Abschied...
Abschied...
Abschied...
Ich weine. Ich weine und schreibe das hier nieder.
Viel mehr kann ich im Moment nicht. Ich kann nicht begreifen, warum du heute gehen musstest.
An Weihnachten.
Das ist so verdammt unfair!!
Ich bin aufgewacht und schon muss ich erfahren, dass du tot bist.
Ich weiß, das konntest du dir nicht aussuchen, aber es war wirklich unfair.
Ich gebe nicht viel auf Weihnachten und all das, aber hättest du nicht noch durchhalten können?
Bis nächstes Jahr, bis übernächstes oder vielleicht sogar bis überübernächstes?
Du wärest hundert geworden. Und wir hätten nicht jetzt schon um dich trauern müssen.
Ich weiß, ich bin egoistisch, aber ich bin gerade erst dabei, es zu realisieren.
Du wirst nie mehr irgendwas sagen...
Du wirst nie mehr zu uns kommen und mich in die Wangen kneifen, wie du es früher immer gemacht hast und ich es früher immer gehasst habe... aber mittlerweile würde ich wirklich eine Menge dafür geben, wenn du da wärst und es machen würdest.
Ich vermisse dich nämlich. Ich kann gar nicht beschreiben, wie sehr.
Und immer noch fällt es mir schwer zu glauben, dass du einfach nicht mehr da bist.
Nicht mehr atmest und irgendwann auch die Erinnerungen an dich schwinden.
Ich weiß noch, wie ich damals immer mit dir „Mensch – ärgere – dich – nicht“ gespielt habe. Du hast die roten Figuren bekommen, damit du sie besser gesehen hast und ich habe mit gelb gespielt.
Oder wie ich mit dir durch den Garten spaziert bin. Du hast dich bei mir untergehakt und wir sind den Steinweg auf und ab gegangen.
Ich weiß noch, damals hätte ich gern mit meinen Geschwistern getauscht, weil ich keine Lust dazu hatte, aber heute bin ich froh um diese Erinnerungen.
Ich hoffe, dass sie nicht verblassen.
Denn dann würde auch die Erinnerung an dich mit ihnen verblassen und dann hätte ich dich nocheinmal verloren.
Ich weiß noch, als mein Großvater gestorben ist.
Damals war ich sechs Jahre alt und dabei, als er einen Herzinfarkt bekommen hat.
Auf der Beerdigung wusste ich, dass er tot ist, hatte es begriffen, dass er nicht mehr zurückkommen würde, aber ich habe nicht geweint und war nicht wirklich traurig. Erst drei Jahre später habe ich auch begriffen, dass die Erinnerungen irgendwann verblassen.
Da habe ich erst gemerkt, dass ich ihn wirklich verloren habe.
Ich habe geweint, geschrieen und gefleht, er möge zurückkommen.
Aber die Erinnerungen sind größtenteils weg und er liegt schon seit fast 10 Jahren begraben.
Ich hoffe, dass die Erinnerungen an dich nicht verblassen.
Dass sie lange in meinem Gedächtnis bleiben.
Dass ich mich noch in 10 Jahren daran erinnere, wie wir zusammen Pizza gegessen haben oder wie du mich immer in den Arm genommen hast, als wir dich abgeholt haben.
Es ist traurig, zu wissen, dass mir bald nur noch dein Grab bleibt, wo ich bei dir sein kann.
Um zu weinen, um mit dir zu reden, auch, wenn du keine Antwort gibst, um einen Ort zu haben, an dem ich trauern kann.
Ich bin nicht besonders gläubig, auch wenn ich mich für Göttersagen und all das interessiere, ab und an, aber man muss auch nicht an Gott oder an den Teufel oder an irgendwas glauben, um zu trauern.
Um zu weinen, weil man eine geliebte Person verloren hat.
Ich habe dich verloren und ich heule immer noch.
Ich gebe es zu, ich bin spät aufgewacht und nachdem ich die Botschaft gekriegt habe, habe ich geheult, aber schließlich hab ich mich für meine Oma zusammengerissen und ich hab mich zusammengerissen, für meine Mutter und auch für mich selbst, auch, wenn das unlogisch ist.
Ich habe sogar gelacht, als meine Schwester und meine Brüder Unfug gemacht haben, weil sie wirklich komisch waren und so weiter, aber jetzt sitze ich hier vor meinem PC und heule und putz mir alle fünf Minuten die Nase und schreibe das hier.
Teils ist es einfach und teils weiß ich nicht, was ich schreiben soll, um dem, was in mir vorgeht, gerecht zu werden.
Es ist so schwer, die Trauer in etwas zusammenzufassen.
Ich kann ewig schreiben, wie sehr ich dich vermisse, aber davon kommst du leider trotzdem nicht zurück.
Ich weiß nicht, wie lange es dauert, bis ich verarbeitet habe, dass du tot bist, für immer weg, vielleicht bei deinem Mann und meinen Urgroßeltern – deinen Eltern – aber ich hoffe, dort wo du bist, bist du wenigstens glücklich und gesund.
Und wenn du nirgendwo bist, wenn du nur von Schwärze umfangen bist, dann hoffe ich wenigstens, dass du deine Ruhe gefunden hast.
Ich weiß nicht, was ich jetzt noch schreiben soll, denn das könnte ewig so weitergehen. In mir fühlt sich alles ganz komisch an.
Nicht direkt Leere, sondern einfach nur so ein komisches Gefühl.
Mein Kopf kann nicht begreifen, dass du bald eingeäschert und beerdigt wirst. Aber er hat es irgendwie doch begriffen.
Es ist so zwiespältig.
Ich weiß es, ich hab’s begriffen, aber irgendwie will ich es nicht wahrhaben.
Es... es ist so unwirklich. Aber leider bittere Realität.
Der Kloß in meinem Hals tut weh und langsam hab ich mich wieder etwas zusammengerissen, aber ich glaube, erst wenn ich bei der Beerdigung war und später dann den Grabstein sehe, davorstehe, dann erst oder selbst dann nicht, werde ich richtig merken, dass ich dich nie mehr so besuchen kann.
Aber ich werde vorbeischauen, so oft es geht. Ich werde versuchen, es nicht zu verdrängen und zu vergessen, wie ich es bei meinem Großvater gemacht habe, und ich werde es hoffentlich schaffen.
Ich will nicht irgendwann vor deinem Grab stehen und nicht mehr wissen können, wer du warst. Ich will nicht vor deinem Grab stehen und nicht weinen müssen, wie bei meinem Großvater, den ich fast schon vergessen habe.
Ich hoffe, im Tode geht es dir gut, auch wenn du nicht mehr bei uns bist.
Und mit diesem Schlusswort nehme ich Abschied. Ich werde an deinem Grabe nocheinmal richtig Abschied nehmen, aber dies ist so etwas, wie der Abschied im Geiste. Hiermit werde ich versuchen, darüber hinwegzukommen, aber ich weiß, dass es noch lange dauern wird.
Ich hoffe, du ruhst in Frieden.
°~.†.~°