Night Melody
Night Melody
Die Melodie der Nacht. Ich höre sie. Sie klingt, als wäre sie 1000 Kilometer entfernt. Und doch so, als wäre sie genau neben mir. Aber wer weiß, wer die Melodie der Nacht spielt? Wird sie überhaupt gespielt? Oder bilde ich mir das nur ein? Ich weiß es nicht. Aber ich will es auch nicht wissen. Es reicht mir, dass ich sie hören kann.
Der Tag hat keine Melodie. Nur die Nacht. Die Melodie der Nacht hört sich wunderschön an. So wunderbar geheimnisvoll. Immer wieder frage ich mich, woher diese Melodie kommt. Doch eine Antwort werde ich wohl nie erhalten. Welchem Instrument kann man solche Töne entlocken? Einer Flöte vielleicht? Oder doch etwas ganz anderem? Auch das weiß ich nicht.
Ich hebe leicht den Kopf. Da ist er. Der Mond. Der Vollmond. Heute ist die Melodie besonders laut. Für die, die sie hören können. Es können nicht alle. Nur die, die in der Lage sind, sich einfach fallen zu lassen. Die, die es schaffen, ihre Gedanken mit dem Wind fliegen zu lassen. Wer das nicht kann, der kann auch nicht die Melodie der Nacht hören. Der wird es nie können. Man kann es nicht lernen. Man muss damit geboren worden sein. Ich bin es. Ich weiß nicht, wer noch. Vielleicht bilde ich mir das auch alles nur ein. Ich weiß es nicht.
Auch du kannst sie nicht hören. Gerne würde ich die Melodie einfangen und dir vorspielen. Doch du würdest nichts hören. Du kannst es nicht. Du kannst nicht fliegen. Du wirst es nie können. Niemand von euch kann es. Niemand von euch wird es je können. Weil ihr Menschen seid.
Ein Mensch kann nicht fliegen. Er wird es nie können. Weil er Angst hat. Angst vor dem Tod. Ein Mensch will nicht sterben. Niemals. Und doch sind sie von den Wesen dieser Welt die ersten, die sterben. Aber sie klammern sich an dem Gedanken fest, dass schon nicht sie, sondern ein anderer stirbt. So wird es jeden einmal treffen. Das ist der Kreis des Todes.
Der Wind streicht durch meine Haare. So nimmt er mich mit sich. Jede Nacht kann ich das Land sehen, wie es bei Tag nie sein wird. Und der Wind zeigt mir die Zukunft. Der Mensch wird all das zerstören. In vielleicht schon 100 Jahren wird es das alles nicht mehr geben. Wird der ängstliche Mensch auch die Melodie der Nacht vernichten? Wird es in 100 Jahren keine Melodie mehr geben? Ich weiß es nicht.
Dann bin ich über dem Meer. Der Vollmond ist dort unten. Gespiegelt. Das Meer ist still. Es sind keine Wellen da. Auch hier zeigt der Wind mir die Zukunft. In vielleicht 100 Jahren schon wird das Meer vergiftet sein. Die Menschen werden es töten. Mit Abfall und Öl. Die Menschen sind blind. Blind und taub. Doch ändern kann ich daran nichts. Es scheint, als würde mich das Meer anflehen, ihm zu helfen. Doch dann nimmt der Wind mich wieder mit.
Die Melodie der Nacht klingt nun traurig. Diesen Klang hatte sie noch nie. Jetzt weiß ich etwas. Nur ich kann sie hören. Die Melodie der Nacht zeigt nur mir die Zukunft. Hofft sie, dass ich die Zukunft ändern kann? Will sie, dass ich dafür sorge, dass die Menschen sehen und hören können? Ich weiß es nicht.
Dann wird der Wind zu einem Sturm. Er wirbelt mich hoch. Doch Angst habe ich nicht. Ich bin kein Mensch. Der Tod macht mir keine Angst. Aber ich will die Melodie der Nacht hören. Bis in alle Ewigkeit.
Er weht mich zurück. Nun ist das Meer aufgewühlt. Es braucht meine Hilfe nicht. Auch in 100 Jahren wird das Meer so mächtig sein wie jetzt. Der Mensch würde sehen, mit welchen Kräften er sich dort anlegte. Um das Meer muss ich mir keine Sorgen machen. Aber was ist mit der Melodie der Nacht? Wird es sie geben, auch wenn niemand sie mehr hören kann? Ich weiß es nicht.
Der Wind bringt mich nicht zurück zu dem Baum, auf dem ich gesessen hatte. Er bringt mich zu einem See. In dem See spiegelt sich der Mond.
Hier scheint die Melodie so laut. Ich möchte dich hier herholen. Ich will dir zeigen, was deine Art zerstören will. Ich will, dass du die Melodie der Nacht hören kannst. Aber ich weiß nicht, wie ich das machen soll. Doch du wirst sie nie hören. Weil auch du Angst hast vor dem Tod. Ich weiß es. Jeder Mensch hat Angst vor dem Tod.
Ich knie mich an das Ufer. Im Wasser sehe ich mein Gesicht. Eine flüchtige Illusion. Ich fasse ins Wasser, und mein Gesicht verschwimmt. Der Mond nicht. Und jetzt weiß ich, wo die Melodie herkommt. Ich sehe hoch.
Die Melodie der Nacht kommt von dort. Ich weiß es. Und dann glaube ich, etwas zu sehen. Ja. Dann falle ich vorne rüber. Ich schließe die Augen. Ich weiß es jetzt. Der Mensch kann die Melodie der Nacht nicht zerstören. Weil er dazu den Mond vernichten müsste.
Es war keine Illusion. Night Melody… Melodie der Nacht… sie würde ewig bestehen. Und ich bin der einzige, der sie hören kann. Weil ich kein Mensch bin. Weil ich die Dunkelheit nicht fürchte. Lebe. Auch wenn ich irgendwann schon tot bin. Lebe. Melodie der Nacht. Night Melody.