Liebe über den Tod hinaus

Wenn die Vergangenheit nicht ruhen will

Schuldgefühle

Anderer Orts und bereits dunkel geworden, war Anna mit Manta gerade beim Abwasch. Leise summend spülte Manta während Anna abtrocknete und dabei genauso streng wie auch besorgt aus dem Fenster zu ihrem Ehemann sah, der stumm unter einem Baum sitzend gedankenverloren in die Sterne zu blicken schien. Schwer seufzend schüttelte Anna dabei bitter ihren blondhaarigen Kopf und wendete sich wieder hoffnungsschwindend dem Teller in ihrer Hand zu.
5 Jahre waren seit Abbruch des Shamanenkampfes vergangen und dem Tod von Yos Zwillingsbruder Hao. Nicht gerade traurig, wie sie selber fand, dass man vielleicht nur die Korrektheit daran in Frage stellen könnte, doch Yo selber kam und kam nicht darüber hinweg, dass er seinen eigenen Bruder hatte töten müssen statt, wie er sagte, auf sein Herz gehört zu haben. Ein Satz, von dem Anna wusste, wer ihn Yoh gelehrt hatte. Matamune, Yohs erster Geist, welcher sich mit der stillen Abnahme des Versprechens Hao zu retten opferte, damit sie ihren Hass überwinden und Vertrauen zu Yoh fassen konnte. Schwer zu verstehen, dass es nicht anders ausgehen konnte, als Anna sich traurig daran erinnerte wie Yoh zu einem Versprechen und noch mehr zu Matamune stand.
Doch erstens wie sie fand hatte Yo damals keine andere Wahl gehabt, da sonst sie alle von Hao getötet worden wären und zweitens… was hätte Yo sonst tun sollen! Hao hätte ganz bestimmt nicht mit sich reden lassen, hatte sie sogar nur noch stärker, noch aggressiver angegriffen als Yoh es versucht hatte und selbst wenn doch, alles hasste ihn bis aufs Blut. Sein Bruder hätte keine Zukunft mehr gehabt, hätte Yo ihn geschlagen ohne ihn zu töten, denn die Wunden, die sein Bruder in anderen aufgerissen hatte, waren tief, zu tief. So tief wie in ihm selber? Anna wollte gar nicht wissen, was alleine die Patcheen oder gar X-Laws mit Hao gemacht hätten, wenn dieser geschlagen worden wäre und sie ihn hätten gefangen nehmen können. Und sie selber wusste aus ihrer eigenen Vergangenheit nur zu gut wie schwer es war diese Gabe zu kontrollieren statt die Fähigkeiten einem selbst. Nicht das zu sehen, was einem vorgemacht wird sondern die volle Wahrheit in den Gefühlen anderer wie in einem Buch lesen zu können, ganz egal ob man will oder nicht. Verrat zu spüren noch ehe er geschieht, zu hassen, weil man den Schmerz aus der Umwelt nicht mehr aushalten kann, verstoßen werden, weil man anders ist, hinterfragt, oder bereits weis, was andere in diesem Alter noch nicht begreifen können. Schmerz, Misstrauen und keine Hoffnung auf Schönes war, wie Anna wusste, das einzig Wirkliche, was die Gabe der Geistererkenntnis mit sich brachte und sie nicht wissen ließ ob sie lachen oder schreien sollte, wenn diese für die Betroffenen nur fluchähnliche Fähigkeit als Gabe gesehen oder von anderen für mehr Macht gewünscht wurde. Denn sie brachte nichts Gutes. Weder für ihren Besitzer noch für andere, denn Gedanken waren nicht umsonst für Fremde verborgen, dachte Anna als sie nach einem weiteren Teller griff.
Da hätte ihm wohl auch Yo nicht mehr helfen können und daher war es so wie es geschehen ist für Anna dennoch die beste Lösung gewesen. Zwar hasste sie Hao auch bis ins Letzte, doch wusste sie dass wenn er in 500 Jahren erneut wiedergeboren werden und immer noch den selben Hass in sich tragen würde. Noch stärker sein würde und es waren dann ihre Nachkommen, die das Problem mit Hao hätten. Mit einer noch kleineren Chance auf ein friedliches Ende und ohne Matamune oder Yoh als Haos zweite Hälfte mit der gleichen Kraft wie Hao selber. Kein rosiger Gedanke wie Anna empfand und sie hoffte, dass Hao durch den Kampf mit seinem Bruder vielleicht doch etwas lernen würde. Nur schon wieder ein bisschen der Wunsch nach einem Leben ohne Hass aufkommen konnte, wie sie selber wusste, schon ein Wunder bewirkte. Doch wie realistisch war dies nach tausend Jahren Hass in denen, wie sie erst viel später erkannten, Hao mehr in der Hölle unter Qualen gelitten hatte als hier unter seines Gleichens zu leben, wo er nur wieder getötet werden sollte noch ehe er zur Welt gekommen war, dachte Anna mit einem erinnernden kalten Schauer über ihrem Rücken. Sie wusste nur zu gut was es hieß die innersten Wünsche und Gedanken anderer Menschen zu spüren und noch immer so dankbar wie damals war sie Yoh das er es mit der Zerstörung ihres O-onidämons geschafft hatte sie von den Fesseln dieser Gabe zu befreien. Sicher, gestand sich Anna ein dass das erste Jahr ohne diese Fähigkeit frühzeitig Verrat zu erkennen hart war, doch lange nicht so hart wie die Jahre davor mit der Gabe. Sie konnte Haos Hass verstehen, ja. Aber es änderte nichts daran, weder das es Hao selber war der sich für den Weg des Blutes entschied noch wie unfaire sie es empfand das Yoh daran zu zerbrechen schien seinen Bruder nicht genauso wie sie vor sich selber geschützt zu haben, dachte Anna einen tiefen Schmerz von Hilflosigkeit spüren wenn sie Yoh wie jetzt beobachtete aber nicht wusste wie sie ihm genauso helfen konnte wie er ihr.

Manta, der mittlerweile mit dem Abwasch fertig war, sah zuerst, dass Anna völlig in Gedanken auf den Teller sah und sich das abzutrocknende Geschirr aufgestapelt hatte. Da er zu klein war um über das Fensterbrett zu sehen, konnte er nur vermuten, dass es Yo war der Anna beschäftigte. Auch ihm waren die zwar stillen, aber schweren Veränderungen seines besten Freundes aufgefallen und machten ihn sich nicht minder starke Sorgen, warum dies so sein konnte.
Kein bis seltenes Lachen, nur gespielt fröhliches Lächeln, welches selbst einen Blinden nicht täuschen würde, freiwilliges Trainieren, um nicht zu sagen, Yo war weg bevor Anna auch nur daran denken konnte ihn zu scheuchen. Und immer nur dieses apathische Schauen in die Sterne, als ob er von diesen eine Antwort erwartete. Alles in allem… mit seinem Freund stimmte etwas nicht und das gewaltig, schloss Manta seine Überlegungen ab und spürte wie er am liebsten innerlich genauso seufzen würde wie Anna.
Denn warum gerade jetzt, wo doch eigentlich alles so friedlich und fröhlich sein sollte, war die Frage, welche seit einem Jahr alle Beschäftigte, die Yoh seither gesehen hatten. Hao war tot und würde zumindest für die nächsten 500 Jahre niemandem mehr schaden können, die Strafe bekommen, die er nur als angemessen empfand. Anna und Yo waren verheiraten und glücklich miteinander. Aber das Wichtigste… Anna war schwanger und das, wenn er sich jetzt nicht verhört hatte, bereits im 5 Monat, was die gesamte Asakurafamilie überglücklich machte. Also müssten doch eigentlich alle munter und fröhlich sein?
Das Gegenteil schien aber bei Yo der Fall zu sein und keiner außer Anna und Amidamaru schien sich erklären zu können warum. Ihnen allen waren die Veränderungen aufgefallen, die Yo seit ca. einem Jahr für jeden sichtlich mitmachte, doch es war zu dieser Zeit nichts geschehen was eine Ursache für diese Veränderung darstellen würde. Absolut nichts, und Anna schwieg auf ihre Frage, was es sein könnte, noch beharrlicher als Amidamaru, dachte Manta mitleidig und sah zu der immer noch stummen Anna hinauf.
„Hei Anna, lass mich nur den Rest abtrocknen. Ruh dich lieber aus dukommst mir müde vor“, sagte Manta mit Rücksicht auf die Schwangere, welche irritiert aufsah, dann aber erleichtert lächelte.
„Danke dir Manta“, sagte sie nur und drückte dem Kleineren das Geschirrtuch in die Hand, welcher daraufhin schnell von seinem Stuhl sprang um diesen näher an die abzutrocknenden Teller zu schieben.

Doch statt ins Bett zu gehen, blieb Anna im Flur stehen und sah zur Haustür. Kurz überlegte sie ob sie es riskieren sollte oder nicht, machte dann aber schon auf dem Absatz kehrt und ging auf den Hof hinaus zu Yoh, welcher sie, wie aber auch alles andere in seiner unmittelbaren Umgebung, wie immer nicht zu bemerken schien. Erst als sich die junge Itako neben ihn setzte und ihren Kopf auf seine Schulter legte, zuckte dieser zusammen und blickte in das fragende Gesicht seiner Frau.
„Hab ich dich etwa erschreckt? Tschuldige“, sagte Anna zurückhaltend um Yo nicht in jene Spannungen zu versetzen, welche seit 4 Jahren zu schnell aufkommen konnte. Doch dieser zuckte nur kurz mit dem Mundwinkel als Zeichen, dass schon alles in Ordnung sei, bevor er wieder stumm in die Sterne blickte als wäre nichts gewesen. Anna tat ihm dies kurz gleich, versuchte wenigstens etwas schönes in dieser Situation finden zu können, musste dann aber schon nach wenigen Momenten seufzen, was Yo wieder nicht zu bemerken schien.
Das waren die Situationen, die Anna seit 5 Jahren langsam zu hassen begonnen hatte. Trotzdem schmiegte sie sich näher an Yoh um zumindest mehr von seiner Wärme zu erhalten, wenn er sie schon nicht zu beachten schien. Nicht, dass sie Yo nicht mehr liebte. Im Gegenteil, mehr sogar denn je nachdem er ihre Seele vor 10 Jahren gerettet hatte. Aber sie machte sich Sorgen um ihn… große Sorgen sogar, da all sein neues Verhalten so absolut untypisch und zum vorherigen fast schon gegensätzlich war. Fast wie sie in ihrer Kindheit und Hao sein ganzes Leben... und das machte, oder eben gerade ihr Angst. Angst, dass sich Yo noch mehr verändern und zurückziehen würde, bis das niemand mehr zu ihm durchkäme. Er so enden würde wie jene, denen er geholfen hatte vor dem Schicksal der Einsamkeit zu entfliehen. Ein Gedanke, der Anna die reinen Tränen der Sorge in die Augen trieb. Ihr in den Gedanken schwarz zu werden drohte, wenn sie die Ohnmacht spürte, die Yoh mit seiner Undurchdringlichkeit in denjenigen auslöste, welche irgendwann begonnen hatten, ihn zu mögen.
„Bitte“, flüsterte Anna eher wispernd, dass Yoh ihr doch endlich sagen sollte, was ihn sichtlich von Innen aufzureißen begann, dass er nicht so enden sollte, wovor er viele gerettet hatte. Doch wie sonst hörte Yoh auch dies nicht und schien selbst nicht zu merken wie Anna ihr Gesicht hinter seiner Schulter
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