Fanfic: Eine Geschichte / Die Sprache des Auges

Untertitel: Es passiert nie mehr als einmal im Leben und lässt uns nie wieder los

Kapitel: Der Geburtstag

Ich erinnere mich wieder an jenem Tag.

Es war mein Geburtstag und ich war alleine zu Hause. Ich hatte niemanden eingeladen, auch niemandem etwas Bescheid gesagt. Für mich war es besser so, denn meine Mitmenschen hatten wohl etwas Besseres zu tun als einem deprimierten, viel zu verschlossenen Menschen Gesellschaft zu leisten.

Meine Eltern hatten mir am Tag zuvor einen prächtigen Kuchen gekauft. Ich nahm ein paar blaue Kerzen und zündete sie in einem Kreis um den Kuchen an. Es waren Duftkerzen, die nach dem weiten blauen Meer rochen. Dann öffnete ich eine Flasche Sekt. Mein Geburtstagsfeier war nun perfekt vorbereitet. Dazu kam noch eine ruhige, tiefgreifende Musik und mir standen fast schon die Tränen in den Augen. Das ganze hatte etwas Zeremonielles an sich. Ich bot mein ganzes bisheriges Leben als eine Art Opfer dar, um mir in diesem Moment etwas wünschen zu können. Aber was wollte ich mir überhaupt wünschen?

Während ich mir solche fundamentale philosophische Überlegungen anstellte, klingelte das Telefon. Ich überlegte ob ich überhaupt abnehmen sollte, denn wir hatten einen Anrufbeantworter und ich glaubte sowieso nicht, dass mich jemand anrief, wenn man sich alles Nötige in der Schule sagen konnte. Also blieb ich sitzen und fragte mich, ob es wieder so ein Bekannter von meinen Eltern war, der scheinbar vergessen hatte, dass meine Eltern normalerweise erst später zurückkamen.

Nach ein paar Klingeltöne schaltete sich der Anrufbeantworter ein und ich lauschte.

„Hi Mariko. Ich weiß dass du zu Hause bist, also nimm bitte ab.“

Es war Yamis Stimme.

Ich sprang auf und nahm den Hörer ab.

„Yami? Was willst du denn?“

„Ich will dir etwas schenken, wenn du nichts dagegen hast.“

Seine Stimme klang sehr ruhig. Sogar noch ruhiger als normalerweise, dachte ich. Aber ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Warum sollte ich denn etwas dagegen haben?

„Natürlich nicht! Aber was...“

„Ich warte hier vor der Haustür. Komm bitte herunter und hol es dir ab.“

Schon hat er aufgelegt. Mir stiegen so viele Fragen in den Kopf. Ich nahm den Hausschlüssel, zog meine Jacke und Schuhe an, ging die Treppe hinunter. Was Yami wohl vorhatte? Warum wollte er mir etwas schenken? Vielleicht dafür, dass ich ihm damals geholfen hatte? Er hatte mir auch geholfen, also musste ich ihm an seinem Geburtstag auch etwas schenken? Aber wann hatte er denn eigentlich Geburtstag?

Ich holte noch einmal Luft und öffnete endlich die Haustür. Yami stand ein paar Schritte entfernt. Er drehte sich um, lächelte und überreichte mir ein kleines Päckchen. Dann wollte er sich wieder auf den Rückweg machen.

„Das wär's schon. Wünsche dir noch eine schönen Geburtstag.“

Ich überlegte.

„Willst du nicht mit hochkommen und einen Stück Kuchen essen? Ich schaffe ihn sowieso nicht alleine.“, fragte ich, halb aus Höflichkeit.

Yami schien kurz zu überlegen und stimmte schließlich zu.

In der Wohnung brannten immer noch die Duftkerzen, ein Hauch vom Meer schwebte uns entgegen, als ich die Tür öffnete. Vom Wohnzimmer heraus kam diese langsame nachdenkliche Musik. Wir setzten uns auf das Sofa um den Tisch hin.

Ich gab ihm einen großen Stück Kuchen und nahm selbst ebenfalls einen. Dann fragte ich, ob er auch ein Glas Sekt haben möchte.

Er nickte. Ich nahm zwei Gläser und goss ein.

„Prost!“

„Alles Gute!“

Ich trank das Glas in einem Zug halbleer. Yami schaute mich fast missbilligend an. Er selbst nahm nur einen Schluck und legte das Glas beiseite.

Mir stieg schon bald die Röte ins Gesicht, denn ich war nicht an Alkohol gewöhnt. Ich hatte es mit dem Trinken wohl etwas übertrieben, vielleicht auch, um dabei irgendwie besonders lässig zu wirken. Also aß ich lieber den Kuchen.

„Hast du dir schon etwas gewünscht?“, fragte Yami, wahrscheinlich nur um etwas zu sagen und die etwas peinliche Situation zu verdecken.

Schon wieder genau so eine Frage, auf die ich keine Antwort wusste. (Warum kann ich nicht einmal auf so eine einfache Fragen antworten?!)

„Ich weiß nicht, was ich mir wünschen soll.“, sagte ich. Warum war ich plötzlich so witzlos ehrlich? Warum hatte ich mir nicht wieder irgendetwas Passendes überlegt?

„Du musst doch wissen, was du wirklich willst, oder?“

Das sagte er einfach so leicht. Ich wusste eben nicht was ich wollte. Denn alles was ich mir bis jetzt wünschte, haben mir am Ende nichts anderes gebracht als Enttäuschungen und schmerzhafte Erinnerungen. Ich fürchtete mich vor Wünschen, die nie so in der Weise erfüllt wurden, wie man es gerne hätte.

„Es ist besser, mit Wünschen vorsichtig zu sein.“, sagte ich und versuchte dabei locker zu wirken.

Um mich abzulenken, trank ich den Rest von meinem Glas leer und aß meinen Stück Kuchen auf.

Schon bald bemerkte ich die Wirkung vom Alkohol in meinem Blut. Ich fühlte mich entspannter und sah die Dinge um mich herum gelassener. Die düsteren Gedanken wichen allmählich in den Hintergrund, bis ich sie nicht mehr wahrnehmen konnte. Mit einem seltsamen Lächeln sah ich Yami an und fragte, ob er eine andere Musik wollte.

Ohne seine Antwort abzuwarten legte ich eine Tanzmusik ein. Ich machte eine einladende Geste. Yami überlegte, schaute mich an und stand auf, vielleicht um mich nicht zu kränken...

Wir versuchten zusammen ein paar Gesellschaftstänze. Es war mir ungewohnt mit ihm zu tanzen und ich spürte trotz des Alkohols eine unüberwindliche Barriere, die zwischen unseren Welten stand.

Also wechselte ich zu einer sehr temperamentvollen Musik und schwang mich alleine im Rhythmus.

Yami stand an der Seite und sah mich mit einem zweifelhaften Blick an. Ich lächelte ihn an und machte eine Reihe ziemlich übertriebene Tanzfiguren. Er müsste mich für nicht ganz dicht halten. Aber was soll´s. Ich lachte lieber statt zu weinen, auch wenn ich innerlich das Gleiche fühlte.

Dann ging ich zum Tisch und goss mir Sekt ein. Durch die Aufregung brauchte ich noch mehr Stärkungsmittel.

„Willst du das Geschenk nicht aufmachen?“, fragte Yami.

Das hatte ich schon fast völlig vergessen. Ich legte das Glas beiseite und nahm das Päckchen in die Hände. Es war mit dunkelblauem Geschenkpapier umwickelt. Ich öffnete die Verpackung und holte eine kleine Holzschachtel heraus. Was darin wohl verborgen war?

Yami schenkte mir eine Kette mit einem Traumfänger aus Silber. Sie glitzerte und glänzte in allen bunten Farben. Anbei war auch eine zusammengefaltete Karte. Die Außenseite zeigte ein mysteriöses, kreisförmiges Muster. Innen stand:

„Für Mariko.

Verliere nie den Glauben

an deine Träume.

Yami“

Ich bedankte mich und wusste nicht genau, was er damit eigentlich genau meinte.

Der Blick auf die Uhr zeigte, dass meine Eltern in einer halben Stunde zurück sein würden.

Yami wusste es auch und verabschiedete sich mit den Worten:

„Dann bis morgen in der Schule!“

Als sich die Tür hinter mir schloss, fühlte ich mich plötzlich wieder so niedergeschlagen. Es war immer das Selbe. Nie konnte ich den Anblick oder das Geräusch einer sich schließenden Tür regungslos ertragen.

Als ich klein war, sagte mir dieses Geräusch, dass mein Vater oder meine Mutter wieder wegging, manchmal für ein paar Monate, oder auch für ein paar Jahre. Für mich hieß es, dass ich wieder alleine war. Manchmal wurde ich bei meinen Großeltern, manchmal bei meiner Tante untergebracht. Dieses Geräusch symbolisierte für mich in Unterbewusstem, dass ich gerade verlassen wurde.

Ich hasste es dafür.

Nun ging Yami weg. Obwohl ich wusste, dass wir uns morgen in der Schule sehen würden, sank mein Herz. Ich war den Tränen nahe.

Auf dem Tisch stand noch die Sektflasche. Ich öffnete sie und nahm einen großen Schluck. Die Wärme machte sich in mir breit. Das kalte, traurige Gefühl wich wieder.

Ich trank die ganze Flasche leer und fiel schlafend auf mein Bett.

Erst am nächsten Morgen, als wie immer der Wecker klingelte, wachte ich auf. Was für ein Kopfschmerzen! Ich erinnerte mich nicht mehr genau daran, was gestern passiert war. Im Spiegel sah ich ein blasses, müdes Gesicht, mit sehr ernsten Augen und einem untröstlichen Blick.

Ein ironisches Lächeln stieg auf.

Ich machte mich bereit für die Schule, obwohl ich mich lieber ausgeruht hätte.

Auf den Straßen lag noch Schnee. Gestern nacht müsste es geschneit haben. Es war sehr kalt und da ich kaum etwas gefrühstückt hatte, war die Kälte fast unerträglich.

Als ich in der Schule angekommen bin, war Yami noch nicht da. Das wunderte mich kaum. Bestimmt kam er später, dachte ich.

Yami kam erst zur zweiten Stunde und sah auch ziemlich müde aus. Wir begrüßten uns, sprachen aber im Laufe des Tages nicht viel miteinander.

Nach der Schule ging ich ins Einkaufszentrum, um nach einer neuen Mantel Ausschau zu halten. In einem kleinen Laden fand ich eine, aber sie war für mich ziemlich teuer und ich wusste nicht, ob ich sie mir leisten sollte oder nicht. Da mir auch keine Alternative aufgefallen war, ging ich erst mal nach Hause, um mir noch etwas Zeit zum Überlegen zu geben. Unterwegs kaufte ich noch Lebensmittel ein.

Zuhause räumte ich ein Bisschen auf. Da meine Eltern meistens nicht zu Hause waren, wurde alles, was mit dem Haushalt zu tun hatte, selbstverständlich zu meiner Aufgabe.

Dann erledigte ich so schnell wie möglich die Hausaufgaben und hockte wieder gelangweilt vor dem Fernseher. Bei so kaltem Wetter hatte ich nicht mal Lust, irgendwo draußen spazieren zu gehen.

Ich machte mir ein einfaches Abendessen und schaltete Musik ein. Mir war es hoffnungslos langweilig. Das verspürte ich nun viel öfter, seit mein Bruder vom Zuhause auszog. Er war eigentlich nicht mein wirklicher Bruder, sondern das Kind meines Stiefvaters. Aber wir verstanden uns für unsere Verhältnisse eigentlich ziemlich gut und er hatte mir auch viel bei den Schulaufgaben geholfen. Aber nun wohnte er in einer anderen Stadt mit seiner Freundin und wir sahen
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