Blauer Mond

Im Wald

Rin´s Augen suchten die Gasse ab. Irgendetwas war nicht in Ordnung. Sie hatte das Gefühl beobachtet zu werden. Jedoch konnte sie niemanden sehen. Dann spürte sie einen Schatten über sich und wenige Sekunden später, landete ein Falke auf ihrem ausgestreckten Arm.
„ Himmel, Silver. Was machst du hier, du solltest doch bei Blue bleiben! Was ist los?“, fragte Rin erschrocken, doch der Vogel kniff sie liebevoll in denn Finger.
„ Ist ja gut, ich bin schon fertig. Lass uns gehen, die Gegend ist nicht besonders Menschenfreundlich.“, sprach sie weiter und ging zurück zu Hauptstrasse. Dabei kam sie an der Nische vorbei. Rin blieb stehen. Etwas stimmte mit ihr nicht.
’ Hier war eben noch jemand. Der Geruch…’, sie konnte ihn riechen, doch nicht näher bestimmen. Es war zu dunkel. Sie konnte nichts erkennen…

’ Ihre Fähigkeiten sind gewachsen. Noch kann sie aber mein Schild nicht durchbrechen…’ dachte er und verschwand lautlos.

Rin stutzte. ’ Was war das? Irgendetwas ist passiert.’ Doch in der Nische war jetzt nichts mehr Ungewöhnliches. Im Gegenteil, sie wirkte jetzt viel heller und freundlicher. Sie zuckte mit den Schultern, warf einen letzten mißtrauigen Blick in die Ecke und setzte ihren Weg zur Straße fort.
Silver saß noch immer auf ihrer Schulter und die Menschen wischen zurück. Sie beobachtet mit Abscheu, aber auch ein wenig Neugier mit diesen ungewöhnlichen Menschen und dessen Tier. Es kam nicht besonders oft vor, eigentlich noch nie, dass ein Mensch mit einem Raubvogel gelassen durch ihre Stadt spazierte. Sie waren sich nicht schlüssig, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelte. Aber eines war ganz klar: Sie hatten Angst vor ihnen. Schon der Aufzug lies darauf schließen, das mit der Person nicht gut Kirschen essen war. Sie war schmutzig und sah heruntergekommen aus. Als hätte sie schon ewig kein Wasser und eine anständige Mahlzeit genossen.
Rin lief durch die Straßen weiter und ignorierte sie alle. Sie wusste, dass die Menschen keine Ahnung hatten und vielleicht war es auch besser so. Sie erreichte das Stadttor, lief darunter durch und geradewegs in den Wald hinein. Silver erhob sich in die Luft, stieß einen Schrei aus und verschwand über dem Wald.
„ Mhm.“, war alles was Rin dazu sagte und lief weiter.
Tief im Wald, unter einem umgestürzten Baum, in einer Senke lag Blue ruhig da und wartete auf die Rückkehr. Er war geduldig, aber die Schmerzen wuchsen an. Da hörte er den Schrei und wusste, dass sie bald hier sein würde. Er schloss die Augen und wartete.
Rin erreichte endlich die Stelle, sprang über den toten Baum und landete mit einem leichten Satz direkt vor Blue.
Sie sah die geschlossenen Augen und zuckte zusammen. Sie konnte die Schmerzen fühlen und hoffte, dass es noch nicht zu spät war.
„ Blue?“, flüsterte sie. „ Ich bin hier.“
Er öffnete die Augen und erhob sich schwerfällig. Rin stieß erleichtert den Atem aus.
„ Ich hatte schon Angst du würdest mich diesmal endgültig verlassen…“
Blue sah sie mit einem vorwurfsvollen Blick an. Er ließ sich zu ihren Füssen nieder und Rin setzte sich hin. Blue legte sich auf die Seite und zeigte ihr die Wunde.
„ Wenigstens hat es aufgehört zu bluten“, flüsterte sie und begann die Wunde zu reinigen. In der Apotheke hatte sie zum Glück alles bekommen. Manchmal muss man eben auf die herkömmliche Medizin verzichten und sich mit der der Menschen helfen.
Während Rin die Wunde behandelte sang sie leise ein Lied dazu.
(„ Ipren Saleimin nrhetu Alumgh Elightu nerf ratum agni lessarim al ulinwe djeosd hglyln wynth soliogh ruthwy esamie noiw…“ )
Die Sprache der Vergessenen. Sie spürte die Macht der Worte und verstärkte sie. Blue begann sich zu entspannen und ließ die Worte auf sich wirken. Er wusste, dass sie den Heilungsprozess beschleunigen konnten und gab sich ganz den Händen seiner Partnerin hin.
Rin lächelte als sie merkte, das Blue die Behandlung zu genießen begann. Demzufolge hatten die Schmerzen nachgelassen und er würde wieder auf die Beine kommen…

Die Nacht wurde alt und Rin sah noch einmal nach Blue. Doch sie brauchte sich keinen Sorgen machen, es ging ihm gut. Sie warf noch ein paar trockene Äste ins Feuer und begann ihre Ausrüstung zu überprüfen. Die Messer, Pfeil und Bogen, Taitsu - das alte Samurai-Schwert, die Seile, Taschenlampe, Streichhölzer, Verbandsmaterial, Wasser und alles was noch im Rucksack war, breitete sie vor sich aus und begutachtete es sorgfältig. Nichts durfte schadhaft sein oder gar fehlen. Es war wichtig, dass die Ausrüstung komplett war. Kräuter, Wurzel und andere Heilpflanzen fand sie immer unterwegs. Aber Seile und dergleichen waren schon schwieriger.
Als der Morgen graute rief sie nach Silver. Der Falke antwortete jedoch nicht.
‚ Er müsste längst wieder hier sein’, dachte Rin und rief noch einmal nach ihm.
Blue begann sich zuregen und wachte auf. Er horchte aufmerksam in den Wald hinein und begann leise zu knurren.
Etwas stimmte nicht.
„ Ich höre es auch, Blue. Lass uns von hier verschwinden.“, flüsterte sie und begann sich anzuziehen. Den alten Mantel warf sie sich über die Schultern, darüber zog sie den Rucksack. Die Messer steckte sie in die Seitentaschen und zwei je eins in ihre Stiefel. Das Taitsu trug sie an ihrer Seite und Pfeil und Bogen neben dem Rucksack auf dem Rücken.
Rin löschte schnell das Feuer und beseitigte die Spuren ihres nächtlichen Aufenthaltes. Trotz der Dämmerung war es noch immer finster im Wald. Sie konnte den schwachen Lichtschein des Himmels zwischen den Baumwipfeln ausmachen. Blue lauschte angespannt, aber er knurrte nicht mehr, stattdessen legte er die Ohren an und wartete.
Plötzlich war es totenstill. Kein Laut war zu hören, nichts regte sich mehr. Kein Wind, keine Tiere, es schien, als hielte der Wald den Atem an.
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