Eine kleine Erkenntnis
Erstes und letztes Kapitel
Darf ich mich vorstellen? Ich heiße Gisela.
Nein. So heiße ich nicht wirklich. Aber ich bin doch nicht so blöd und sage euch meinen Namen!
Deswegen nenne ich mich Gisela. Der Name ist blöd, ich weiß, aber manchmal fühle ich mich, als würde ich aus dem Jahrhundert stammen aus dem dieser Name entspringt.
Nur Omas haben so einen Namen und so fühle ich mich auch.
Warum das so ist?
Weil ich furchtbare Kreuzschmerzen habe! Das hätte jeder der eine fünf Kilo schwere Schultasche spazieren trägt.
Nun zu meiner Person.
Ich, Gisela, bin neunzehn und habe mich, aus mir unerfindlichen Gründen entschlossen, die Fachhochschulreife zu machen.
Da natürlich niemand von euch weiß wie eine Schule von Innen aussieht (Sarkasmus), erkläre ich euch mal wie das bei uns so abläuft, beziehungsweise bei mir in der Klasse, denn ich bin hier das Opfer!!!
Beginnen wir also die Sightseeing Tour durch meinen gewöhnlichen Schulalltag dort, wo ihn jeder Schüler beginnt: Beim Aufstehen.
Wenn ich, Gisela, auf brutalste Art und Weise von meinem Handywecker aus dem Schlaf gerissen werde, wird das blöde Ding erstmal kalt gestellt.
Wie das passiert weiß ich nicht. Ich stelle mir immer nur vor, dass das verhasste Gerät von einem Hammer zertrümmert wird. In Wirklichkeit würde ich das nie tun. Dazu hat dieses schei… schöne Handy viel zu viel gekostet.
Nun zu Schritt zwei:
Ich, Gisela, habe es geschafft meine Mordgedanken gegenüber meinem Handy wieder einmal zu überwinden. Denn wie sagt meine Mutter immer: „Wenn du an einer Scheiße hängen bleibst, kommst du dein Lebtag nicht weiter“.
Kluge Worte. Weiß nur leider nicht was das heißen soll…
Gisela (das bin ich) ist nun auf den Weg ins Bad, um ihren täglichen Stuhlgang zu verrichten. Da das zu meiner Privatsphäre gehört, werde ich keine Einzelheiten erläutern. Es würde sowieso niemand hören wollen…
Natürlich friere ich mir im Bad den Hintern ab, denn mein Vater ist ein Geizhals und möchte dass wir weniger heizen.
Ihm selber ist nie kalt. Er ist sehr behaart, wie ein Bär…
Irgendwann schaffe ich es schließlich, mich umzuziehen und aus der Haustür zu treten. Komischerweise ist es draußen wärmer als in unserem Bad.
Habe ich schon erwähnt, dass wir Winter haben?
Da diese Geschichte von meiner Erkenntnis handelt, wechsle ich jetzt das Szenario und switsche mal zum nächsten Ort des Schreckens: Der Bahnhof.
Zwar komme ich aus einer Kleinstadt, aber unser Bahnhof stellt jeden Großstadtbahnhof in den Schatten.
Zerborstene Bierflaschen, Betrunkene die auf den Bänken ihren Rausch ausschlafen, Zigarettenstümmel wo das Auge reicht und nicht zu vergessen die Nationalitäten die hier aufeinander treffen.
Natürlich möchte ich meinen Mund nicht zu voll über diese Mitmenschen nehmen, bin schließlich selber Ausländer. Doch selbst ein Ureinwohner Australiens würde an unserem kleinen Bahnhof jemanden finden, mit dem er sich in seiner Muttersprache unterhalten könnte.
Wenn der Zug, nach sechs Minuten Verspätung endlich mal gedenkt vor mir zu halten, kommt das übliche Drängeln in den Zug, wobei ich gründlich mitmache.
Egal ob eine alte Dame in den Zug steigen will, die Alte soll warten bis ich drinnen bin! Dann ist es mir auch egal, dass sie mich beschimpft…
Nächstes Szenario: Der Bus.
Noch schlimmer als der Zug, denn dort hat man wenigstens die Chance auf einen Sitzplatz. Ich hätte beinahe einen bekommen, doch die alte Schachtel aus dem Zug hat mir aus reiner Bosheit den Platz weggeschnappt und grinst mich nun siegessicher an.
Okay, Mutter Theresa! Diese Runde ging an dich. Das nächste Mal werde ich dich ungespitzt in den Boden rammen!
Blickt man sich ein zwei Mal um, merkt man sofort, dass der Bus wieder voll ist.
Rodd und Todd sitzen auch leider an ihrem üblichen Platz.
So. Achtung!
Rodd und Todd. Da müsste es bei jedem Klingeln der die Simpsons kennt.
Aber wenn ihr glaubt, dass die beiden diesen erfundenen Namen von mir bekommen haben, weil sie wie die Kinder von Ned Flanders, kleine Engelchen sind, dann habt ihr euch getäuscht!
Nein, nein, nein…
Rodd und Todd sehen aus wie kleine Engelchen, sind aber kleine Pestkugeln!
Warum ich das denke?
RÜLPS!
Darum…
Keine Plätze frei, der Bus ist voll und ich, Gisela, muss mich ausgerechnet an der Stange neben den Sitzplätzen von Rodd und Todd festhalten, die mal wieder ein Furz und Rülpskonzert veranstalten.
Zwar haben sie deswegen schon öfters eine auf die Schnauze bekommen, doch ich bin zur Erkenntnis gekommen, dass es sich bei den Beiden eindeutig um Masochisten handelt. Natürlich finden Rodd und Todd, die sich für echte Gangster halten, total witzig was sie da machen und lachen noch blöd.
Ich trete einpaar Schritte zurück, um mich von den beiden Affen zu entfernen und entdecke… einen Sitzplatz!
Freude schöner Götterfunke, spielt sofort durch meinen Kopf. Ein Zweierplatz und ein Sitz ist noch frei. Hach, was für ein Glück!
Doch sofort bekommt meine Freude einen Dämpfer als ich sehe, dass auf dem anderen Platz ein schielendes Mädchen sitzt und genüsslich in der Nase bohrt.
Angewidert muss ich beobachten, wie das Mädchen in Tiefen vordringt, die kein Mensch vor ihr erforscht hat, dabei einen ihrer grünen schleimigen Schätze hervorholt und sie interessiert zwischen ihren verklebten Fingern betrachtet.
Als sie mich erblickt, lächelt sie unschuldig und klopft mit der Hand, mit der sie zuvor in ihrer Nase gebohrt hat, auf den freien Platz neben sich.
„Setz dich doch! Keine Angst ich beiße nicht.“
Mir wird schlecht…
Nächstes Szenario: Der Weg von der Bushaltestelle zur Schule.
Wie jeden Tag ist der Weg nicht kürzer geworden und dieser blöde „Berg“, auf dem die Schule steht, nicht niedriger. Manchmal glaube ich, dass der Architekt unserer Schule Hogwarts Konkurrenz machen wollte. Wer baut schon eine Schule auf einem Berg???
Okay… Die Strecke läuft sich nicht von alleine. Also los!
Meine ersten Schritte strotzen noch vor Optimismus. Ich habe diesen Weg die letzten Tage geschafft und werde es wieder tun!
Doch schon nach fünf Minuten habe ich keinen Bock mehr.
Ich fange an zu schwitzen und das an einem kalten Wintertag!
Wenn ich in meiner Klasse bin werde ich bestimmt wie ein Walross stinken, genau wie der Rest meiner Mitschüler.
Aber wie sagt Mutter immer: „Wenn du an einer Scheiße hängen bleibst, kommst du dein Lebtag nicht weiter“.
Leider weiß ich noch immer nicht was dieser Spruch bedeuten soll…
Nach weiteren qualvollen Minuten des Wanderns, habe ich es endlich geschafft, den Berg zu besteigen, auf dem unsere Schule steht und lasse mich auf einer Bank in der Raucherzone des Pausenhofes nieder, wo schon einige meiner Klassenkameraden sitzen und sich schnaufend ausruhen.
Part drei oder vier… Ach, keine Ahnung!
Gisela, das bin ich, ist jetzt endlich in ihrem Klassenzimmer.
Ich lasse mich auf meinem Sitzplatz nieder und hole mein Deodorant raus, um den Schweißgeruch von der Bergwanderung zu verscheuchen. Dasselbe macht die Hälfte der Klasse auch.
Aus der einen Ecke riecht man Axe, aus der anderen Rexona, irgendwo dahinten benutzt ein Kerl Impulse, was ja eigentlich für Mädchen gedacht ist.
Die Zeit bis der Unterricht beginnt, verbringen ich und meine Clique nicht mit dem Auspacken der Lernaccessoires, sondern mit Karten spielen.
Nach zehn Minuten, kommt auch schon die Lehrerin, die ich, um nicht wegen Rufmords angezeigt zu werden, als Frau A bezeichnen werde.
Okay, Frau A ist da. Das merkt jeder, denn sie hat die Angewohnheit, die Tür so laut zuzuschlagen, dass man befürchten muss sie fällt aus den Angeln.
Erste Stunde ist Mathe. Logischerweise ist Frau A also Mathelehrerin. Heute ist sie besonders gut drauf. Wir schreiben nämlich Mathe.
So fängt der Tag doch richtig gut an (Sarkasmus).
Die Arbeitsblätter werden ausgeteilt und wir müssen warten, bis alle eins haben, bevor wir sie umdrehen dürfen, um die schrecklichen Aufgaben zu sehen, die Frau A für uns aus Teufels Küche (Mathebuch) rausgesucht hat.
„Umdrehen!“, schallt Frau A’s stimme durch das Klassenzimmer. Wie bei der Bundeswehr horchen wir alle aufs Wort und zwei Sekunden später geht ein Stöhnen durch die Klasse, genau wie aus meinem Mund.
Die Aufgaben sind mal wieder richtig schön.
Danke Frau A! Vielen Dank! Jetzt schaffe ich ganz bestimmt eine fünf plus!
Nicht das ich es nicht schon gewohnt bin, aber man wird ja wohl noch träumen dürfen…
Okay, ich rufe mir die Floskel meiner Mutter ins Gedächtnis. Doch noch immer ergibt sie für mich keinen Sinn, also schaue ich mir Aufgabe Eins an.
Blick ich nicht…
Also zu Aufgabe Zwei.
Blick ich auch nicht…
Aufgabe Drei.
Was ist denn der Sattelpunkt?
Aufgabe Vier… Gibt es nicht.
Ein Tag wie ich ihn liebe.
Vierzig Minuten später müssen wir abgeben, dann Frau A meint, wir seien selber Schuld das wir nicht fertig geworden sind, schließlich hätten wir uns nicht auf den Unterricht vorbereitet.
Mir raucht der Kopf.
Zwar habe ich vier Tage zuvor begonnen für diese Arbeit zu lernen, aber als es daran ging mein Fachwissen (das trotzdem gleich Null ist) über die Wendepunkte, Extrempunkte, Matrizen, Geraden und Nullstellen in die Tat umzusetzen, bin ich kläglich gescheitert.
Während alle abgeben, flüstert mir meine beste Freundin noch einpaar richtige Antworten zu und ich gebe bei der nächsten Aufforderung der Lehrerin ab.
Pünktlich zum Gong verschwindet Frau A aus dem Klassenzimmer, um sich ihre Pause zu gönnen. Während sie uns in der Arbeit beaufsichtigte, hat sie zwar einen Kaffee getrunken, einen Apfel gemampft und einen Schmöker gelesen, doch trotzdem verspürt sie anscheinend noch den Wunsch auf einen weiteren Cappuccino.
Drei Bankreihen vor mir ist unser Klassensprecher Jens am durchdrehen.
„Die Nullstellen! Ich habe die Nullstellen nicht ausgerechnet! Ich werde eine Fünf bekommen,