Fanfic: Kais Leben im Internat
Untertitel: Glück oder Horror?
Kapitel: Das Kennenlernen
Mit ruhigen Schritten lief er über den Gang. Er war auf dem Weg zur Kantine, um dort sein Frühstück zu sich zu nehmen – die einzige Mahlzeit, die ihm in diesem Internat überhaupt schmeckte.
Zu Mittag gab es meist irgendeine komische Suppe, nichts Großes und die Gerichte abends sahen aus, wie schon dreimal verdaut – oft zog er es vor, lieber hungrig zu Bett zu gehen.
Der Tag hatte begonnen, wie jeder andere auch. Er war aufgestanden, hatte sich den Sonnenaufgang angesehen und dann auf den Weg zum Speisesaal gemacht. Es war so gewöhnlich.
Gemächlich lief er weiter, als ihn das laute Knirschen von Schuhsohlen auf dem frisch gebohnerten Lamynathboden in seinen Gedanken störte und er genervt aufsah. Wenn das wieder Wyatt oder einer seiner Anhänger sein sollte, dann konnten sie was erleben. Außer diesen Kletten verlor sich sonst niemand in diesem Trakt. Neben seinem Zimmer lag dort schließlich nur noch das Direktoriat und wie er mitbekommen hatte, wurde dorthin kaum jemand beordert.
Als er jedoch sah, wer ihm entgegenkam, konnte er letztere Begebenheit sogleich für erledigt abhaken.
Blonde, schulterlange, durchgestufte Haare –offen getragen wohlgemerkt - ,große, dunkelbraune Augen, die ihn für einen Moment lang durchdringend musterten und hellroséfarbene Lippen – kurz: es war Jamie.
Wie die Seinen, so waren auch ihre Hände tief in den Taschen ihres karierten Rockes vergraben und auf ihrem Gesichtsausdruck lag etwas Missmutiges, Unzufriedenes, das sich deutlich in ihrem Gang wiederspiegelte – sie ging nicht, nein, sie schlurfte.
Ohne auch nur ein Wort zu sagen, lief er an ihr vorbei, den Blick wieder starr auf den Boden gerichtet. Ihm fielen seine Gedanken vom Vorabend wieder ein, wo er fast darauf gebrannt hatte, zu erfahren, was sie vorhatte – nun war es ihm wieder vollkommen egal, wie alles Andere auch. Er war in diesem Internat zu Hause, wollte sich weder gegen irgendetwas auflehnen noch Ärger machen – das hieß auch, sich von dieser Person fern zu halten.
Er war gerade im Begriff, um die Ecke zu biegen, als ihre Stimme ihn plötzlich von hinten einholte.
„Du bist Kai, oder?“
Langsam drehte er sich wieder um. Sie stand nicht weit von ihm entfernt lässig an die Wand gelehnt und strich sich energisch eine störende Strähne ihres Ponys aus dem Gesicht. Ihre Augen fixierten ihn ohne Unterlass.
„Ja, der bin ich“ antwortete er monoton.
„Kai Hiwatari“ wiederholte sie - dieses Mal seinen ganzen Namen „Kai Alexander Hiwatari.“
„Was willst du von mir?“ wollte er wissen „ich weiß, wie ich heiße.“
„Na das will ich aber stark hoffen“ ein kleines Grinsen machte sich auf ihren Lippen breit „bis jetzt habe ich die Gerüchte nicht geglaubt, dass du an unserer Schule bist. Muss mich wohl bei einigen Leuten entschuldigen.“
Selbstsicher machte sie ein paar Schritt auf ihn zu und streckte ihm dann ihre rechte Hand entgegen.
„Hey, ich bin Jamie Williams!“
Zögerlich schlug er ein, sagte jedoch nichts. Ihre Hand war warm und angenehm, die Haut weich und geschmeidig.
„Du bist Diejenige, die gestern Abend solch einen Radau veranstaltet hat, nicht wahr?“ rang er sich letztendlich doch zu ein paar Worten durch.
„Ja, die bin ich wohl“ lachte sie verlegen und fuhr sich knapp durch die Haare „schön, dass es wieder ein Jeder mitbekommen hat.“ - die Ironie in ihrer Stimme war kaum zu überhören.
„Das war ja auch nicht schwer“ entgegnete er und beschloss im selben Atemzug seiner erneut aufgestiegenen Neugierde Befriedigung zu verschaffen – wenn ihm schon die Gelegenheit geboten wurde, warum sollte er sie dann nicht auch nutzen? „was war da los?“
„Nichts“ antwortete sie ihm, doch konnte er ihr direkt ansehen, dass sie log.
„Und das soll ich dir glauben?“
„Na ja…kleine Meinungsverschiedenheiten“ lenkte sie schnell ein „soll vorkommen…“
„Schon klar“ er schnaubte abwertend. Einleuchtend, dass sie ihm nichts erzählen wollte – er war ihr fremd, genauso, wie sie ihm.
„Wie lange bist du jetzt schon hier, wenn ich fragen darf?“ wechselte sie da geschickt das Thema „nicht allzu lange, oder?“
„3 Tage“ antwortete er knapp.
„Dann hast du die Gebäudebesichtigung sicherlich schon hinter dir…“
Fragend sah er sie an „Welche Gebäudebesichtigung?“
„Also doch nicht“ sie lachte „na dann wird’s aber höchste Zeit.“
„Danke, kein Bedarf“ meinte er kalt „auf solchen Kinderkram kann ich verzichten.“
„Du weißt aber schon, dass das Vorschrift ist?“ ein skeptischer Blick ereilte sie „na jaaa…vielleicht keine Vorschrift, aber es ist schon besser, wenn man seine Umgebung kennt, meinst du nicht?“
Die Antwort kam in Form eines üblichen „Hn“.
„Okay, pass auf“ sie überlegte kurz und rieb sich dabei nachdenklich das Kinn „wie wär’s wenn du hier kurz auf mich wartest und ich dir dann das Internat von Innen und Außen zeige?“ sie zwinkerte keck „es gibt keinen, der dieses alte Gemäuer besser kennt, als ich.“
Erst leicht, dann immer deutlicher nickte er. Anfänglich hatte er natürlich sofort mit dem Gedanken gespielt, das Angebot abzulehnen, hatte sich dann aber doch anders entschieden. Was hatte er denn schon groß zu verlieren? Sobald sie ihn nervte konnte er schließlich gehen wann immer er wollte – darin hatte er schon Übung. Auf jeden Fall war es besser, als seinen Morgen bei den ganzen Kleinkindern zu verbringen, die sicherlich schon wieder in der Kantine auf ihn warteten, um ihn über seine Beybladekarriere auszuquetschen.
Jamie ihrerseits grinste nun über’s ganze Gesicht „Super,“ stieß sie erfreut aus „dann bis gleich. Dauert sicherlich nicht lange.“
Eilig packte sie ihre schwarze Jutetasche, die sie zuvor auf dem Boden abgestellt hatte und hastete mit schnellen Schritten den Flur hinunter. Kai schaute ihr hinterer, bis sie am Ende im Direktorzimmer verschwunden war und die Tür hinter sich geschlossen hatte.
Er atmete tief ein. Ihre Art kam ihm irgendwie bekannt vor. Es gab nur eine Person, die sonst so heiter und unbeschwert durchs Leben lief und sich von seiner abweisenden Haltung nicht einschüchtern ließ und diese Person hieß Tyson Kyonima.
Sie hatte nicht ein einziges Mal seine Vergangenheit erwähnt. Anscheinend schien es sie wohl nicht, so wie alle Anderen, zu interessieren, warum er mit dem Beybladen aufgehört hatte. Gut für sie, gut für ihn.
Ungeduldig schaute er auf seine Armbanduhr. Mittlerweile waren 10 Minuten vergangen und sie war noch immer nicht wieder zurück. Bestimmt bekam sie gerade die Quittung für ihre Vorabendaktion.
Nach weiteren 5 Minuten wurde er sauer. Was glaubte sie eigentlich, wer er war? Ihr Fiffie? Wenn sie in 5 Minuten nicht da war, so beschloss er, würde er gehen. Dann konnte sie einem anderen Deppen ihr beschissenes Internat zeigen.
Langsam ging er zu einem der Fenster und schaute hinaus. Die Sonne stand mittlerweile hoch am Himmel und strahlte mit voller Kraft. Es versprach ein guter, sehr guter Tag zu werden. Entspannt hielt er das Gesicht gen Hemisphäre und ließ sich wärmen – dies war genau der Moment, indem ganz in seiner Nähe eine Tür geknallt wurde – und zwar mit einer, nicht ganz unerheblichen Wucht und Gewalt.
Schnell fuhr er herum.
Mit hochrotem Kopf stiefelte sie auf ihn zu. Ihre Hände waren fest zu Fäusten geballt, ihr Körper gespannt. Als sie sah, dass er sie beobachtete, wurde sie etwas langsamer. In ihren Gesichtszügen spiegelte sich Wut, Ärger, sogar Hass wieder, doch auch Enttäuschung, Trauer und Hilflosigkeit.
„Tut mir leid“ brachte sie hervor und ihre Stimme klang mit einem Mal gar nicht mehr so locker und fröhlich, sondern eher leise und heiser „ich… kann dich jetzt leider nicht rumführen… hab keine Zeit. Vielleicht ein anderes Mal.“
Ehe er noch etwas erwidern konnte, rauschte sie auch schon an ihm vorbei, jagte um die Kurve und war verschwunden.
Ein schweres Seufzen verließ seine Kehle – das hieß dann wohl, dass er sich doch mit diesen Spinnern aus den Unterklassen würde herumschlagen müssen – na das konnte ja wieder heiter werden.
Er fragte sich jedoch auch, was dort im Direktorzimmer passiert war, dass Jamie plötzlich so einen Stimmungsumschwung erlitten hatte… Man hatte sie mit Sicherheit derbe zur Sau gemacht. Er kannte die Schulen in Japan, Deutschland und England und dort wurde man schon alleine wegen Zu spät Kommens einfach und rigoros vor die Tür gesetzt, im schlimmsten Falle von der Schule geschmissen.
Aber wenn sie öfter solche Aktionen abzog und die Lehrer ärgerte, wo sie nur konnte, dann musste sie doch Standpauken eigentlich gewöhnt sein und…
Eisern brach er seinen Gedankengang ab und begab sich in den unteren Stock zum Speisesaal, wo er sich eine kleine Schüssel mit Cornflakes schnappte und sich fernab der Menge an einen Tisch am Fenster zurückzog.
Es hatte ihn nicht zu interessieren. Es ging ihn nichts an. Was auch immer im Direktorenzimmer passiert war – es konnte ihm egal sein.
Gedankenverloren lehnte er sich zurück und schloss die Augen. Vielleicht würde er sich später auf eigene Faust das Gelände ansehen. Immerhin war dies besser, als sich die Freizeit mit Langeweile zu vergeuden.
„Ähm..äh…Kai?“ eine, ihm nur allzu bekannte, Stimme drang an sein Ohr. Er brauchte noch nicht einmal hinzusehen, um zu wissen, wer sich da schon wieder zu ihm gesellt hatte.
„Was willst du Wyatt?“ fragte er genervt und verschränkte die Arme abweisend vor seinem Oberkörper .
„Ich …ich wollte dich fragen, ob du nicht vielleicht Lust hast, den Anderen und mir heute Nachmittag beim Beybladen zuzusehen“ antwortete der Jüngere schüchtern „du könntest uns doch sicher ne Menge Tipps geben.“
„Vergiss es, Kleiner“ die Erwiderung kam klar und eisig kalt. Sie bedufte keiner größeren Überlegung „wie oft soll ich dir noch erklären, dass ich mit dem Bladen aufgehört