Fanfic: Reise zu Dir
Kapitel: kapitel 1. the first and only
Reise zu Dir
Ich sitze am Bahnhof. Um mich herum wird es langsam dunkel. Die Menschen, die vor wenigen Stunden noch hektisch zu ihren Zügen gerannt sind, werden ruhiger und vor allem weniger. Jetzt bin ich hier schon zwei Stunden und weiß immer noch nicht, wo ich hin soll. Nach Hause? Unmöglich. Ich kann nicht mehr heim, nicht nach diesem Streit.
Meine Großeltern? Würden mich sofort wieder nach Hause fahren.
Freunde? Auch nicht besser.
Es beginnt zu regnen. Komisch wie manchmal das Wetter zur Gefühlslage eines Menschen passt. Während der Regen langsam immer mehr wird, kann ich nur eines tun: an dich denken. Es ist wie immer, was ich auch tue, ich bekomme dich nicht aus meinem Kopf.
Ob ich zu dir fahren soll? Was würdest du sagen, wenn ich plötzlich vor deiner Tür stehe? Ich denke nicht, dass du mich davor stehen lassen würdest. Habe ich überhaupt eine Wahl?
Mein Herz lässt mir keine Wahl.
Mit einem seltsamen Gefühl im Bauch gehe ich zum Schalter und kaufe eine Karte um so nah wie möglich an dich heran zu kommen.
Wenig später sitze ich bereits im Zug. Die grau-schwarze Landschaft zieht an mir vorbei ohne dass ich viel davon wahrnehme. Mit meinen Gedanken bin ich schon viel weiter. In Gedanken bin ich bereits bei dir. Versuche mir vorzustellen was du sagen wirst. Was deine Augen sagen werden. Warum ich das hier überhaupt mache. Ich kenne dich ja noch nicht einmal sehr lange, geschweige denn, habe ich dich jemals gesehen. Warum ich ausgerechnet zu dir fahre? Ich weiß es selbst nicht genau. Vielleicht weil du ein wichtiger Teil meines Lebens geworden bist, auch wenn es nur über das Internet ist. Ich verbringe teilweise Stunden mit dir, ohne wirklich zu merken, wie die Zeit vergeht. Vielleicht aber auch, weil du einer der wenigen Menschen bist, die mich so gut wie immer aufheitern können. Vermutlich ist es genau das, was ich momentan brauche, jemanden der mich aus dem tiefen schwarzen Loch holt, in dem ich mich zurzeit befinde.
Die Zeit vergeht und der Zug fährt vor sich hin. Irgendwann betritt jemand das Abteil. Doch wenn du mich fragen würdest wie er ausgesehen hat, ich könnte es dir nicht sagen. Es regnet immer noch. Der Nachthimmel ist nicht schwarz sondern grau. Wie ich dieses Wetter hasse. Doch auch das ist eines der Dinge, die ich nicht ändern kann. Genauso wie die Situation zu Hause. Aber daran will ich nicht denken.
Ich höre die Station wo ich hinaus muss. Ich nehme meine Jacke und den Rucksack, in dem ich schnell ein paar Sachen eingepackt habe, bevor ich den Rest hinter mir gelassen habe. Geld habe ich auch genug für gewisse Zeit. Ich verstehe mich nicht. Ohne lang nachzudenken habe ich vor einigen Stunden gepackt und die Wohnung verlass. Und jetzt stehe ich kurz davor, zu dir zu kommen.
Als ich aus dem Zug steige, und nach einem Taxistand suche, wandelt sich das seltsame Gefühl von vorhin plötzlich in Angst, oder ist es nur Aufregung? Ich finde ein Taxi, steige ein und erkläre dem Fahrer wo ich mitten in der Nacht hin will. Schweigend nimmt er zur Kenntnis, dass ich keine genaue Adresse habe und fährt mich in die Mitte der kleinen Ortschaft in der ich dich zu finden hoffe. Es dauert nicht lange und ich stehe auf dem großen Dorfplatz. Der Regen hat nicht aufgehört. Wohin jetzt?
Ich gehe irgendwo hin, einfach nur, um von dem Platz und meinen Gedanken wegzukommen. Doch es nützt nicht viel. Ich laufe durch die Gassen, suche ein Hausschild, einen Namen, einen Menschen der dich kennt. Doch ich finde nichts.
Kurz darauf laufe ich nicht mehr, warum auch, ich bin durch und durch nass. Die Straßen scheinen alle gleich. Das gleiche grau, die gleichen Häuser die mit den selben Gärten im selben schwachen Licht stehen. Wie soll ich dich hier nur finden? Die Aufregung schlägt in ein unangenehmes Gefühl um, die Angst dich nicht zu finden, die Angst davor diese Nacht alleine verbringen zu müssen.
Wenige Minuten später passiert, woran ich schon fast aufgehört habe zu hoffen. Ich kann es nicht glauben. Ich habe es gefunden. Ein großes Haus, kein Garten vorne, dafür eine Türglocke unter der groß dein Familienname zu erkennen ist. Zum wiederholten Mal überkommt mich dieses Gefühl. Alles in mir krampft sich zusammen, ich spüre wie mir heiß wird und mir die Schweißperlen auf die Stirn treten. Man sieht es mir nicht an, ich bin einfach nur nass. Nass und kalt.
Mit dem letzten Rest an Selbstbeherrschung versuche ich meine Haare halbwegs zu ordnen, versuche die aufkommende Anspannung zu unterdrücken und betätige, immer noch unentschlossen, die Klingel. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.
Innerlich bin ich zerrissen. Einerseits hoffe ich, dass niemand zu Hause ist, andererseits brenne ich bereits darauf dich zu treffen. Doch es bleibt mir keine Zeit mehr etwas zu tun, denn im selben Moment öffnet eine Frau die Tür. Ich schätze sie auf Mitte vierzig. Deine Mutter. Ich weiß nicht warum, aber ich erkenne sie.
„Ist ihr Sohn zu Hause?“, ist das Einzige was ich heraus bringe. Die Skepsis in ihren Augen ist nicht zu übersehen aber sie dreht sich trotzdem um, um nach dir zu suchen. Ehe ich mir noch überlegen kann, was ich sagen soll, stehst du da.
Du sagst nichts, du siehst mich nur an. Du weißt wer ich bin, auch ohne mich vorher gesehen zu haben, du weißt es einfach.
Ich zittere, nicht vor Aufregung sondern weil es inzwischen wirklich kalt ist. Der fragende Ausdruck weicht aus deinem Gesicht und du trittst zur Seite um mich hinein zu lassen. Ich komme der Aufforderung nach, jetzt ist es zu spät um umzukehren. Aber will ich das überhaupt?
Du schließt die Tür hinter mir und gehst die Stiegen zu deinem Zimmer hinauf. Ich gehe dir nach ohne wirklich zu wissen was ich dir sagen soll. Wie ich dir alles erklären soll. Ich habe viel darüber nachgedacht, wie es wäre dich zu treffen, und im Zug habe ich mir ungefähr 1000 Varianten überlegt, doch keine empfinde ich mittlerweile als auch nur annähernd passend. Somit folge ich dir einfach schweigend.
Aber wir können natürlich nicht ewig nur Stiegen steigen, also kommen wir in dein Zimmer. Immer noch nicht wissend, warum dieses Mädchen hier in deinem Zimmer steht, siehst du mich an. Ich merke, dass du nicht weißt was du tun sollst. Dir fällt auf, dass ich komplett durchnässt bin und führst mich ins Bad. Du gibst mir ein Handtuch und gehst wieder.
Meine ganzen Sachen sind nass, natürlich auch das Gewand in meinem Rucksack. Ich beginne damit meine Haare etwas zu trocknen und öffne dann die Tür.
„Hast du etwas…..dass ich…..dass ich mir anziehen kann? Meine Sachen….. sind ganz nass….“, stottere ich vor mich hin. Ein kurzes Lächeln huscht über dein Gesicht und du verschwindest im hinteren Teil des Zimmers. Kurz darauf drückst du mir ein langes T-Shirt und eine Boxershorts in die Hand und verschwindest wieder. Während ich langsam versuche mich aus den nassen Sachen zu quälen und mich zu trocknen, ist die ganze Zeit nur eine Frage wichtig: Was soll ich sagen? Irgendwie schaffe ich es, halbwegs trocken zu werden, doch eine Lösung für die Frage kann ich nicht finden.
Ich hole tief Luft und öffne fast schon entschlossen die Tür. Du stehst direkt vor mir, an die Wand gegenüber der Tür gelehnt. Wieder siehst du mich an, versuchst herauszufinden, was ich hier mache. Doch die Antwort liegt nicht in meinen Augen.
Du deutest auf dein Bett und ziehst einen Stuhl daneben. Erschöpft lasse ich mich auf die weiche Matratze fallen. Der Tag war einfach zu lang gewesen. In Gedanken versunken vergesse ich fast, dass du immer noch unwissend neben mir sitz.
Stille.
„Willst du eine Tasse Tee?“, brichst du nun endlich das Schweigen. Ich hebe meinen Blick und sehe dir tief in die Augen während ich nur langsam den Kopf schüttle. Du hast dunkle Augen, Augen in die ich ewig versinken könnte, nur um alles um mich zu vergessen.
Du bemerkst natürlich meine Abwesenheit, willst mich aber nicht ausfragen. Du weißt ich werde es dir früher oder später erzählen.
„Ich bin von zu Hause weggelaufen. Ich wusste nicht wo ich sonst hin sollte.“, erzähle ich nun endlich warum ich eigentlich hier bin.
„Wie hast du mich gefunden?“
„Zug, Taxi, in der Gegenden herumrennen, bis ich dein Haus gefunden habe.“
„Wieso bist du weggelaufen?“, willst du doch auch wissen.
„Wir hatten einen schlimmen Streit. Ich will nicht mehr zurück, nie mehr!“ Mit dem letzten Satz kommt all die Aggression, die Müdigkeit, die Verzweiflung der letzten Stunden hervor und ich breche in Tränen aus. Unfähig meine Gefühle zu kontrollieren, kann ich nichts anderes tun als zu weinen. Du stehst von deinem Sessel auf und setzt dich neben mich aufs Bett. Du legst einen Arm um mich und streichst langsam meinen Rücken auf und ab. Es hilft, ich beruhige mich langsam. Du greifst nach einem Taschentuch und reichst es mir. Ganz leise stellst du die Frage die dich schon quält seit du mich vor deiner Tür gesehen hast.
„Wieso kommst du zu mir?“
Ich sehe deinen verständnisvollen, aufmunternden Blick, fühle deine Hand auf meinem Rücken und denke mir: deswegen.