Meine Reise

Helden der Vergangenheit

Anfang und Ende

Seit einiger Zeit schon bin ich auf der Suche. Du fragst, wonach ich suche? Nun, du wirst es schon sehen und ich hoffe auch, dass du es verstehen wirst. Ich laufe über eine große Wiese. Ich bin schon länger allein, doch jetzt bist du ja bei mir. Als ich dich kennen gelernt hab, war ich erst dagegen, doch jetzt freue ich mich über etwas Gesellschaft. Ich höre ein Rascheln und verstecke mich. Komm her zu mir und sei leise, etwas nähert sich uns! Da kommt er: es ist ein riesiger Yokai, doch er bemerkt uns nicht. Er schreit irgendwas, aber ich verstehe es nicht. Er bleibt stehen und dreht sich um. „Traust du dich nicht, mir zu folgen, du Feigling?“ Jetzt kann ich ihn hören. Mit wem redet er? Aus dem nahen Wald antwortet eine bekannte Stimme: „Dreckiger Mistkerl! Wenn du wegläufst, bist du ja wohl der Feigling!“ Ein helles Leuchten, ein Schrei und alles ist wieder still. Ich trete hinter dem Baum hervor. Warte hier auf mich, bis ich dir ein Zeichen gebe! Nun tritt eine dunkle Gestallt auf die Wiese und funkelt böse in unsere Richtung. „Was willst du hier?“ Ich gehe langsam auf ihn zu. Keine Angst, er wird mir nichts tun. „Ich habe dich gesucht, Inuyasha!“ Der Angesprochene zuckt bei der Nennung seines Namens zusammen und starrt mich an. Ich bleibe vor ihm stehen und betrachte ihn. Er scheint kurz abwesend zu sein, fängt sich dann aber wieder und schaut an mir vorbei, in deine Richtung. Ich gebe dir ein Zeichen, dass du zu mir kommen kannst. „Ich würde gern mit dir reden.“ Er nickt knapp und deutet uns, ihm zu folgen.
Nach einer Weile gelange wir zu einer Höhle. Sie ist leer und kalt, doch eine Feuerstelle ist zu erkennen. Inuyasha geht in eine Ecke der Höhle, holt Holz und macht Feuer. Sofort wird es hell, aber von Wärme kann man in dieser Höhle nicht sprechen. Eine Weile betrachte ich ihn. Er starrt ins Feuer und ist ganz in seinen Gedanken versunken. Dann schaut er auf und sieht mich wieder an. „Also, was willst du hier?“ Seine Augen sind kalt und leer. Sie erinnern mich an die seines Halbbruders...
„Ich habe ein paar Fragen an dich.“ Du hast wahrscheinlich bemerkt, dass ich zögere. Nun, Inuyasha ist nicht mehr wie du ihn kennst. Aber das wird sich alles noch später klären, keine Sorge. „Was für Fragen?“ Er wird misstrauisch. Klar, er konnte mich nie wirklich leiden, jedenfalls hatte ich immer das Gefühl, dass es so war. Ich versuche die richtigen Worte zu finden. Wenn ich etwas falsches sage, wird er einfach verschwinden und dann wär ich wieder da, wo ich angefangen habe: bei Nichts! „Zunächst einmal würde ich gern wissen, ob du vielleicht etwas von Sango gehört hast. Weißt du, wo sie ist?“ Das war nicht meine eigentliche Frage und das weißt du wahrscheinlich auch. Aber wir sollten erstmal ein Gespräch mit ihm beginnen. Er zuckt nur mit den Schultern, aber ich kann erkennen, wie sich sein Blick trübt. „Ich weiß nicht genau. Als ich sie das letzte Mal sah, war sie in ihrem Heimatdorf. Das Dorf wurde wieder aufgebaut. Ich glaube, sie hat aufgehört Dämonen zu jagen und lebt jetzt mit ihrer Tochter ein friedliches Leben. Wirst du sie suchen? Wenn ja, sag ihr bitte, dass es mir gut geht!“ Ich nicke.
Du siehst verwirrt aus, aber das ist ja auch kein Wunder. Wahrscheinlich hast du jetzt viele Fragen und ich denke, es wäre jetzt an der Zeit, wenigstens ein paar zu beantworten. Es ist schon lang her, dass sich Yokai und Menschen verbündet haben, dass Frieden zwischen Brüdern und Rivalen geschlossen und die Kräfte vereint wurden, um das mächtige Böse zu vernichten, das so viele Jahre Angst und Schrecken verbreitet hat. Du weißt, von wem ich rede, nicht wahr? Ja, ich rede von dem Hanyou Naraku. Er wurde vernichtet, allerdings zu einem hohen Preis: Viele unserer Verbündeten mussten ihr Leben für den Sieg lassen. Sango hat lange Zeit getrauert, doch Mirokus und ihre gemeinsame Tochter hat ihr über den Tod ihres Mannes geholfen. Ja, Miroku ist ebenfalls gefallen. Auch ihr Bruder ist gestorben, denn ohne den Splitter konnte er nicht mehr leben. Sango hatte es gewusst, deshalb konnte sie sich noch rechtzeitig von ihm verabschieden. Damals hatte sie gesagt, dass seine Zeit schon lang um gewesen sei, aber wir wussten alle, dass sie mit diesen Worten nur versuchte, stark zu bleiben. Ich habe sie lang nicht mehr gesehen und hoffe, dass sie glücklich geworden ist. Wenn du willst, können wir noch das Grab ihrer Familie besuchen und für sie beten. Nun guck nicht so traurig! Ich habe nie behauptet, du müsstest mit mir gehen. Aber bleib ruhig bei mir, wie schon gesagt: Ich schätze deine Gesellschaft.
Ich wende mich wieder Inuyasha zu. Er ist wieder in seinen Gedanken. Was in ihm wohl vorgeht? Er sieht immer noch leer und betrübt aus. Wir sollten nicht zu lang bleiben, um ihn nicht unnötig zu verletzen. Ich muss nur noch meine Fragen loswerden, denn sonst war meine Reise umsonst. „Inuyasha?“ Er zuckt nicht einmal zusammen, sondern schaut nur langsam wieder zu mir. Der Trübe seines Blickes weicht eine eisige Kälte. Ich habe dir gesagt, dass er sich verändert hat. Eigentlich hatte ich gehofft, dass wenigstens noch etwas von der Wärme in seinen Augen übrig wäre. Als ich ihn kennen gelernt hatte, hatte er immer eine warme Ausstrahlung und eigentlich sah er immer glücklich aus, auch wenn er es nie zugab. Man hatte mir damals gesagt, dass er verschlossen wäre und abweisend. Aber heute ist es das erste Mal, dass ich ihn so sehe. Komisch, dass ich ständig an die Vergangenheit denke, jetzt, wo ich ihn vor mir sitzen sehe. Vielleicht liegt es daran, dass sie einfach schöner war. Wir waren alle glücklich und es war alles leichter. Aber ich hatte mir vorgenommen, die Vergangenheit in meinem Innern zu verschließen und nie wieder daran zu denken. Es tut einfach zu sehr weh und ich sollte mich lieber um die Zukunft kümmern. Ich habe mir ein Ziel gesetzt: Ich muss noch ein letztes Mal mit seinem Bruder reden. Jetzt habe ich dir wohl deine größte Frage beantwortet oder? Ja, ich habe mich auf diese Reise gemacht, um meine letzten Fragen loszuwerden.
„Ich habe nur noch eine Frage, dann werden wir wieder gehen!“ Inuyasha schaut mich immer noch kalt und misstrauisch an. Ich wünschte, er würde mich nicht so ansehen. Ich würde gern noch einmal sein Lächeln sehen und etwas von der alten Wärme. Doch er lässt sogar das Feuer vor ihm kalt erscheinen. Seit dem Sieg über Naraku, hat er niemandem mehr auch nur ein kleines Lächeln geschenkt. Er ist damals einfach verschwunden. Wir haben ihn gesucht, aber schon bald haben die Meisten aufgegeben. Sie waren alle müde, erschöpft und alle trauerten. Niemand freute sich über den Sieg, denn er war noch schmerzhafter gewesen, als die vielen Kämpfe zuvor. Er bedeutete Verlust und Trauer, Abschied nehmen. Doch ich habe nicht aufgegeben, auch wenn es oft hart war. Ich hatte zu viele Fragen und nun kann ich endlich anfangen, sie zu stellen. „Kannst du mir sagen, wo dein Bruder ist?“ Nun zuckt er doch zusammen. Das wollte ich nicht, vielleicht war diese Frage doch zu direkt. Doch er blickt wieder ins Feuer, mit demselben leeren und kalten Blick. „Ich denke, er ist in den Süden gegangen. Da Tensaiga damals zerbrochen war, wollte er nach einem geeigneten Schmied suchen. Er hatte mir von einem weiter im Süden erzählt, aber das ist schon Jahre her.“ Ich nicke stumm. Du fragst dich sicher, warum er nicht Totosai aufgesucht hat. Nun, der alte Waffenschmied wollte uns damals ebenfalls seine Hilfe anbieten. Für jeden hatte er ein Schwert geschmiedet und er hat Toukijin verstärkt. Doch als Naraku dies mitbekommen hatte, hat er ihn angegriffen. Totosai war darauf nicht vorbereitet gewesen. Es war ein hinterhältiger Überfall, bei dem nicht nur die neu geschmiedeten Schwerter zerstört wurden...
„Sag, Inuyasha, was hast du in den letzten Jahren gemacht?“ Ich wollte noch nicht weg, auch wenn ich wusste, dass ich musste. „Ich dachte, dass du nur noch eine Frage hattest?“ Er mustert mich kurz. Ich ertrage seine kalten Augen nicht mehr und wende meinen Blick ab. Dann bemerke ich eine Bewegung von ihm und schaue ihn wieder an. Er hat etwas hervorgeholt, das zuvor um seinen Hals hing. Du hast es sicher schon erkannt, das Shikon no Tama. Es ist komplett! „Ich habe die restlichen Splitter gesammelt. Das war nicht sehr schwer, denn es fehlten nur noch drei. Es hat nicht lang gedauert, aber ich habe es schließlich versprochen.“ Er blickte auf den Juwel in seiner Hand. Ich bedeute dir ruhig zu sein und ihn nur zu beobachten. Auch ich beobachte ihn und werde traurig bei dem, was ich sehen muss. Sein eisiger Blick ist zwar verschwunden, aber an seine Stelle ist Trauer getreten. Trauer, Verzweiflung und Einsamkeit. Tränen bilden sich in seinen Augen, doch er fängt sich wieder, bevor sie über sein Gesicht rollen kann. Ich stehe langsam auf. Es ist nun Zeit, weiter zu reisen. Ich will ihn nicht noch mehr verletzen, als ich es schon unabsichtlich getan habe. Auch er steht schnell auf. Ich drehe mich zu ihm und lege ihm eine Hand auf den Arm. „Ich danke dir, dass du mir meine Fragen beantwortet hast!“ Er sieht mich wieder an und nickt nur. Immer noch ist sein Blick leer und traurig. Komm, wir gehen wieder! Ich gehe mit dir zu Höhlenausgang und drehe mich noch ein letztes Mal um. Was ich sehe, werde ich wahrscheinlich niemals vergessen: Inuyasha steht in der leeren Höhle und blickt wieder auf den Juwel in seiner Hand. Vereinzelte Tränen tropfen auf die kleine Kugel, die nun im Licht des Mondes aufleuchtet. „Es tut mir leid“, flüstere ich noch, bevor ich weitergehe.
Du folgst mir und das freut mich. Ich dachte schon, dass du nach diesem Anblick nicht mehr weiter willst, aber du bleibst bei mir. Jetzt hast du wohl noch mehr Fragen, nicht wahr? Komm mit, ich werde sie dir bald beantworten. Wir gehen eine Weile Richtung Süden. Keine Sorge, wir werden vorher noch eine kleine Pause machen.
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