzug ließ ihn frösteln. In Gaze, dem Land der Wälder war es für gewöhnlich zu dieser Zeit etwas kälter als in den umliegenden Ländern, da die dichte Wolkendecke nur selten etwas Sonnenlicht hindurchließ. Ganz anders Sanderith - dort schien immer die Sonne, so erzählte man sich hier im Norden.
Er legte den Wetzstein zur Seite und betrachtete zufrieden seine Arbeit. Die Klingen waren wieder scharf, sie würden Fleisch so leicht schneiden, als gingen sie durch weiche Butter. Villiano ließ seinen Blick umherschweifen, welcher an der schlafenden Gestalt von Ghiauna hängen blieb, die ein paar Meter von ihm entfernt lag.
Sie sieht hübsch aus wenn sie schläft, dachte er und lächelte, ihre Züge sind dann nicht mehr so hart und abweisend.
Ihre Lippen bewegten sich leicht, sie flüsterte.
Er rutschte näher zu ihr und beugte seinen Kopf zu ihr hinab, um zu verstehen was sie sagte.
"... Shi... rai..."
Shirai? Diesen Namen hatte er doch schon einmal gehört, wer war das?
Verwundert setzte er sich wieder auf und bevor er wieder in Gedanken versank, sah er die feuchte Spur einer Träne auf ihrer Wange.
"Wir sollten uns andere Kleidung holen. Die Soldaten haben uns gesehen, wenn sie uns verfolgen, werden sie sicher nach einem solchen Anhaltspunkt Ausschau halten. Weißt du wie weit es bis zur nächsten Stadt ist?," fragte Ghiauna nachdem sie wieder aufgebrochen waren.
Die Spitze seines linken Ohres zuckte leicht, wie fast immer wenn er überlegte.
"Nun... ich denke Gorca ist ganz in der Nähe. Eine halbe Stunde östlich von hier."
"Gut."
Schweigend liefen sie weiter.
Villiano hatte die halbe Nacht kein Auge zugetan, so aufgewühlt war er gewesen als er zum wiederholten Mal diesen Namen gehört hatte.
"Ghiauna?"
"Ja?"
"Darf ich dich etwas fragen?,"erkundigte er sich, obwohl er sich garnicht sicher war ob er die Antwort wirklich hören wollte.
"Ja sicher, frag nur."
Villiano holte tief Luft. "Wer ist Shirai?"
Schlagartig blieb sie stehen. Ihre Pupillen verengten sich.
"Woher weißt du von ihm?" In ihrer Stimme schwang Misstrauen.
"Du hast gestern Nacht im Schlaf seinen Namen geflüstert - wer ist er?"
"Ich wüsste nicht was dich das angeht,"sagte sie kühl und wollte weiter laufen, als Villiano sich ein Herz fasste und fragte:"Ist er derjenige der in Sanderith auf dich wartet?"
Einen Moment lang herrschte Stille, dann antwortete sie ohne sich umzudrehen.
"... Shirai und ich sind in den Straßen von Mangolth, in Sanderith zusammen aufgewachsen. Er und mein bester Freund Ink haben mir das kämpfen beigebracht. Als ich fünfzehn war gestand ich ihm meine Liebe. Wir waren drei Jahre lang glücklich zusammen, bis mich vor einem Jahr ein Sklaventreiber einfing und uns trennte, doch ich versprach ihm so schnell ich könnte zurück zu ihm zu kommen, da ich nie einen Anderen außer ihm lieben könnte... - reicht dir das?"
Verblüfft starrte er ihr nach, als sie wieder loslief - eine solch ausführliche Antwort hatte er nicht erwartet.
Sie... liebte ihn?...
Er spürte einen leichten Stich und es dauerte eine Weile, bevor er wieder atmen konnte. Dann sprintete er los und beeilte sich sie wieder einzuholen.
Schon von weitem war auszumachen das Gorca um einiges größer war als Jissele. Die Handelsstadt lag mitten in einem weitläufigen Tal und Dutzende von Reisestraßen führten direkt zu ihr. Überall in den Seitenstraßen waren kleine Läden, doch der Großteil stand entlang der riesigen Straße - Compra genannt - die sich kreuzförmig von Norden nach Süden und von Osten nach Westen zog.
Ghiauna und Villiano standen in einer kleinen menschenleeren Gasse und starrten auf das Geschäft vor ihnen. "Grappa´s Kleiderausstattungen für alle Gelegenheiten" stand in großer geschwungener Schrift auf einem Holz-Schild über der Ladentür, an der widerum ein Zettel befestigt war mit der Aufschrift "Geschlossen".
"Wir haben Glück, der Besitzer scheint nicht da zu sein", sagte Villiano, der einen seiner Dolche gezogen hatte und anfing mit der Spitze in dem Schloss herum zu nesteln.
Ghiauna betrachtete ihn skeptisch und mit hochgezogenen Brauen bei seiner Arbeit. Gelangweilt spielte sie an ihrem Ohrring.
"Bist du dir sicher dass das funktioniert?..."
"Klar!" Und wie zur Bestätigung schwang die Tür leise knarzend auf.
Milde überrascht blickte sie zuerst die Tür, dann ihn an. "Wie hast du das gemacht?"
Er antwortete mit einem leicht süffisanten Lächeln und zuckte mit den Schultern.
"Berufsgeheimnis."
Sie betraten einen mittelgroßen, diffus beleuchteten Raum, mit altem Dielenboden. Mehrere große Garderoben die vollgehängt waren mit Kleidern standen an einer Wand, gegenüber einer einfachen Trennwand. Hinter einem kleinen Tresen, führte eine Treppe nach oben - offenbar wohnte der Inhaber dort, doch es war nichts von ihm zu hören.
Ghiauna hatte sich bereits einige Kleider zusammengesucht und marschierte hinter die Trennwand, wo sie anfing sich auszuziehen. Mehr um sich die Zeit zu vertreiben, beschloss auch Villiano nach etwas geeignetem zu sehen und rückte wie zufällig immer Näher an die Trennwand heran. Spitzbübisch grinsend wollte er einen flüchtigen Blick dahinter werfen, doch bevor es dazu kam hatte er auch schon Ghiauna´s kräftig austretenden Fuß im Gesicht.
"Versuch es erst garnicht!"
Etwas kleinlaut schlurfte er in Richtung Tresen, von wo aus er seufzend ihre, sich dunkel abzeichnende Silhouette hinter dem Paravent betrachtete.
Es dauerte eine Weile bis sie endlich um die Wand herumtrat und sich ihm zeigte. Sie trug ein kurzes, hellbeiges Baumwoll-Kleid, mit einem weiten, schlicht verzierten gelben Kragen, der an der Vorderseite in eine Knopfleiste überging und ein paar dazu passende Kuhleder Stiefel.
"Warum sagst du denn nichts? Steht es mir nicht?,"meinte Ghiauna und strich sich unsicher eine dunkelrote Haarsträhne aus dem Gesicht.
"Oh... oh doch!,"versicherte ihr Villiano hastig, dem erst jetzt auffiel das er sie die ganze Zeit angestarrt hatte,"... weißt du... das ist nur so... nun ja... hui eben..."
"Hui...?,"sie lächelte,"Danke. Such dir auch etwas, der Besitzer könnte bald zurückkommen."
Mit Mühe wandte er den Blick von ihr ab und begann in den Garderoben zu stöbern.
Es dauerte nicht lange bis er sich für eine neue Garderobe entschieden hatte, die aus einer dunkelgrünen, kurzärmeligen Lederweste mit einem Kragen aus Schaffell, sowie einer schlichten, knielangen Stoffhose mit einem doppelbündigem Gürtel und schwarzen Ziegenleder Stiefeln bestand.
Ghiauna nickte in Richtung Treppe. "Lass uns nach oben gehen, vielleicht finden wir etwas brauchbares."
Oben angekommen blieb ihnen der Mund offen stehen.
"Ein... ein Waffenliebhaber...,"sagte Villiano und stieß anerkennend eine kleinen Pfiff aus, als er die gegenüberliegende Wand betrachtete die man schon fast als kleines Arsenal bezeichnen konnte.
Verächtlich spie Ghiauna in die Ecke. "Menschen haben Spaß am töten! Aber...,"sie nahm einen Vollmetallstab von seiner Halterung und wog ihn in der Hand," der Mann hat Ahnung, das muss ich ihm lassen."
"Willst du ihn etwa mitnehmen?"
"Natürlich. Nach so etwas habe ich die ganze Zeit gesucht. Endlich kann ich wieder so kämpfen wie Shirai und Ink es mir beigebracht haben."
Plötzlich wurde unten die Tür zum Laden aufgestoßen.
"Seltsam, seltsam, ich dachte ich hätte sie abgeschlossen...,"hörte man einen alten Mann murmeln.
Augenblicklich wandte sich Ghiauna in Kampfstellung zur Treppe.
"Nicht,"wisperte Villiano und drückte ihr sanft die Schulter."Lass uns lieber übers Dach verschwinden."
Einen Moment starrte sie ihn verständnislos an, doch dann wandte sie sich doch, wenn auch widerwillig zum Fenster und folgte ihm.
Als sie nach einiger Zeit wieder den Wald betraten, warf Ghiauna ihm einen bösen Blick zu.
"Warum hast du das getan?!"
"Es war nicht nötig gewesen."
"Shirai hat mir gesagt, man soll die Chance für sich nutzen wenn der Feind unachtsam ist - ich hätte ihn erledigen können!"
"Ach!,"rief Villiano und starrte sie aus rotglühenden Augen an,"Und das man nur dann kämpfen sollte, wenn es erforderlich ist und man das Leben von Unschuldigen - selbst das des Feindes - achten soll?! Das man nur dann töten soll, wenn einem nichts anderes übrig bleibt?! Das hat dir dein Shirai wohl vergessen beizubringen, wie?"
Gerade als Ghiauna zurückkeifen wollte, ertönte ein lauter Schrei inmitten des Waldes. Vögel flogen krächzend auf, dann herrschte Stille.
Stille. Das Wort rief die Erinnerung an Jissele in Villiano wach - Stille bedeutete Tod!
Ohne nachzudenken rannte er los, direkt durch ein dichtes Gestrüpp, mit Ghiauna auf den Fersen. An einer Lichtung angekommen blieben sie aprupt stehen - denn dort lag eine Neko regungslos auf dem Boden.
Sie hatte langes, dunkelbraunes Haar das ihr strähnig das Gesicht verdeckte und trug ein luftiges, kurzes