Fanfic: BLUMENKOHL

Kapitel: Kapitel 5

BLUMENKOHL

Kapitel 5

Vater machte auf.

In der Tür stand eine strenge, etwa sechzigjährige Frau. Ihre grauen, rückenlangen Haare waren kunstvoll hochgesteckt und sie trug einen eleganten, braunen Yukata. Erst sah sie die nasse Hose von Papa Nagashi an; ihre Augen waren schwarz, rund und sie sah sich mit einem starren, etwas wilden Ausdruck um.

„Ich bin ihre Nachbarin.“ Erklärte sie kühl und ihre Aussage bestätigten die halboffenen Türe der Nachbarwohnung. Die Wohnung lag gleich neben der von den Nagashis und war wahrscheinlich einst miteinander verbunden. Jetzt wohnten dort zwei Familien, die Daichis und die Kobunjis und anscheinend ab jetzt diese graue Dame. In alle Wohnungen kam man durch ein gemeinsames kleines Vorzimmer. Eine riesige, schwere Tür führte aus dem Vorzimmer auf das Treppenhaus. Jetzt stand diese Tür speerangelweit offen.

„Ja bitte?“ fragte Vater Nagashi mit höflichem Interesse. Seine Beine froren und er hatte nicht vor lange hier zustehen.

„Wir kennen uns noch nicht.“ Sagte die Nachbarin. „Okada.“

„Nagashi.“

„Ich habe eine Bitte.“

„Aber sicher doch, ich höre?“

“Diese Tür.“

„Diese Tür?“

„Nein, diese.“ Frau Okada deutete mit ihrem Daumen auf die schweren Eisentüren mit der Messingklinke.

„Ach, diese.“ Murmelte Papa Nagashi. „Also?“

„Ich bitte sie, diese zu schließen. Das ist alles. Um sie zu schließen.“

„O.“ sagte Vater. „Ich verstehe.“

„Es zieht von unten, Nagashi – san. Seit man diesen neuen Kellereingang eingebaut hat.“

„Das ist nicht ausgeschlossen.“ Gab Vater Nagashi zerstreut zu.

„A!“ Frau Okada schien ein bisschen erfreut. „Haben Sie das auch bemerkt?“

„A!“ sagte Papa. „Nein, habe ich nicht.“

Aus Frau Okadas Augen verschwand der kurze Schein der Freude und das Gefuhl des Verständnisses.

„Schade.“ Sagte sie trocken. „Interessant, dass es niemand sieht. In diesem Haus passieren seltsame Dinge. Wirklich seltsame. Ich würde sogar sagen – mysteriöse.“ Sie brach ab, anscheinend auf ein Zeichen des Interesses von Herr Nagashi wartend.

Vater seufzte unmerklich.

„Nun, jedenfalls“ wurde Frau Okada enttäuscht. „Also bitte erinnern Sie sich daran. Diese Tür.“

„Natürlich. Diese Tür.“ Papa verbeugte sich zögernd, nicht wissend, ob er die Unterhaltung für beendet halten soll und annehmend, dass es so ist wollte er sich in die Wohnung zurückziehen.

„O, Moment“ hielt ihn die Nachbarin in aggressivem Tonfall auf. „Das ist noch nicht alles.“

„Nein?“ sagte Vater Nagashi resigniert.

„In meinem alten Wohnhaus hatte ich leise, kultivierte Nachbarn. Warum sind Sie nicht so?“

„Vater war sprachlos. Mama, mit dem Mund voll Stecknadeln, sah aus dem Zimmer, ihren Ohren nicht trauend.

„Schreie, Lärm, Kinder trampeln, die Mädchen lachen laut. Nun, eigentlich lachen Sie alle ziemlich laut. Sie hingegen, verzeihen Sie, schreien immer diese lateinischen Verse. Gästekommen, knallen mit den Türen. Und immerzu dieses quälende Klopfen gegen die Wände...“

Sie redete immer nervöser, ihren durchdringenden Blick nicht von Herr Nagashi lassend. Sie erklärte, dass sie sich erkundigt hatte. Früher war das ganze Stockwerk eine Wohnung. Aber dann hat man alle Türöffnungen zwischen den Räumen zugemauert. Und in der Wohnung von Frau Okada und dem Zimer der Mädchen befand sich so eine gemeinsame Tür. Sie ist zwar zugemauert, aber nur von der Seite der Nagashis. Bei Frau Okada ist an dieser Stelle Nische. Also hort sie alles, was bei den Mädchen passiert. Jedes Wort. Jedes Klopfen.

Vater schwieg.

„Wenn Sie mir nicht glauben können Sie es gern überprüfen.“ Schlug die Nachbarin vor. Mit kräftigen Fingern griff sie nach dem Ärmel von Herr Nagashi und sie begann, ihn in ihre Wohnung zu ziehen.

„Nein!“ entsetzte sich Vater. „Nein, nicht nötig, wirklich... Ich glaube Ihnen. Wir werden uns be- bemühen...“ dabei versuchte er, seinen Ärmel aus Frau Okadas Griff zu befreien „Wir werden uns bemühen, Ihre Wünsche zu respektieren.“

„Das hoffe ich.“ Sagte diese und ließ zögernd den Ärmel los. „Gute Nacht.“ Sie sah Nanako und Megumi, die aus ihrem Zimmer lugten, eiskalt an. „Ich wünsche Ihnen einen schonen... und leisen Silvester.“ Diesen letzten vergifteten Pfeil loslassend zog sich Frau Okada in ihre Wohnung zurück. Aber, obwohl sie den Kampfplatz als Sieger verliess klang kein Triumph in ihrer Stimme. Megumi glaubte einen Moment lang sogar, dass ihre Stimme enttäuscht und resigniert klingt.

Der Auftritt der Nachbarin machte allen die Stimmung kaputt.

„Ich hätte nicht gedacht, dass wir solche Flegel sind.“ Vater, brutal hinter seinem Vorhang hervorgerissen, rieb sich konfus die Hände. „Macht diesen idiotischen Fernseher leiser.“

Mama seufzte ungeduldig.

„Liebling, fall nicht in eine Psychose. Ich denke nicht, dass wir zu den lauten Familien zählen. Schließlich wohnen wir schon immer in Wohnhäusern...“

„Ja, ja, genau!“ wedelte Nanako mit den Armen. „Warum hat uns früher niemand etwas gesagt?“

„Das denke ich auch.“ Gab ihr Megumi Recht. „Das sind dicke Wände, solide Türen, man hört ja von Zimmer zu Zimmer nichts. Und erst Recht nicht durch Mauern.“

Man sah sich die betroffene Wand an.

Tatsächlich sah man dort eine meterbreite Verdickung, die die Größe einer Tür hatte. Unter der dünnen Putzschicht konnte man deutlich reguläre Ziegelsteinreihen fühlen.

Megumi schloss laut die Möglichkeit aus, dass man durch eine Wand aus Ziegelsteinen irgendetwas außer einer Handgranatenexplosion hören kann.

„Na, klopf nicht!“ erschrak Vater.

Megumi zog reflexartig die Hand zurück und lachte sofort.

„Papa! Sie kann uns nicht hören! Komm schon, du glaubst ihr doch nicht!“

„Ich weiss es nicht.“ Murmelte Vater. „Sie machte einen wirklich außerordentlichen Eindruck auf mich. Ich habe mich unwohl gefühlt. Wirklich unwohl.“

„Das ist die Schuld dieser Hose.“ Stellte Nutria fest. „Ich kann dir die Hose waschen, Papi, wenn du möchtest.“

„Nein, danke.“ Erwiderte Vater humorlos.

„Nun, es wird Zweit für mich.“ Verkündete Megumi.

Sie ging in Richtung Bad, aber plotzlich blieb sie stehen.

„Moment.“ Sagte sie. „Moment. Ich sag euch was. Wenn sie uns nicht durch die Wand hört, dann wie hört sie uns?“

„Na, überhaut nicht. Das haben wir doch schon festgestellt!“ rief Nanako.

„So? Woher weiß sie dann denn, dass Papa beim Abendessen Ovidius rezitiert?“

Alle schweigen. Fakt, woher?

„Megumi hat Recht.“ Sagte Mama nervös. „Sie hört uns, aber wodurch? Ich seid euch doch bewusst, dass Papa nicht schreit, entschuldige bitte, Masao. Also...“

Das Geheimnis hing in der Luft.

„Na.“ Sagte Megumi und verbarg ihre Unsicherheit unter einem tapferen Lächeln. „dann habt ihr ja ein Silvesterrätsel. Grübelt mal etwas und ich gehe zu Yukiko.“ Sie schloss sich im Badezimmer ein, zog sich aus und trat unter die Dusche. Wie jeden tag nahm sie eine kalte Dusche und rubbelte dabei ihren Körper mit einem rauen Handschuh (den Organismus härten und den Blutkreislauf anregen ist für Sportler sehr wichtig). Anschließend sprang sie auf die kalten Kacheln und griff zum rauen Handtuch, um mit seiner Hilfe den Organismus weiteren Foltern auszusetzen. Im Badezimmer war es keinesfalls warm aber Temperaturverhältnisse, die bei einem Normalsterblichen Zittern und Gänsehaut ausrufen würden waren für Megumi nicht mal ihrer Aufmerksamkeit wert. Fröhlich singend rieb sie sich trocken und kümmerte sich dann darum, um sich auf dem Weg nicht zu erkälten. Ein dünnes Baumwollenkleid auf die nackten Schultern war sogar unter einem dicken Wintermantel kein passender Aufzug für eine Kälte von minus vierzehn Grad. Also nahm Megumi eine weiße, frischgewaschene und ziemlich neue Bluse von der Schnur, dessen Besitzer Nanako war. Sie wollten, dass sie saubere Unterwäsche trägt dann bitte.

Mit den feuchten, dunkelbraunen Haarstränen in dem gesunden Gesicht und dem nüchternem Blick sah megumi beileibe nicht wie ein Romantischer Schmetterling aus. Sie versuchte das zu ändern und zog ihr neues gelbes Kleid an. Aber auch das half nicht besonders viel.

„Was soll’s, zum Teufel damit.“ Murmelte Megumi. Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und fand, dass sie gehen kann.

„Tschüss!“ rief sie aus dem Flur ihrer Familie zu, die Mütze und den Mantel anziehend. Sie ging hinaus, lief leicht die Treppe hinunter und erinnerte sich erst draußen daran, dass sie die Tür, die Frau Okada so störte, nicht geschlossen hatte.

„Viel Glück!!!“ schrie ihr die großzügige Nanako nach, die sich doch entschieden hatte, nicht mehr beleidigt zu sein. Sie hängte sich halb aus dem Fenster und winkte mit beiden Händen wie eine Besessene. Die Schwesterliebe Nanakos kam nämlich in den unmöglichsten Momenten und Wegen zum Vorschein.

Megumi lachte und sah in die Fenster ihrer Wohnung. Sie waren hell beleuchtet – obwohl die Familie nur in einem Zimmer saß. Von der Strasse sah man hinter Nanakos Rücken den glimmernden Fernseher und die gebeugte Mama, die die Teller vom Tisch sammelte. Yumi und Nutria spielten lachend fangen. Man konnte Vater nicht sehen, wer wahrscheinlich vor dem Fernseher saß und Tee aus seinem Lieblingsbecher mit dem Zwerg drauf trank. Megumi sah in das volle von Nagashis Zimmer und dachte, dass sie sie alle verdammt liebt.

Dann sah sie ins Fenster nebenan – es war dunkel und reflektierte nur das Schuld des Supermarktes, der auf der anderen Straßenseite war. Ein Auto fuhr vorbei und erhellte das Fenster einen Moment mit deinen Scheinwerfern und Megumi fuhr es kalt den Rücken hinunter. In dem kurzen Licht sah sie nämlich Frau Okada, die sie, hinter dem Fenstervorhang versteckt, beobachtete.

Anmerkung der Autorin:

Ich weiß. Lange. Es tut mir Leid!!! Aber ich hab jetzt so furchtbar viel in der
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