Fanfic: Eine Geschichte / Die Sprache des Auges
Untertitel: Es passiert nie mehr als einmal im Leben und lässt uns nie wieder los
Kapitel: Was sollte ich machen?
In der Schule mussten wir ein Gruppenreferat halten. Yami und ich wurden in die gleiche Gruppe eingeteilt. Deshalb trafen wir uns nach der Schule, entweder bei ihm oder bei mir. Es war trotz der Anstrengung eine lustige Zeit gewesen. Wir machten uns zusammen etwas zu essen. Danach diskutierten wir über unser Thema, aber oft auch über andere Dinge, die einem so einfielen.
Manchmal erzählte Yami etwas über sich und seine Familie. Ich erfuhr auch den wahren Grund für den Vorfall an jenem regnerischen Tag.
...
Yamis Vater wohnte jetzt mit der anderen Frau und den anderen Kindern zu Hause. Seine Mutter war ins Ausland gegangen.
Sei größter Wunsch war, endlich selbständig zu werden und eigenes Geld zu verdienen, um nicht mehr auf andere Menschen angewiesen zu sein. Er jobbte zwar in der Freizeit, aber das Geld reichte bei weitem nicht aus, um die Miete, Nebenkosten, Essen, Kleidung usw. bezahlen zu können.
Ich erzählte ihm auch einiges über mich, aber eben nur so viel, wie ich es für gerade noch angemessen hielt.
Ein paar mal verabredeten wir uns auch für Museumsbesuche, Schlittschuhe fahren und ähnliches. Eigentlich war er ein ganz umgänglicher Mensch mit einem scharfen Sinn für Humor, einem kühlen Kopf und hervorragendem Verstand. Ich bewunderte ihn manchmal, wie schnell er den Kern der Sache erkannte, ohne sich lange an der Oberfläche aufzuhalten.
Anscheinend wusste er genau, was er wollte.
Da könnte ich wirklich neidisch werden.
Mit Yami war es anders als mit allen anderen. Bei ihm musste ich mich nicht verstellen um der Situation gerecht zu werden. Wenn ich es doch tat, dann durchschaute er mich meistens sofort, sagte aber nichts dabei. In seinen Augen konnte ich dann Enttäuschung oder auch Wut und Trauer ablesen.
Und ich bereute sofort was ich gesagt hatte.
Die Ferien standen vor der Tür. Weil meine Eltern wie immer keine Zeit für mich hatten und Yami keine Lust hatte, die Zeit mit seiner „neuen Familie“ zu verbringen, planten wir eine schöne Reise ans Meer. Es war erst Februar und das Wetter immer noch kalt, aber ich bestand darauf, das weite Meer zu sehen. Gerade weil die Jahreszeit den meisten Freiengästen noch ungeeignet vorkam, würden wir schöne menschenleere Strände und auch einen günstigeren Preis genießen können.
Wir besprachen oft, was wir wohl noch bräuchten und mitnehmen müssten, amüsierten uns dabei und konnten die Reise kaum noch abwarten.
Am zweiten Ferientag standen Yami und ich schon früh morgens am Bahnsteig. Jeder von uns hatte eine große Reisetasche und einen Rucksack. Im Zug suchten wir uns zwei gegenüber liegenden Fensterplätze und freuten uns darüber, dass das Wetter es gut mit uns meinten.
Ich hatte irgendeinen Roman dabei und fing an zu lesen. Yami hörte seine Musik, bis er aus seinem Rucksack zwei Schachteln herausholte und mir eine davon gab. Ich machte sie auf und sah darin eine Stapel Karten liegen. Auf der Rückseite der Karten stand:
„Yu-Gi-Oh!“
Natürlich hatte ich keine Ahnung was das nun sein sollte. Deshalb holte ich die Spielanleitung aus der Schachtel und fing an zu lesen.
Yami meinte aber, dass dieses Spiel am besten zu verstehen wäre, wenn man sie spielte.
Er erklärte mir kurz die Kartenarten und das Grundprinzip mit den Lebenspunkten usw.
Ich verstand höhstens nur die Hälfte, was er da von sich gab. Ich meinte rein von der Logik her. Inhaltlich kam erst mal gar nichts bei mir an.
Wir spielten so ein paar Runden und natürlich hatte Yami immer gewonnen. Er spielte dieses Spiel schon seit Jahren, sagte er. Aber ich wollte ihn besiegen, da ich keine Niederlage vertragen konnte, auch nicht in einem Spiel. Einmal hatte ich seine Lebenspunkte um mehr als die Hälfte reduziert, aber dann entdeckte er doch die Schwachstelle in meiner Strategie (was denn für eine Strategie?) und konnte mich wieder vernichtend schlagen. Ich war so entmutigt, dass ich aufgeben wollte.
„Gib doch nicht gleich auf! Du wirst immer besser. Ich muss mich schon vor dir in Acht nehmen!“, sprach mir Yami zu.
Aber trotzdem hatte ich keine Lust mehr. So beschlossen wir, unsere Duelle später fortzusetzen.
Wir redeten ein bisschen über unseren Zielort und das Zimmer, das wir in einer Jugendherberge gebucht hatten. Es war ein Doppelbettzimmer, denn bei Einbettzimmern wäre es auch fast doppelt so teuer. Eigentlich konnte ich es mir schwer vorstellen, mit Yami in einem Zimmer die Nacht zu verbringen und fühlte mich ein wenig verunsichert. Aber andererseits hatte ich auch keine Lust, alleine an einem fremden Ort in einem riesigen (verglichen mit meinem) Zimmer zu übernachten, mich von den Alpträumen quälen zu lassen und niemanden bei mir zu wissen. Geschweige davon, dass es auch viel mehr kosten würde.
Ich warnte Yami aber schon vorher, dass ich im Traum manchmal ganz schön unheimlich schreien könnte und er sich vielleicht lieber Ohrstöpseln mitnehmen sollte. Er erwiderte mir, das es bei ihm genau das Selbe sei und ich mich ebenfalls in Acht nehmen sollte. Da konnte ich bei seinem übertrieben ernstem Gesichtsausdruck das Lachen nicht mehr verkneifen.
Als wir ankamen, war es gegen Mittag und wir checkten uns in der Herberge ein. Dann gingen wir zu unserem Zimmer, das ziemlich geräumig und hell war. Zwei Betten lagen in der Mitte, aber wir zogen sie auseinander, bis an die Wände. Ein bisschen Anstand musste ja sein...
Nachdem wir unsere Sachen eingeräumt hatten, gingen wir in den Speiseraum und holten uns ein Tagesmenü. Da wir beide hungrig waren, fanden wir das Essen auch ganz gut, was normalerweise wohl nicht der Fall gewesen wäre.
Wir gingen dann direkt Richtung Meer und konnten schon die frische Meeresluft spüren. Ich fühlte mich richtig glücklich und sah, dass Yami ebenfalls lächelte. Irgendwie verspürte ich das Gefühl, ihn umarmen zu wollen, ließ es doch sein und ging etwas unnatürlich neben ihm her. Yami schaute mich etwas verwundert an und wirkte auch etwas verlegen.
Das Meer ist einzigartig. So blau, so weit, so unendlich sanft und doch so geheimnisvoll. Das Schimmern auf der Wasseroberfläche wandelte ständig hin und her, der Strand war scheinbar unendlich lang und sauber, ich sah die Möwen und hörte ihre Geräusche. Ich sah sie fliegen und spürte die Freiheit. Ich legte mich im Halbschatten auf mein Strandtuch und schloss meine Augen. Kurze Zeit später schlief ich tatsächlich ein.
Als ich aufwachte, lag Yami neben mir. Er schien immer noch zu schlafen, jedenfalls hatte er seine Augen geschlossen. Ich beobachtete ihn und fand, dass er gut aussah. Seine Gesichtszüge waren zart, fast wie die eines Mädchens. Seine Nase war eher klein, sowie sein Mund und sein Kinn. Er hatte etwas empfindliches, zerbrechliches an sich, wenn man ihn sich so genau ansah. Dieses Mal verspürte ich nicht nur den Wunsch, ihn zu umarmen, sondern auch den Wunsch, ihn zu küssen.
Dieser Gedanke haute mich um und löste im Gehirn eine Reihe von Alarmsignalen aus. Ich stand auf, um etwas spazieren zu gehen. Dann hörte ich Yami mich rufen.
Er hatte nun seine Augen geöffnet und schaute mich an. Ich sagte ihm, dass ich nur ein Bisschen am Strand entlang laufen würde und dass er sich ruhig weiter ausruhen könnte.
Aber er stand auf und wollte mich begleiten.
So gingen wir nebeneinander her ohne etwas zu sagen. Sanfte Brise fuhr uns durch die Haaren. Yami schien ebenfalls in Gedanken versunken zu sein. Ich konnte ihn nicht anschauen ohne dabei an etwas anderes zu denken.
Ich wollte zu ihm. Mir standen vor Verzweiflung schon fast die Tränen in den Augen.
Aber er schien mir auf eine unerklärliche Weise unnahbar. Traurig blickte ich auf das Meer. Es konnte mir auch nicht helfen. Yami bemerkte meine Trauer und wollte den Grund dafür wissen. Aber ich schüttelte einfach nur den Kopf.
Er würde es nicht verstehen.
Selbst konnte ich es auch nicht verstehen. Ich hatte Angst, dass ich für Yami bereits mehr empfand als nur Freundschaft.
Yami wollte nur Freundschaft. Wenn ich mich weiter so daneben benehmen würde, würde ich ihn sogar als Freund verlieren.
Was sollte ich machen? Ich konnte doch nicht direkt neben ihm stehen, ihm in die Augen sehen und trotzdem nichts dabei denken!
Ich wusste mir nicht mehr zu helfen!
Plötzlich fing ich an zu bereuen, dass ich einfach so leichtsinnig diese Reise angetreten hatte, ohne zu wissen, wie ich in solchen Fällen Yami gegenüber verhalten sollte. Nun konnte ich weder vor noch zurück und hatte das Gefühl, ersticken zu müssen:
„Armer Yami! Ich hätte es dir nicht antun sollen. Nun hast du eine Wahnsinnige an deiner Seite und du ahnst nicht mal etwas davon. Wie kannst du diese Reise überhaupt noch genießen wenn ich nicht mehr wie ein normaler Mensch reagieren kann?“
Nach dem Abendessen spielten wir noch Karten und ich verlor immer schneller, da ich mich bei all den Gedanken kaum noch konzentrieren konnte. Yami schien zu bemerken, dass es mit mir irgendetwas nicht stimmte und fragte mich, ob es mir an irgendwas fehlte.
Wieder schüttelte ich nur den Kopf.
Wie sollte ich es denn weiter aushalten? Wie sollte mich Yami denn aushalten?
„Tut mir leid, Yami.“, sagte ich im Gedanken.