Aber das Leben geht weiter
Auch nach Inu Yashas Tod...
prolog
"Inu Yasha liebt mich!" Kagomes Hände zitterten vor Wut, während sie diesen Satz voller Überzeugung einem Dämon ins Gesicht schrie, der von einer Hügelkuppe aus spöttisch auf sie herablächelte: Sesshomaru, Inu Yashas gefährlicher Bruder. Seine verhasste Stimme hallte in ihren Ohren wieder und warf ihr wieder und wieder an den Kopf: "Er liebt dich?! Mädchen, du hast eine lebhafte Fantasie! Kikyo liebt er, und das tat er schon, bevor du geboren wurdest! Aber mein lieber Bruder zieht es vor, dir das nicht zu sagen, denn es könnte dich ja verletzen..." Sie hasste jeden Zentimenter an ihm, bis hinab zu den Schuhen, für diese herablassende, milde belustigte Miene. Und jetzt kräuselte auch noch ein Lächeln seine Lippen. Kagome hätte ihn geschlagen, wütend wie sie war - aber mit einem kurzen Blick auf seine Klauen beschränkte sie sich dann doch darauf, sich zitternd vor Zorn umzudrehen und ins Tal zurückzulaufen.
<So oder so, meine Entscheidung ist gefasst. Ob er mich nun liebt oder nicht...> Kagome hob den Kopf, ihr langes Haar flog im Wind und eine einzelne Träne rollte ihre Wange hinab, um lautlos im Gras zu verschwinden. <Nichts kann Klarheit in meine Gefühle bringen, seit... ja, seit Inu Yasha statt mir Kikyo rettete und meinen Tod riskierte. Seit ich diesen Blick in seinen Augen sah und erkennen musste, dass sein Herz sie niemals wird aufgeben können...> Mit einer heftigen Bewegung wischte sie sich über die Augen. „Du bist dumm!“ schalt sie sich laut. „Es nützt nichts, etwas Verlorenem nachzuweinen!“ <Und doch...> „Nein!“, unterbrach sie die eigenen Gedanken, „Du solltest glücklich sein, weil er glücklich sein wird!“ Entschlossen reckte sie das Kinn und ihre Finger schlossen sich fest um eine kleine Phiole, die eine farblose Flüssigkeit enthielt. <Inu Yasha, du wirst glücklich werden! Ob du es willst oder nicht! In deinem Leben soll es nur noch eine Frau geben.> Sie packte ihre Haare mit festem Griff und band sie zu einem Pferdeschwanz zusammen. Ein Einzelnes riss sie aus und fügte es der Flüssigkeit in der Phiole hinzu, während sie, immer noch im Laufschritt, die ersten Häuser des Dorfes erreichte.
Urplötzlich blieb sie stehen. Suchend wandte sie den Kopf und schob das Fläschchen in die Tasche ihrer Jeans. <SIE ist hier?!> Und tatsächlich: Kikyo trat hinter einem Baum am Waldrand hervor. Schnellen Schrittes und mit wehendem Gewand kam sie auf Kagome zu, die sich mit einem Mal unbehaglich fühlte. Der durchdringende Blick der Miko suchte Kagomes Augen, und sie sprach mit fester Stimme, die nicht die geringsten Emotionen verriet: „Das Juwel ist vollständig.“ Vorsichtig nickte Kagome. Hätte sie es leugnen sollen? Schließlich besaß Kikyo ganz genau wie sie selber die Gabe, die Splitter des Juwels zu sehen und zu läutern. Nicht ohne einen gewissen Stolz in der Stimme teilte Kagome ihr mit, was sie sicherlich sehen konnte: „Es strahlt so hell wie schon lange nicht mehr. Ich habe es geläutert.“ Kikyo hob leicht das Kinn: „Das ist mir bereits aufgefallen.“ Dann, ganz plötzlich, streckte sie die Hand in einer fordernden Geste aus. „Gib es mir.“ Erschrocken drückte die Andere ihre Hand auf das Juwel, das sich unter ihren Fingern erwärmte und heller zu leuchten begann. Sie würde es auf keinen Fall weggeben! „Es gehört mir nicht allein! Alle meine Freunde haben es mit mir zusammengesucht, ich bewahre es nur auf. Ich KANN es dir nicht geben, ganz zu schweigen davon, dass ich es nicht möchte!“ Dann ließ sie den Kopf sinken und sprach plötzlich so leise, dass man sie kaum noch verstehen konnte. „Komm morgen zu Kaedes Hütte, aber sprich mit keinem Wort über mich oder das Juwel. Ich bin morgen nicht mehr hier, darum lass mich in Frieden und geh. Versuch zu vergessen, dass du mich jemals gesehen hast, bitte. Mehr verlange ich nicht.“
Ihr Versprechen, am anderen Morgen fort zu sein, wirkte Wunder. Kikyo wandte sich ohne ein weiteres Wort ab und war mit einem Wehen ihres Gewandes verschwunden.