Fanfic: Warten

Kapitel: Warten

„Nein, nicht! Aufhören!!!“
„Nicht doch! Beruhige dich! Wir wollen dir helfen!“
Die blutüberströmte Gestalt trat um sich und versuchte, die vielen Hände von sich wegzustoßen.
„Weg da, fasst mich nicht an!“, kreischte sie und versuchte, die Schmerzen ignorierend, von der fahrbaren Liege zu flüchten. Doch die vielen Hände pressten sie zurück und begannen, sie zu fixieren.
„Bitte, bleib ganz ruhig. Es ist alles vorbei, du bist in Sicherheit!“
„Nein, verschwindet! Lass mich hier weg, ich will weg!!!“ Er befreite eine Hand, an welcher der Riemen nicht fest genug saß und stieß eine Gestalt mit einer langen Injektionsnadel von sich weg. „Verpisst euch! Lasst mich los!!!“ Die Schmerzen wurden schlimmer und machten ihn rasend. Seine Verzweiflung stieg in gleichem Maße an, er wollte einfach nur noch weg. Auf mehr konnte er sich nicht konzentrieren. Doch weiter und weiter entfernte er sich von dem rettenden Ausgang, konnte sich nicht losreißen. Und die vielen Menschen um ihn herum, wie sie schrieen.
Sie schrieen ihn an.
Sie fesselten ihn.
Sie wollten ihn verletzen, zerstören, töten.
„Weg! Lasst mich! LASST MICH!!!“, kreischte er wieder, dann spürte er plötzlich einen kleinen Einstich an seinem Arm. Kurz darauf wurde eine klare Flüssigkeit in seine Venen gepumpt und bald begannen kleine bunte Flecken, vor seinen Augen hin und herzutanzen.
„Nein... hört auf...“ Er sank zurück auf die Liege. Sein Körper gehorchte ihm nicht länger und längst schon waren die Stimmen um ihn herum zu einem einzigen Gewirr verschmolzen, ein Rauschen im Hintergrund. Weit entfernt.
So fühlte sich also sterben an.
„Schnell, zur OP!“, rief einer der Ärzte. Eine Schwingtür knallte auf und die Liege wurde in den sterilen Raum geschoben.
„Draußen bleiben!“, sagte eine der Schwestern knapp zu den drei blutbefleckten Gestalten, die hinter der Liege hergerannt waren.
„Aber-“, begann Ken zu protestieren, doch Aya hielt ihn zurück.
„Bleib hier, sonst gefährdest du ihn.“, sagte er ruhig, aber auch seine Hand zitterte.
„Nein, ich will zu ihm.“, drängelte Ken und versuchte, sich loszureißen.
Nun hielt auch Yohji ihn zurück und gemeinsam zerrten sie Ken vom OP weg.
„Was macht ihr da?! Er braucht uns doch!“, schrie er.
Keiner der anderen beiden antwortete ihm.
Verzweifelt sah er einige Sekunden abwechselnd von Aya zu Yohji.
„Ach, Omi...“, schluchzte er dann und ließ sich kraftlos auf einen der Stühle fallen.

Drei Stunden später kam endlich einer der Ärzte. Sein blutverschmierter Kittel ließ eine Angst in Aya aufsteigen, die ihn fast wahnsinnig machte.
Wortlos nickte er dem rothaarigen Anführer zu, der verstand und ihm folgte.
„Also,“, begann der Arzt schließlich, als sie in einem kleinen Büro standen. Gemächlich zog er sich die Handschuhe aus, die nicht weniger blutverschmiert waren und ließ sie auf die Schreibtischablage fallen. „Ihr junger Freund ist außer Lebensgefahr.“
Aya sackte unwillkürlich etwas zusammen. Das war zweifellos die beste Nachricht, die er je gehört hatte.
„Dennoch ist sein Zustand kritisch. Er hatte zahllose Knochenbrüche, Prellungen, Verstauchungen, Einschnitte, Blutergüsse und innere Verletzungen. Ehrlich gesagt, ist es ein Wunder, dass er noch lebt. Er kann sich glücklich schätzen, wenn er sich je wieder ohne Schmerzen bewegen kann.“
Damit beendete der Arzt seinen Vortrag uns sah Aya beinahe Vorwurfsvoll an. Als dieser nichts erwiderte, fügte er noch hinzu: „Sie wissen, dass all seine Verletzungen auf eine schwere Misshandlung hindeuten?“
Beinahe hätte Aya laut losgelacht. Stattdessen blickte er nur noch verbitterter drein.
Natürlich wusste er das. Er wusste es sehr genau. Und er wusste auch, wem das alles zu verdanken war.
Vor drei Monaten waren sie bei einer Mission auf Schwarz getroffen, die Omi entführt hatten. Einfach so, ohne speziellen Grund.
Er, Yohji und Ken waren ihnen nachgejagt, doch schon nach wenigen Minuten hatten sie ihre Spur verloren.
Erst dachten sie, Schwarz hätte Omi umgebracht. Doch dem war nicht so.
Eine Woche später standen alle am Rande der Verzweiflung.
Ken hatte sich in seinem Zimmer eingeschlossen und weinte den ganzen Tag nur noch.
Yohji stand stundenlang auf dem Balkon und rauchte eine Packung nach der anderen.
Und er selbst sagte so gut wie kein Wort mehr machte sich Vorwürfe, dass es alles seine eigene Schuld gewesen sei. Immerhin hatte er als Anführer die Verantwortung.
Auf den Tag genau nach einer Woche war ein Videoband mit einem Brief in der Post.
Ayas Hand verkrampfte sich noch jetzt bei dem Gedanken daran.
Der Brief war, wie sich später durch eine Untersuchung feststellen ließ, mit Omis Blut geschrieben worden. Auf dem Video war schlicht und ergreifend zu sehen, wie Schwarz Omi auf jede auch nur erdenkliche Art und Weise misshandelte. Sie hatten sich zusammen das Video angesehen. Ken war nach der Hälfte aus dem Wohnzimmer geflüchtet und die Treppe hochgestolpert.
Aya war dankbar dafür, dass er das Schlimmste somit verpasste.
Jede Woche kam ein neues Video und Schritt für Schritt konnten die drei Weiß mit ansehen, wie Omi langsam aufgab. Anfangs hatte er sich noch gewehrt, hatte geschrieen und um sich getreten wie vor einigen Stunden, als er in den OP-Raum eingeliefert werden sollte. Auf dem letzten Video schien er bereits tot zu sein, so wenig Reaktionen zeigte er.
Aya wusste nicht, warum Omi vorhin wieder so durchgedreht hatte, doch er war dankbar dafür, dass er überhaupt noch realisiert hatte, dass etwas mit ihm geschah.
Vor einigen Stunden hatte Aya einen unerklärlichen Drang verspürt, vor die Tür zu gehen. Beinahe wäre er über Omi gestolpert, der bewusstlos davor lag.
Lange konnte er dort nicht gewesen sein, denn ansonsten hätten bereits Passanten auf ihn aufmerksam werden müssen.
Im Krankenwagen erlangte er das Bewusstsein wieder und griff einige der Helfer an. Zum Glück waren sie da schon am Krankenhaus, sonst wäre es vielleicht noch schlimmer gekommen.
Das Räuspern des Arztes riss Aya aus seinen Gedankengängen.
„Haben sie gehört, was ich sie gefragt habe?“, fragte er und noch immer klang der Vorwurf in seiner Stimme mit.
Erst jetzt realisierte Aya das und schlagartig schwang seine Stimmung um.
„Sie glauben, wir sind dafür verantwortlich?!“, fauchte er, doch sein Gegenüber blieb unbeeindruckt.
„Nein, das nicht.“
„Aber?“
„Aber sie haben die Verantwortung für ihn. Sie hätten doch bemerken müssen, was ihm angetan wurde.“
Schach Matt. Aya schluckte.
Er hasste solche Situationen. Natürlich hatten sie keinem gemeldet, dass Omi entführt worden war. Offiziell existierte er ja gar nicht. Er hatte keine Geburtsurkunde, keine Personalien, nichts. Außerdem war er ganz nebenbei ein ausgebildeter Killer. Es war ganz logisch, dass der Arzt daraus schlussfolgerte, dass Omi bei ihnen gelebt hatte und während dieser Zeit die Verletzungen davongetragen hatte. Und die waren so zahlreich und offensichtlich, dass man sie unmöglich übersehen konnte.
„Er war für eine ganze Zeit verreist.“
„Zu wem?“
„Angeblich einem Bekannten, aber der sagte uns bereits, dass Omi nicht da war. Er muss also woanders hingegangen sein, ohne es uns zu sagen.“
Der Arzt sah ihn leicht ungläubig an. Das war ohne Zweifel eine dumme Ausrede, aber etwas anderes war Aya auf die Schnelle nicht eingefallen.
Letztendlich schaffte es Aya dennoch, ihn davon zu überzeugen.

Ein gleichmäßiger Piepton erfüllte den Raum, in dem sie standen. Omi lag auf dem einzigen Bett, dass hier stand. Unzählige Verbände umgaben seinen ganzen Körper und einige Schläuche führten zu seinen Handgelenken und seinem Gesicht.
Die Schwester nahm seinen Arm und injizierte unter Aufsicht des Arztes eine Flüssigkeit in Omis Vene.
Dann stand sie legte sie die Spritze beiseite und nahm eine andere zur Hand. Abwartend sah sie Omi an.
„Denken sie daran, wir können für nichts garantieren.“, erinnerte der Arzt unnötigerweise noch einmal.
Wie könnten sie das vergessen? Er hatte oft genug erwähnt, dass Omis seelische Folgeschäden nicht absehbar waren und sich in noch nicht bekannter Weise auswirken würden. Aber das würden sie gleich erfahren.
Nach einigen Momenten regte sich der junge Körper etwas.
Omi blinzelte schwach und öffnete dann die Augen ganz. Alle Anwesenden schienen den Atem anzuhalten, denn nichts außer der gleichmäßige Piepton war zu hören.
Omi sah sich um.
Kalte, weiße Wände umgaben ihn. Das Licht blendete ihn furchtbar und sein ganzer Körper schmerzte. Als er den Kopf ein Stück wand, erblickte er einige Gestalten. Fünf zählte er. Zwei davon in weiß gekleidet.
Panik stieg in ihm auf, als er die Spritze in der Hand der einen Person bemerkte. Seine Augen weiteten sich unwillkürlich und seine Atmung beschleunigte sich. Unsicher sah die Schwester den Arzt an. Der bedeutete ihr mit einer Handbewegung, die Spritze wegzulegen. Sie tat, wie ihr geheißen und entferne sich etwas von dem Bett.
Omi beruhigte sich wieder etwas, doch nervös glitt sein Blick von den Gestalten hin und her. Einige kamen ihm seltsam bekannt vor.
„Omi...“, begann Ken und kam ihn zu.
Er sog zischend Luft ein, als eine der Gestalten sich ihm näherte. Daraufhin blieb sie stehen und blickte ihn fragend an.
„Omi, ich bin’s...“, begann Ken wieder und machte Anstalten, weiterzugehen.
„Nein...“, krächzte Omi, seine Stimme klang seltsam entfremdet. Sein Herzschlag wurde, für jeden hörbar, schneller.
Der Arzt fasste Ken am Arm und hielt ihn zurück. Dieser schien den Tränen nahe.
Wenige Sekunden später war die Schwester wieder bei ihm und hatte ihm das Beruhigungsmittel injiziert. Erneut sank er in einen traumlosen Schlaf und sein Herzschlag normalisierte sich wieder.

Später am Abend unternahm man einen weiteren Versuch. Nachdem Omi das Mittel erhalten hatte, verließen
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