Sleepless
Sleepless
Sleepless
Glockenhelles Lachen.
Deines…
Ich höre es – und reiße abrupt die Augen auf.
Verdammt, ich bin schon wieder eingenickt!
Das Lachen ist verloschen, entstammte von Anfang an nur meinem Traum.
Du liegst nochimmer zusammengekugelt und warm eingemummelt in deinem Bett, die Augen weit aufgerissen, wie schon die letzten drei Wochen.
Ansonsten bist du fast die ganze Zeit apathisch.
Wenn ich dir zu nahe komme, DANN reagierst du und weichst angsterfüllt und panisch zurück.
Du ahnst nicht, wie verletzend es ist, dass du vor MIR zurückweichst, wo ich dich doch nur beschützen will, aber es zu jenem Zeitpunkt einfach nicht konnte.
Vor drei Wochen...
Mir läuft ein eiskalter Schauer über den Rücken.
Verdammt, hätten wir uns damals nur nicht gefetzt!
Dann wäre jetzt alles noch in Ordnung...
~*Flashback*~
Es war ein heller und sonniger Samstagmorgen, als wir beide uns zum Frühstück in der Küche einfanden.
Wir hatten beide eine beschissene Laune, da wir beide die letzen paar Tage und Nächte keinen richtigen Moment der Ruhe gefunden hatten.
Wir hatten beide begonnen jobben zu gehen, da wir langsam immer mehr Probleme damit bekamen, die Miete zu bezahlen, und die Jobs waren nicht gerade wenige.
Soweit ich mich erinnern kann, hattest du drei und ich vier, auch wenn mir einer bald wieder gekündigt werden sollte, da ich nur als Aushilfe tätig war.
Jedenfalls mussten wir uns nach den Jobs, als wir eigentlich schon total ausgepowert waren, auch noch um Großvater kümmern, da dieser schon seit zwei Jahren, nach einem Schlaganfall, bettlägerig geworden war, und die Pflegehilfe nur bis Abends da war, während wir arbeiteten.
Es wäre vernünftiger gewesen, wir wären wieder bei Großvater eingezogen, nachdem er den Schlaganfall hatte.
Aber wir waren schon drei Jahre davor in diese Wohnung hier gezogen und wir dachten, dass wir es auch so schaffen könnten, uns abends um Großvater zu kümmern.
In ein Pflegeheim wollten wir ihn nicht geben, denn erstens wäre uns das zu undankbar vorgekommen, da er sich ja schließlich auch immer um uns gekümmert hatte, wenn es uns mal schlecht gegangen war, zweitens hörte man ja genug Schauergeschichten aus diesen Heimen, von wegen „totgepflegt“ und so und drittens wollten wir es ihm nicht antun, dass er irgendwann in einem Pflegeheim seinen letzten Atemzug tat, denn es stand außer Frage, dass er dort nie mehr hinauskäme, sollte er ersteinmal drinnen sein.
Wir wechselten uns damit ab, nach Großvater zu sehen, eine Nacht du, eine ich, damit wenigstens einer die Nacht über schlafen konnte.
Aber, wie du mir neulich verraten hattest, schliefst du die letzten Nächte, in denen ich mit Aufpassen an der Reihe war, immer schlechter, da du dir Sorgen machtest, dass du eventuell gefeuert werden könntest, weil deine Leistung deinen Vorgesetzten nicht genügen könnte.
Nachdem du mir das gesagt hast, habe ich es ersteinmal ganz übernommen, mich um Großvater zu sorgen.
Damit du wenigstens wieder etwas Schlaf aufholen konntest.
Allerdings hatten sich deine Schlafstörungen nicht gebessert und so hattest du wieder deine Nächte übernommen.
Wenig später stand ich dann nur noch mit drei anstatt vier Jobs da, weil die Aushilfszeit abgelaufen und der ursprüngliche Angestellte wieder gesund war.
Nun, das war ja zu erwarten gewesen...
Wir saßen also beim Frühstück, beide eine Laune, die jeden anderen in unserer Umgebung ohne weiteres den Garaus gemacht hätte, wäre er uns zu nahe gekommen, und aßen schweigend unsere Mahlzeiten.
Das Frühstück war an diesem Tag noch so ziemlich das einzig erträgliche...
Später beim Mittagessen, einigten wir uns, wer sich am Abend um Großvater kümmern würde, damit wir uns nicht gegenseitig überfielen.
Derjenige, der erschöpfter war, blieb Zuhause und legte sich schlafen, so regelten wir es am Wochenende immer.
Und derjenige solltest diesmal du sein, ich würde auf Großvater Acht geben.
Deine Schlafstörungen waren ausgeufert und nun schliefst du überhaupt nicht mehr.
Ich machte mir große Sorgen um dich, da die Ringe unter deinen Augen sich immer mehr ausprägten und deine Laune zusehends immer tiefer in den Keller rutschte.
Und am Ende des Mittagessens, beim Abräumen, kam es dann, wie es irgendwann kommen musste...
Wir bekamen uns in die Haare.
Zuerst folgte nur eine gereizte Bemerkung auf die andere, gereizt, aber an und für sich harmlos.
Dann fing die Glut immer mehr an zu glimmen und artete aus und so waren es erst mal keine Bemerkungen mehr, sondern schließlich Beleidigungen, dann Vorwürfe, gefolgt von Anklagen und ebenso hitzigen Erwiderungen und letztendlich auch absichtlich verletzenden Worten.
Irgendwann ging es mit dir durch und du verschwandest mit knallender Haustüre aus der Wohnung.
Ich kochte innerlich, sowie auch äußerlich vor Wut und mehr als ein Teller musste dran glauben.
Schließlich wurde es Abend, ich kühlte wieder etwas ab, du bliebst verschwunden und ich fuhr zu Großvater, da die Pflegehilfe bald gehen würde.
Ich betrat den ehemaligen Game-Shop –der dicht gemacht worden war– und ging in Großvaters Zimmer.
Die Teilzeitpflegerin erwartete mich bereits und verabschiedete sich, nicht lang, nachdem ich aufgetaucht war.
Ich übernahm es, mich um unseren alten, kranken Großvater zu kümmern und wenn es einen Moment nichts zu tun gab, dann setzte ich mich neben sein Bett und ruhte mich ein wenig mit offenen Augen aus.
Es war mitten in der Nacht, als es plötzlich klingelte.
Erschrocken fuhr ich auf, denn erstens hatte ich die Klingel noch nicht erwartet, da die Pflegerin erst um halb sieben klingelte, um mich abzulösen, und zweitens hatte ich die ganze Zeit nur Großvaters und meinen Atem gehört und der schrille Klingelton hatte mich überrascht.
Ich ging also zur Tür und öffnete diese... und meine Augen weiteten sich entsetzt und ich ließ sofort die Tür los, um dir zu helfen.
Deine Kleidung war zerfetzt, deine Augen geweitet, stumpf und leer und du sahst aus, als wärest du einer Ohnmacht nah.
Noch dazu sah dein Gesicht und auch andere deiner Körperteile geschunden aus und nun kipptest du doch bewusstlos in meine Arme.
Ich trug dich schnell in dein früheres Zimmer, legte dich dort aufs Bett, säuberte und verband deine sichtbaren Wunden und zog dir ein paar frische Klamotten von dir an.
Wir beide hatten noch einen Teil unserer Garderobe hier, sollte hier mal ein „Unglück“ passieren und wir Klamotten zum Wechseln brauchen.
Danach legte ich dich ins Bett und deckte dich behutsam zu.
Den Rest der Nacht, schaute ich abwechselnd nach dir und Großvater und gönnte mir keine Minute des Friedens mehr.
Brauchte Großvater, der immer mal wieder plötzlich aufwachte, mich nicht, so schaute ich nach dir und strich dir öfter als einmal die Schweißtropfen von der Stirn, die immer wieder darauf traten.
Du hattest Fieber. Zwar nicht sehr hohes, aber du hattest welches.
Der Morgen des nächsten Tages brach an und während die Teilzeitpflegerin sich um Großvater kümmerte, duschte ich schnell und zog mir etwas anderes an und kümmerte mich dann die ganze Zeit nur um dich.
Aber du schliefst durch.
Du wachtest nicht auf, auch nicht, als frühmorgens die Klingel läutete und mich mal wieder erschrocken hochfahren ließ.
Ich glaube, du hast den ganzen Schlaf, den du die letzten paar Monate nicht gefunden hattest, an jenem und dem darauffolgenden Tag wieder aufgeholt...
Jedenfalls erwachtest du erst am dritten Mittag, nachdem du so völlig zerschunden hierher gekommen warst.
Und als du mich neben deinem Bett sitzen sahst, da wichst du als allererstes panisch und zitternd bis an die hinterste Bettecke zurück, bis hin zur Wand und sahst mich an, wie ein verschrecktes Kaninchen, das in die Enge getrieben worden war.
Es war genau dieser Blick, der mich beinahe zu Tode ängstigte.
Dieser Blick, der mir auf anhieb sagte, was mit dir geschehen war und dieser Blick, der mir entgegenschrie, dass ich dich verloren hatte.
Er sagte mir, dass du niemanden in deiner unmittelbaren Umgebung mehr dulden würdest.
Noch nicht einmal, wenn man dich nicht berühren würde.
Du würdest es nicht zulassen, wenn man sich auch nur direkt neben dich setzen wollen würde.
Und das tat weh...
Schrecklich weh... es war, als würde man mir einen glühenden Schürhaken ins Herz rammen.
Ich verschwand kurz nachdem du aufgewacht warst in der Küche und kam mit einer heißen Hühnerbrühe wieder.
Ich stellte sie dir auf deinen Nachttisch und trat ein paar Schritte rückwärts, weit genug weg, dass ich nicht plötzlich vorschießen würde können, wusste ich doch, dass du die Suppe nicht auch nur im Entferntesten anrühren würdest, wenn ich daneben stünde.
Und nachdem du dich auch wirklich vergewissert hattest, dass ich weit genug weg war, schnelltest du vor, nahmst dir vorsichtig die Schüssel, verkrochst dich wieder in deiner Ecke und begannst hastig zu essen.
Kein Wunder, du hattest ja auch mehrere Tage am Stück nicht das Geringste gegessen...
Aber in mir brodelte es.
Ich hatte dich verloren, vermutlich sogar für immer.
Und diese Erkenntnis zog mir das Herz schmerzhaft zusammen und ließ einige heiße Tränen über meine Wangen perlen.
Selbst während wir so ausgepowert waren, hattest du öfters gelacht, wenn wir mal zusammen waren, aber nun, das wusste ich, würde so schnell kein Lachen mehr deiner Kehle entweichen.
Dabei war es doch immer genau dieses Lachen gewesen, dass mir die Kraft und den Mut dazu gegeben hatte, weiterzumachen, nicht aufzugeben.
Das würde ich jetzt alles ganz allein schaffen müssen.
Und das fühlte sich irgendwie grausam an, denn bis jetzt hatte ich wenigstens immer dich, der mich unterstützt und geliebt hatte.
Ob du mich nun noch liebst, weiß ich nicht, aber auf deine Unterstützung konnte ich leider nicht mehr hoffen...
Also musste ich nun