Das Glück liegt in Hierakonpolis
Heroo 3
Heroo 3
Seth hatte Atemu bis zum oberen Tor des Heiligtums gebracht. Zwar war er ein Hohepriester, jedoch nicht in diesem Tempel und es war ihm verboten in die heilige Halle zu treten in der das Heiligtum dieses Tempels aufgebaut worden war. Nur der Oberste Priester sowie sehr wenige Hohepriester, die ausschließlich Hierakonpolis lebten, durften in das Heiligtum, abgesehen von Prinzen, die eine spezielle Ausbildung durchliefen und selbstverständlich dem Pharao.
Atemu sah sich um, er war mit Seth und dem Tempeldiener alleine: „Sind alle weg?“
„Ja, mein Pharao!“, der Tempeldiner verneigte sich. Ein Becher, ein Krug, eine leere Schüssel und ein kleine Schüssel mit Natron standen auf dem Tablett, dass der Diener in den Händen trug.
„Du bist der Hohepriester aller Götter, zumindest wirst du es bald sein und es ist dir gestattet deine Bitten und Wünsche den Göttern zuzutragen, ohne dass es jemand hört!“, erklärte Seth und schüttete das Natron in den Becher und goss dieses dann mit Wasser auf.
„Welcher Gott ist hier noch mal zu Hause?“, dachte Atemu halblaut nach.
Seth hatte ihn nicht gehört, da der den Becher schwenkte, damit sich das Natron auflösen konnte: „Hier, mein Prinz!“. Er gab den Becher weiter.
„Danke…“, Atemu verzog den Mund, er wusste was er damit tun sollte. Er setzte den Becher an und schüttete sich etwas von dem Natrongeschwängertem Wasser in den Rachen, schwenkte es im Mund und spuckte es dann in die Schüssel. Er wiederholte das solange bis der Becher leer war. Ein unangenehmer salziger Nachgeschmack blieb ihm auf der Zunge, aber diese Mundreinigung gehörte dazu. Es sollte dafür sorgen, dass auch seine Worte rein waren, die er an die Götter oder stellvertretend diesem einen Gott sagte. Ohne ein Wort zu verlieren ging Atemu durch das erste Tor und wenig später schlossen sich die Türen des zweiten Tores hinter ihm.
Das Heiligtum lag ein Stück unter der Erde in einem dunklen Raum, der allerdings von großen Feuerbecken, die zwischen den Säulengängen an den Wänden standen, erhellt wurde. Die Seiten waren glatt geschliffen und glänzten im Feuerschein schwarz und rötlich. Die Wandgemälde wirkten lebendig, wenn das Licht der Flammen davor tanzte.
Atemu kannte sie Szenen gut, die dort abgebildet waren und zum Glück erfuhr er welchem Gott er die Opfergaben brachte, die schon weiter vorne auf einem Tisch bereitstanden.
Das Erste Bild hatte ihm Isis gezeigt die sich als Vogel auf dem Sag von Osiris niederließ. Das nächste die Geburt ihres Sohnes. Jedes der Wandgemälde zeigte ein Bild das mit dem Horus in Verbindung stand. Der richtige Gott, denn immerhin war Horus der Beschützer der Pharaonen.
Fast am Ende der Halle standen drei Bankreihen, mit hohen Lehnen, davor, unter einem Vorhang versteckt, der Gott selbst.
Atemu trat vor, an den Opfergaben vorbei und kniete sich auf ein großes Kissen das einem Meter vor der verhüllten Götterstatue lag. Er atmete tief durch und griff nach den Weihrauchkügelchen, die links in der Schale standen und gab sie in das große flache Feuerbecken vor sich. Behutsam zündete er den Weihrauch an, der eine dünne Rauchsäule aufsteigen ließ. Es dauerte nicht lange und der Raum füllte sich mit dem Duft an. Leise begann Atemu mit seinem Gebet an den Gott, auch wenn er in nicht sehen konnte.
„Hm…“, schmatze eine Stimme hinter ihm.
„Was?“, Atemu fuhr erschocken zusammen dun sah sich verdattert um. Er war doch alleine, wo war das hergekommen? Nichts rührte sich und es blieb still. „Ich halluziniere …“, flüsterte er vor sich hin und wandte sich wieder seinem gebet zu, das ihm noch sein Vater beigebracht hatte.
Das Feuer knisterte als er eine Schweigeminute einlegte.
Atemu stand plötzlich auf und sah sich um. Er hatte deutlich den Atem von einer zweiten Person gehört, leise aber er war da. Da er nicht glaubte, dass die Statue unter dem Stoff plötzlich lebendig werden würde, suchte er lieber nach einem Menschen. Nur wer konnte es sein. Ein Freund von ihm oder einer Hohepriester? Warum sollten sie sich hier einschleichen? Lange suchen musste der Prinz allerdings nicht. Auf der mittleren Bank lag ein schlafendes Mädchen.
Atemu zog eine Augenbraue hoch: „Dass sie nicht runter fällt?...“ Die Bank war nicht wirklich breit und dennoch reichte es offenbar.
Er runzelte die Stirn als er merkte wer das war - Isahra… Nur mit einem kurzem Zögern griff er nach ihrer Schulter um sie zu Wecken: „Hey, aufwachen!“
„Hm…“, sie schaffte es sich auf der Bank umzudrehen und brummte. „Lass mich schlafen, Shada... ich hab die letzte Nacht wegen diesem blöden Prinz… Pharao... durchgeackert…“
„Danke!“, sagte Atemu betont bedächtig. Sie beleidigte ihn: „Aber ich bin nicht Shada…“
Isahra riss sie Augen auf und rappelte sich auf. Schluckend starrte sie ihn an. „Ups…“, etwas, dass einem peinlichen Grinsen ähnelte zog sich über ihre Züge.
„Morgen!“, Atemu lächelte sie an: „Blöd?“
„Ja… also nein… Ähm. Tut mir leid, so war das nicht gemeint“, sie ließ den Kopf hängen und fuhr sich durch das Haar: „Ich hab seit mehr als 30 Stunden kein Auge mehr zugemacht. Ich würde dich doch nie beleidigen, ich kenne dich nicht.“
„Ich hab es nicht ernst genommen“, er setzte sich ohne zu fragen neben sie und sah sie aufmerksam an: „Du hast dich um mich gekümmert, als ich nach dem Angriff hergebracht wurde.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Innerlich hoffte Atemu das sie ihm nicht widersprechen würde.
Isahra legte den Kopf zur Seite und ihre Haare vielen ihr vors Gesicht: „Ja, wegen der Aufregung hat Shada mich einfach abkommandiert. Mir hat auch keiner gesagt um wen ich mich da kümmern soll. Warum auch…“, ihre Schultern zuckten ein wenig: „… es geht mich nie etwas an, was um mich herum passiert. Hohepriesterin Isis kam nur, weil ich noch andere Arbeiten hatte. Sie machte sich Sorgen und da Akunadin es eh nicht gerne gesehen hätte…“
„Mein Onkel?“, Atemu unterbrach sie verwirrt: „Ich hab zwar gehört dass deine Eitern sich nicht mit Ruhm bekleckert haben, aber wenn Shada dir vertraut, wirst du ein guter Mensch sein…“
„Du bist wegen der vielen hohen Töchter hier“, fiel sie ihm urplötzlich ins Wort.
„Ähm.. schon aber…“
„Ich hab schon mit einigen geredet, sei am besten vorsichtig wenn es um die Prinzessin von Libyen geht. Sie ist sehr verlogen und nur auf den Thron scharf“, Isahra lächelte ihn an und musterte ihn dummerweise sehr auffällig: „Ist das nicht schwer? Jetzt schon Pharao zu werden?“
Atemu fing ihren Blick auf, der eine Mischung aus Mitleid, Bewunderung und Sympathie enthielt. Er hatte sich nicht geirrt, hellbraune Augen, die im Feuerschein wie Gold schimmerten.
„Ja, aber ich habe keine Wahl“, antwortete er nach einer Weile, und wandte die Augen ab. Innerlich keuchte er, da er das Gefühl gehabt hatte, dass sie durch seine Augen auf den Grund seiner Seele gesehen hatte, aber das konnte doch nicht sein. Sie war Novizin, noch nicht mal ganz eine Priesterin und viel zu jung um so was zu können. Er musste sich ablenken und sah auf die Statue des Horus und dabei fiel ihm etwas ein, oder besser auf.
„Was machst du überhaupt hier? Niemand außer den Hohepriestern die hier im Tempel leben darf hier rein. Außerdem warst du nicht vorhin noch am Arbeiten?“
„Oh… ja…“, Isahra lief hochrot an: „Nun… tja, wie soll ich sagen… Es waren so viele beim Putzen, dass ich überflüssig war und bevor Shada oder ein anderer mir noch mal was auftragen konnte, hab ich mich verdrückt. Das Dumme war nur, dass sie mich überall gefunden hätten und daher hab ich mich hier rein geschlichen. Verpetzt du mich?“ Unsicher warf sie ihm einen Seitenblick zu.
„Nein!“, meinte Atemu: „Ich wüsste nicht warum, nachdem du dich so liebevoll um mich gekümmert hast, obwohl dir eine Menge Schlaf fehlt.“ Noch während er sprach stutzte er. Seine Hand hob sich und er zog ein Blatt aus ihren haaren, das dort hängen geblieben war. Es war eindeutig eines der Blätter wie sie an den Büschen am Ufer wuchsen und frisch: „Du…“
Sie grinste frech und peinlich ertappt: „Schönes Blatt.“
„Du warst das. Du hast mich beobachtet“, Er verkniff sich ein lachen: „Warum?“
Isahra nahm ihm das Blatt weg und drehte es in den Händen: „Was hast du denn gedacht? Du bist ein junger Mann, gut gebaut und der Kronprinz. Ich war neugierig und hab dich auf dem Weg hierher gesehen. Dich einfach so anzusprechen ist mir nicht erlaubt und ich bekomm Probleme, sollte jemand erfahren, dass ich es jetzt tue. Shada durfte mich nur als Schülerin annehmen, weil er versprochen hat, dass er mich niemals mit in die Residenz nimmt.“ Ihre Stimme war leise und es kostete Atemu viel Konzentration ihr zuzuhören.
Unwillkürlich streifte er ihre Haare über ihre Schulter zurück, um ihr Gesicht zu sehen. Sie war wirklich verdammt hübsch: „Das klingt als wollte dich jemand von mir fernhalten.“
Anstatt zu antworten sah sie ihm nur in die Augen und nickte ganz leicht: „Ich muss gehen.“
„Warte“, Atemu packte sie am Handgelenk: „Wovor haben sie Angst?“
„Meine Mutter war eine Tempeltänzerin und auch Sängerin, aber damit auch ein Freudenmädchen. Das war aber nicht alles… Diebstahl, Grabräuberei und auch Betrug waren ihr alles andere als fremd. Ich denke sie haben Angst, dass ich genauso bin. Es soll dich schützen, da meine Mutter deinem Vater schon übel mitgespielt hat. Du bist der Sohn des verstorbenen Pharaos. Ich die Tochter einer Kriminellen. Es spielt eine Rolle wer unsere Eltern waren und nur selber haben wir die Chance es zu überwinden. Wenn du es genau wissen willst, dann musst du den fragen, der es so wollte. Wesir Akunadin.“ Isahra stand vor ihm, konnte aber nicht an ihm vorbei, da er ihr den Ausgang versperrte. Die andere Seite der Bank stand an der