Weg von dir

Weg von dir

Schon wieder hast du es getan. Schon wieder haben wir es getan. Schon wieder haben wir uns gestritten. Weil du wieder bei ihr warst. Und wieder bin ich ausgeflippt. Habe dich beschimpft; dich auf den Boden geschickt. Du hast mir an den Kopf geworfen, dass ich doch noch Kouga hätte. Mir sind die Tränen gekommen; denkst du wirklich, dass ich ihn liebe? Ich habe dir eine Ohrfeige gegeben und bin davon gelaufen. Hierher. Hierhin, wo alles angefangen hat. Ich bin zum Heiligen Baum gelaufen, wie so oft, wenn wir uns mal wieder verkracht haben.
Jetzt stehe ich hier und starre den Ort an, an den sie dich gebannt hat, für fünfzig Jahre lang. Ich spüre, wie heiß meine Tränen sind. Meine Kehle kratzt. Ich weiß nicht; was tue ich eigentlich noch hier? Wenn du nur die Splitter haben willst, kann sie es doch genau so gut machen. Warum also soll ich noch hier bleiben? Niemand hier benötigt mich. Ich glaube, in meiner Welt wäre ich viel besser aufgehoben. Dort gibt es keine Monster, Youkai… und vor allem keine geliebten Halbdämonen. Ich könnte ein normales Leben führen, als das, was ich war, bevor ich in den Brunnen fiel: Ein normales Menschenmädchen in der Mittelstufe. Warum geht das nicht? Warum kann ich mein Leben nicht leben? Warum muss ich mich mit all diesen Problemen herumschlagen, mit denen sich sonst niemand beschäftigen muss? Warum immer ich?!
„Ich will dich hier nicht mehr sehen!!“ Deine Worte hallen in meinem Kopf nach. Warum hast du das getan? Bin ich so unwichtig? Interessiert es dich so wenig, was aus mir wird? Warum? Stand ich nicht immer hinter dir? Habe ich nicht immer zu dir gehalten, egal, was die anderen gesagt haben? Habe ich dich je wegen deiner Abstammung, deines Seins wegen verachtet oder gehasst? Nein. Und doch tust du mir so weh. Interessiert es dich nicht? Interessiert es dich nicht, was ich fühle? Kannst du es nicht sehen? Kannst du nicht erkennen? Erkennst du nicht, wie mein Herz langsam auseinander bricht? Willst du es nicht sehen? Oder siehst du es und lässt es zu? Warum nur, warum? Ich liebe dich. Warum nur tut Liebe so weh? Immer wieder verletzt du meine Seele. Siehst du es denn nicht? Bist du wirklich so blind? Oder tust du all das mit Absicht? Tust du das, damit sie zufrieden ist? Damit sie glücklich mit dir werden kann? Und ich?! Was ist mit mir? Interessiert sich denn keiner für mich? Warum kümmerst du dich nicht? Ich liebe dich doch! Doch du scheinst blind dafür zu sein…
Vielleicht ist es am besten, wenn ich verschwinde. Doch diesmal für immer. Nie wieder werdet ihr mich wieder sehen. Sicher ist es besser so. Du hast mir so oft wehgetan… hast mein Herz unzählige Male gebrochen… und auch meine Seele zerbricht langsam unter all der Last, die ihr aufgetragen wird. Ich kann nicht ewig meine Maske auf behalten! Irgendwann bin auch ich am Ende! Irgendwann breche auch ich zusammen, wenn mich niemand hält! Seit ihr denn so blind und könnt nicht hinter meine Maske sehen? Warum kannst du es nicht? Warum siehst du nicht hinter meine Maske; erkennst den Schmerz dahinter? Oder ist dein ganzes Denken so sehr auf sie fixiert? Siehst du deine Umwelt nicht mehr? Siehst du… mich nicht mehr? Bist du blind geworden für den Schmerz anderer? Warum?! Bitte, ich will mich an dir festhalten… Bitte, sei mein Halt in der stürmenden See… Halte mich fest, ganz fest an deine Brust gedrückt… Das ist mein Wunsch; mein Begehren. Komm her und umschließe mich… dann ist alles wieder gut.
Aber was mache ich mir da vor? Du wirst nicht kommen. Höchstens, wenn sie hier wäre. Dann wärest du schneller als der Blitz hier. Aber nicht, wenn es um mich geht. Wichtig ist schließlich nur sie. Wenn sie da war, war ich plötzlich unwichtig. Würde es dir auffallen, wenn ich einfach verschwinden würde? Sicher nicht. Sicher würdest du mich nicht einmal vermissen! Ich bin für dich doch nur eine Suchmaschine! Wenn ich nicht mehr gebraucht werde, schiebst du mich in die Ecke und vergisst mich Stück für Stück…
Schluchzend schlucke ich meine Tränen herunter. Ich hebe den Blick; richte ihn wieder auf den Baum. War es Schicksal gewesen? Hatte das Leben von Anfang an vor, unser Leben zu verbinden, und mir das Herz zu brechen?? War all das geplant gewesen? Warum? Das ist nicht fair. Warum kann ich nicht mit meiner Liebe glücklich sein? Warum nur muss sie schon mit jemand anderem zusammen sein? Ich will doch nur mein Glück…
Wo du wohl bist? Aber was frage ich. Sicher bist du bei ihr. Du bist immer bei ihr, wenn es dir möglich ist. An mich verschwendest du keinen Gedanken. Warum auch? Ich werde irgendwann eh nicht mehr da sein, warum also einen unnötigen Gedanken an mich verschwenden? Ich bin nur das Mittel zum Zweck. Mit Gefühlen kannst du nicht umgehen, das weiß ich… Aber kannst du nicht ein bisschen freundlicher zu mir sein? Dich nach mir erkundigen, wenn ich krank bin? Mich suchen, wenn ich nicht da bin? Ich bin mir sicher, bei ihr tust du das. Aber nicht bei mir. Warum auch? Ich bin eh nicht wichtig. Warum also solltest du dich um mich sorgen? Dafür gibt es keinen Grund. Wenn unsere gemeinsame Reise vorbei ist, werde ich für immer nach Hause zurückkehren; zurück ins normale Leben. Denn nur das ist meins. Und doch… ist diese Welt nicht schon längst Teil davon geworden? Sind unsere Abenteuer nicht schon Alltag? Auch, wie du mich immer unter dem Einsatz deines Lebens beschützt? Dein Gesicht kommt mir in den Sinn. Du liegst blutüberströmt am Boden, deine Lippen zu einem gequälten Lächeln verzogen. Hast gehaucht, dass alles in Ordnung sei, solange es mir gut ginge… Beinahe hätte ich dich verloren. Will ich das? Will ich dich nie mehr wieder sehen? Will ich dich aus meinem Leben herausschneiden, als unliebsame Erinnerung abstempeln? Das… kann ich nicht. Denn das hieße, meine erste große Liebe zu verleugnen. Das ist mir unmöglich. Ich kann dich nicht verleugnen. Weil du Teil meines Lebens bist. Ein unendlich wichtiger Teil meines Lebens. Ich vergrabe das Gesicht in meinen Händen. Meine Schultern zucken. Dass es anfängt, zu regnen, merke ich nicht. Das ist nicht wichtig.
Doch da spüre ich etwas Warmes um mich. Stoff wird um meine Schultern gelegt. Ein Mantel. Ich blicke auf meine Schulter. Rot. Der Stoff ist rot. Vorsichtig werde ich von hinten umarmt; spüre warmen Atem auf meinem Hals. Deinen Atem. Du bist hier, bei mir? „Was tust du denn hier? Komm mit mir zurück zu Kaede… Sonst erkältest du dich noch, Kagome… und… ich vermisse dich…“ Was? Das ist fast zu schön, um wahr zu sein. Ich drehe mich um, sehe in deinen goldenen Augen. Das nächste, was ich spüre, sind deine warmen Lippen auf den meinen.
Ich habe fort von dir gewollt, weg von dir… und bin geblieben. Weil ich jetzt endlich weiß, dass du meine Liebe erwiderst.
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