Fanfic: Eine Geschichte / Die Sprache des Auges
Untertitel: Es passiert nie mehr als einmal im Leben und lässt uns nie wieder los
Kapitel: Wiedersehen
Eine ganze Woche verging und die Gedanken an Yami rückten angesichts der bevorstehenden Klausuren immer mehr in den Hintergrund. Ich war nicht sehr gut in der Schule, mindestens nicht so gut wie die Lehrer, Mitschüler und meine Eltern mich dafür hielten. Aber ich brauchte diese Anerkennung und versuchte jedes Mal verzweifelt diesen äußeren Schein aufrechtzuerhalten.
Diese Mal war es nicht anders. Obwohl ich den Unterrichtsstoff nur halbwegs verstanden hatte, musste ich mich darum quälen, eine ordentliche Note zu schreiben. Also saß ich lustlos am Schreibtisch und versuchte Daten in mein Gedächtnis einzuhämmern, die mich nicht im Geringsten interessierten. Dabei stiegen mir unglücklicherweise tausend andere Sachen in den Kopf, was ich stattdessen lieber getan hätte.
„Was Yami jetzt wohl macht? Er muss doch auch wissen, dass wir nächste Woche drei Klausuren schreiben! Wo er jetzt wohl ist...keine Ahnung...Vielleicht sitzt er im Park und genießt die Nachmittagssonne heute.“
Dabei schaute ich sehnsuchtsvoll aus dem Fenster und fand somit endlich einen Grund nach draußen zu gehen.
Natürlich war Yami nirgendwo zu sehen, obwohl sich viele Menschen im Park aufhielten. Ich drehte ein paar Runden und ging zu einem Einkaufszentrum, in der Hoffnung etwas Interessantes zu entdecken.
Nach etwa 2 Stunden war ich auf dem Weg nach Hause. Ständig musste ich an die Klausuren denken und fühlte mich sehr unter Druck gesetzt. Dabei bemerkte ich nicht, dass mir jemand entgegen kam. Erst als er mir zuwinkte, erkannte ich Yami.
„Hi Mariko!“, rief er mir zu.
Ich war irgendwie sprachlos. Dass ich ihn wirklich treffen würde, hätte ich nicht gedacht. Er sah ziemlich munter aus. Die dunklen Schatten um seine Augen sind fast verschwunden.
„Was machst du denn hier?“, fragte ich.
„Ich wohne jetzt in der Nähe. Siehst du das weiße Haus dort?“
„Dann sind wir fast Nachbarn...Wann bist du denn eingezogen?“
„Am Wochenende erst. Willst du mich besuchen kommen?“
Ich hatte sowieso keine Lust zu Hause Bio und Mathe zu pauken. Also stimmte ich zu. Außerdem war ich neugierig zu erfahren, was Yami in der Zwischenzeit gemacht hatte.
Yami hatte eine 1-Zimmer-Wohnung mit Küche und Bad. Er sagte mir, dass er jetzt alleine wohnte. Die Einrichtung war auf das nötigste beschränkt. Ein Bett, ein Schrank, ein Tisch und an einer Wand ein blaues Sofa. Die Gardinen waren hellblau und er hatte Holzfußböden. In der Küche stand ein Herd und ein Kühlschrank. Außer einem weißen Kühlschrank, der schon vorher da gewesen sein musste, war nicht mehr viel zu sehen.
„Meine Eltern hatten mir das Geld geschickt.“, sprach Yami und schaute dabei ins Leere. „Ich hatte in der Zeit mir eine Wohnung gesucht. Das war nicht einfach. Dann hatte ich sie etwas eingerichtet, wie du siehst.“
„Sie ist sehr schön.“, sagte ich aus Gewohnheit. Von hier aus hatte man einen guten Ausblick auf den nahegelegenen Park.
Dann fiel mir aber die Sache mit den Klausuren ein.
„Hattest du dich auf die Klausuren vorbereitet? Du weißt, nächste Woche...“
„Ich hatte bei den Lehrern nachgefragt und mir die Materialien besorgt. Es wird nicht sehr schwer sein.“
Dabei sah er so gelassen aus, was mich wegen meiner eigenen Unfähigkeit aufregte.
„Wie weit bist du denn schon?“, fragte er.
Ich wusste nicht, ob ich das Gewöhnliche oder die Wahrheit sagen sollte. Irgendwie hatte ich bei Yami keine Lust etwas vorzutäuschen, wenn er mich dabei sowieso ertappen könnte.
„Gar nicht. In Gegensatz zu dir muss ich für meine Noten hart arbeiten.“
Das war eben das, was ich an Schule so hasste. Mein teuerer Einsatz zahlte sich nur in irgendwelchen Noten aus und gute Noten dienten nur meiner Eitelkeit. Dabei hatte ich nie wirklich viel mit dem Wissen anfangen können, die sich im Laufe der Jahre angesammelt sein sollten.
„Vertraue dir selbst und höre auf deine Gefühle. Fange erst mit den Sachen an, die dir am meisten Spaß machen, auch wenn sie scheinbar nichts mit der Schule zu tun haben.“
Ich schaute Yami erstaunt an. Seine Sicht der Dinge überraschte mich immer wieder. Aber er schien noch nicht fertig zu sein:
„Quäle dich selbst nicht zu sehr. Schließe Frieden mit dem Menschen, der du wirklich bist. Sonst wirst du nie glücklich, egal was du auch erreichst.“
Natürlich wusste ich wieder nicht sofort, was er damit meinte. Aber ich mochte es nicht, dass andere meiner Lebenseinstellung etwas vorwirft. Über solche Sachen sprach ich lieber nicht. Denn ich glaubte, dass sie kaum jemandem etwas angingen.
„Ich muss noch lernen.“, sagte ich und bewegte mich Richtung Tür.
„Hier ist übrigens dein Geld. Danke dir.“
Er überreichte mir einen kleinen Briefumschlag.
„Ist schon gut.“, sagte ich und öffnete die Tür. „Wir sehen uns dann morgen in der Schule?“
Yami nickte und sah mich nachdenklich an.
Ich bekam schon wieder das Gefühl, dass er gerade meine Gedanken von meinem Gesicht lesen konnte. Deshalb drehte ich mich um und ging hastig die Treppe hinunter.