Fanfic: Eine Geschichte / Die Sprache des Auges
Untertitel: Es passiert nie mehr als einmal im Leben und lässt uns nie wieder los
Kapitel: Traumwelt
Wenn ich mal viel freie Zeit hatte, zeichnete ich gerne Bilder. Alles, was mir gerade einfiel oder was ich in dem Moment fühlte. Auf diese Weise versuchte ich mich auszudrücken. Meine echten Gefühle konnte ich immer nur indirekt ausdrücken. Über Bilder, Texte, Musik und Tanz. Aber weil sie dadurch auch so unterschiedlich interpretiert werden konnten und nie eindeutig waren, fand ich meistens nicht den erhofften Einklang bei den Empfängern. Manchmal wurde ich wegen meinen sogenannten Fähigkeiten bewundert, aber niemand konnte durch die Leinwand hindurch in mein Herz schauen. Mein Herz blieb einsam, kalt und in der Dunkelheit unbeachtet.
Heute zeichnete ein großes Auge. Es war ein magisches Auge, das die Seele der Menschen aussaugte. Diese Idee fand ich grausam und zugleich schauderhaft schön.
Wenn meine Seele frei schweben könnte, würde ich die ganze Welt bereisen können und niemand würde mich jemals bemerken. Wäre es nicht fantastisch? Ich würde gerne wissen, wie man als Geist so lebte. Die Idee, keinen richtigen Körper zu haben, fand ich eigentlich ganz praktisch. Ein Körper war viel zu verletzlich, viel zu schwach und hinderte uns nur daran, in unsere Seele zu blicken. Die Seele verkörperte eigentlich das wichtigste für den Menschen. Oder etwa nicht?
Und meine Seele war schon seit zu langer Zeit einsam gewesen.
„Nein!!!!! Verlass mich bitte nicht!!!!!“, rief ich den Menschen hinterher, die mir den Rücken zukehrten. Ich erkannte in der Menge meinen Vater, meine Mutter, meinen Bruder, einige meiner früheren Freunde. Und mitten drin sah ich Yami. Seine violetten Augen blickten mich ausdruckslos an. Aber er sah mich nicht. All die Menschen sahen mich nicht und hörten auch meine Rufe nicht. Ich weinte und schrie. Alle gingen fort bis ich sie nicht mehr erblicken konnte.
Nun bemerkte ich, dass ich am Rande eines tiefen Abgrundes stand und ließ mich wie selbstverständlich langsam fallen.
Von dem Sturz wachte ich auf. Es war gegen vier Uhr am Morgen. Ich war schweißgebadet und hatte Tränen in den Augen. Der Traum erschien mir so realistisch. Mir war alles so unheimlich und ich hatte immer noch Angst.
Ich konnte nicht mehr einschlafen. Solche Alpträume erlebte ich öfters, seit ich ein Kind war. Vielleicht hatte ich es in meiner "sensiblen Phase" versäumt, Vertrauen zu meinen Bezugspersonen und meiner Umgebung aufzubauen, würden die Psychologen mit all ihrem Expertenwissen jetzt sagen. Tatsächlich wechselten meine „Bezugspersonen“ ständig, genau so wie meine Lebensumgebung. Ich hatte überhaupt keinen Einfluss darauf. Damit war ich den Entscheidungsträgern ausgeliefert, genau so wie im Traum...
Oft wünschte ich mir, alles Vergangene zu vergessen aber ich konnte es einfach nicht. Die früheren Erlebnisse eines Menschen bestimmten über sein ganzes Leben. Daran ist was Wahres. Menschen um mich herum kamen und gingen. Manche von ihnen sagten, sie würden mir immer helfen, beschützen und ich sollte ihnen vertrauen, aber sie verließen mich, wenn sie gute Gelegenheiten dafür fanden, genau so wie die anderen.
Sie sagten dass sie mich liebten, aber in meinen dunkelsten Stunden war ich immer von Einsamkeit umgeben. Denn sie hatten wichtigeres zu tun als sich um meine kleine Probleme zu kümmern oder mir einfach zuzuhören. Im Laufe der Zeit lernte ich, nie wieder einen Menschen so sehr zu lieben, dass er mir damit Schmerzen zufügen, mich nach seinem Belieben kontrollieren und manipulieren könnte.
Ich beschloss, einsam aber unabhängig zu bleiben.
Aber tief in meinem Herzen schrie meine Seele nach Wärme, nach Verständnis, nach Liebe.
Diese Rufe würden für immer unerhört bleiben.
Ich machte das Licht an und las irgendein Buch, um mich von den dunklen Gedanken abzulenken. Als es draußen allmählich hell wurde, machte ich mich wieder auf den Weg zur Schule.