Fanfic: Eine Geschichte / Die Sprache des Auges
Untertitel: Es passiert nie mehr als einmal im Leben und lässt uns nie wieder los
Kapitel: Die Zeit des Glücks
Ich wollte Yami wiedersehen. (Was ist denn jetzt wieder los?!)
Manchmal lief ich an seiner Haustür vorbei, traf ihn aber nie. Außerdem war ich zu beschäftigt, um mich zu seiner Lebensumgebung zu begeben.
Wir lebten in zwei verschiedene Welten, obwohl nur ein paar Häuserblöcke weit entfernt. Aber ich konnte nicht zu ihm. Er wollte sicherlich nicht zu mir. Nicht nach dem, was passiert war.
Ich wünschte, er wäre jetzt wieder glücklich. Vielleicht hatte er jetzt eine Freundin gefunden, die immer für ihn da sein wollte und nun die Rolle übernahm, die ich nicht für ihn spielen konnte.
Alles was ich wollte, war doch nur dass du glücklich bist. Ich wollte dich nicht belasten. Ich ertrug lieber alleine mein Leid, als dich mit mir leiden zu sehen. Dich so niedergeschmettert neben mir zu haben würde meine Seele zerbrechen.
Glaube mir, es war besser so, auch wenn du es vielleicht nicht verstandest.
Der Abendwind fuhr durch meine offenen Haare. Es war ein Samstagabend und ich ging den langen Strahlen der untergehenden Sonne entgegen. Es tat gut, wieder Zeit für einen kleinen Spaziergang zu haben. Hinter mir hörte ich eine bekannte Stimme meinen Namen rufen, aber ich konnte sie nicht gleich zuordnen und drehte mich um.
Hinter mir stand Yami.
Er hatte eine dunkelblaue Jacke an, die seiner schlanken Figur sehr schmeichelte. Seine Augen sprachen, aber ich verstand sie nicht.
Ich begrüßte ihn etwas verkrampft und wartete auf seine Reaktion.
„Du hast dich geändert, Mariko.“, sagte er. „Lange nicht mehr gesehen.“
„Wie geht´s dir denn so?“, fragte ich.
„Wie man´s nimmt. Ich kann mich nicht beklagen.“, antwortete er. „Und dir?“
„Geht so. Nichts Besonderes.“
„Ich hatte mich die ganze Zeit gefragt wo du warst, dann habe ich von einigen gehört dass du die Schule gewechselt hast. Gefällt es dir dort jetzt besser?“
„Ganz in Ordnung...“
„Weißt du...Du bist der hartherzigste, egoistischste und verlogenste Mensch, der mir je über den Weg gelaufen ist.“, brachte er plötzlich hervor. (Reine Wahrheit)
„Du hast alle Gründe, um mich zu hassen.“, sagte ich und versuchte dabei ruhig zu bleiben, obwohl er Recht hatte.
Statt mir weiter Vorwürfe zu machen, wechselte er zu einem sanfteren Ton und sagte:
„Ich hatte dich vermisst. Ich dachte, ich würde dich nie wieder sehen.“
Damit hatte er mich endgültig geschlagen. (Dich zu schlagen bedarf es ja auch keine Kunst)
Du hattest mich also auch vermisst. Tief in meinem Bewusstsein verging keinen Tag und keine Nacht, an denen ich nicht an dich gedacht hätte. Ich suchte Beschäftigungen, um mich abzulenken. Ich wollte am Ende jeden Tages völlig erschöpft und nicht mehr in der Lage sein, um lange mit meinen Gedanken wach zu bleiben. Es waren tiefe Schmerzen, die ich in den dunklen Abgrund meiner Wahrnehmung versenkte.
Jedes Mal, wenn mich irgendetwas an diese Vergangenheit mit dir erinnerte, ein paar Worte, eine Melodie, ein Bild oder ein Gegenstand, das für kurze Zeit die Gefühle wieder ins Leben rief, überschwemmte mich diese unendliche Trauer und ich musste mich zurückziehen um meine Tränen zu verbergen. Aber dann verebbte die Wirklichkeit und ich ging meinem gewohnten Leben nach.
Eigentlich hatte ich es nicht für möglich gehalten, dass du mich liebtest, weißt du. Ich konnte mich einfach nicht in Verbindung mit so einem großen Glück vorstellen. Alles, was ich glaubte als Liebe identifiziert zu haben, verriet und verletzte mich schmerzhaft. Dieses Wort hatte für mich seitdem nur an negativer Bedeutung gewonnen. Damals hatte ich es mir geschworen, mich nie wieder so täuschen zu lassen.
Ich hatte es mir vorgenommen, nie wieder zu lieben.
Aber das, was du mir gegeben hattest, überstieg meinen Verstand. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich so tränenlos glücklich. Zum ersten Mal fühlte sich das Leben so echt an und ich wusste nicht, wie ich damit fertig wurde. Darauf war ich nicht vorbereitet. Mit dir geschahen Ausbrüche der Emotionen so selbstverständlich, ohne Zwang und Zweifel. Es flößte mir Angst ein. Ich hatte nie gelernt, das Glück einfach so anzunehmen, wie es gekommen war.
Ich wollte nicht glauben, dass es dieses Mal alles anders war.
Es war ein langer, langer Abend und eine Nacht der tausend Nächte. (Was ist denn da wohl passiert?) Wir schliefen erst gegen Sonnenaufgang ein und wachten erst im Schein der Mittagssonne auf.
Ich hatte Yami wieder und war für ihn da, wie er schon immer für mich da gewesen ist. Bei ihm spürte ich keine Angst, keine Dunkelheit mehr. Denn ich wusste, dass er mich verstand und jede Situation mit mir zusammen durchhalten würde.
Er verstand mich, weil wir uns in unserer Seele ähnelte. Stark und zerbrechlich, empfindsam und verletzlich, tief und undurchschaubar.
Yami würde mich nie in Stich lassen. Zum ersten Mal in meinem Leben vertraute ich jemandem aus ganzem Herzen. Ich genoss dieses unbeschreiblich schöne Gefühl, irgendwo bei einem sicheren Hafen angekommen zu sein.
Gerade weil ich es (das Glücl) so lange suchte, mich so sehr danach sehnte und dadurch so viel leiden musste, fand ich es umso kostbarer und einzigartiger.
Soviel Müdigkeit...Wie hatte ich in diesen Jahren gekämpft ohne ein Ziel vor den Augen...Wie hatte ich mich immer über meine Grenzen hinaus getrieben, mich verstellt und meine Gefühle verleumdet...Es hatte mir so viele Anstrengungen gekostet und war völlig wertlos, bedeutungslos, überflüssig.
Ich sah mich den Menschen entgegenkommen, die mich liebten und die Welt verlassen mussten. Die Menschen, die mir so viel bedeuteten und ich doch nie wieder sehen konnte. Ich liebte sie wieder, ich kehrte wieder in die Welt des Lebens zurück. Yami hatte mich aus dem Reich der Schatten befreit. (Diesen Satz hatte ich doch schon mal irgendwo gehört...)
Ich brauche nicht zu beschreiben, wie ich im Glück schwebte, als Yami und ich uns einander wieder gefunden hatten.
Es wurde wieder Herbst und wir saßen zu zweit im Park. Sonne durchflutete die leuchtenden Farben, in denen sich die Natur eingekleidet hatte. Ich beobachtete den kleinen Teich und erinnerte mich daran, wie ich ihn letztes Mal angestarrt hatte und was mir dabei in den Sinn gekommen war.
„Yami, woran denkst du, wenn du dir den Teich lang genug anschaust?“
„Hm...“, Yami richtete seinen Blick auf die mit Blättern bedeckte Wasseroberfläche. „An etwas Geheimnisvolles, Verborgenes, Ungreifbares...“
„Wie deine Augen?“
„Was?“, stutzte Yami. „Sollte ich das eben als Beleidigung oder Lob auffassen?“
Wir lachten und vergaßen diese Sache wieder.
Mit Yami verbrachte ich zwei heitere Jahre. (Wow. das ging aber schnell) Die Zeit floss unbemerkt dahin, wenn man das ungetrübte Glück genoss. In freudiger Stimmung blickte man nicht oft an das Vergangene zurück, denn man erwartete noch so vieles vom Leben. Und als man es bekam, wurde es als selbstverständlich hingenommen.
Aber das Leben konnte nicht immer so unbekümmert weitergehen.