Shadownight
- Liebe durch den Tod -
Vampire 1.0
Felia…
“Das reicht!”, rief Elias.
Seine machtvolle Stimme ließ selbst den leisesten Ton verstummen. Niemand wagte es auch nur, etwas lauter zu atmen.
Selbst ich, die sonst keine Angst vor dem großen, stämmigen Vampir hatte, schwieg ehrfurchtsvoll und verdrückte mich tiefer in die Ecke.
“Wir wissen alle, dass dieser Krieg seit Ewigkeiten währt, und dass er noch Ewigkeiten währen wird.”, sagte Elias, und blickte durch den riesigen Saal, in dem mindestens 100 dunkel gekleidete Gestalten saßen, einer schöner und missmutiger als der andere.
Jeder der Anwesenden hatte seine Augen – allesamt schwarz wie die Nacht - auf den den weißhaarigen Vampir hinter dem Pult gerichtet.
Doch das schien Elias nicht weiter zu kümmern, denn er fuhr fort, wo er aufgehört hatte, seine Stimme genauso kräftig wie vorher.
“Wenn ihr euch einbildet, dass ihr die Helden seit, die uns von diesem Fluch befreien, seit ihr genauso arrogant und dumm wie unsere Vorfahren. Die Friedhöfe werden immer größer, und alle sterben sie nur, weil sie solche Narren sind! Geht von mir aus in den Tod, aber denkt an meine Worte, wenn ihr den blutrünstigen Augen eines Dämons gegenübersteht. Denkt in eurer letzten Sekunde an meine Worte, denkt daran, dass ich euch gewarnt habe!”
Ich hielt den Atem an.
Was würden die Vampire erwidern?
Eine Minute lang schwieg der ganze Saal, dann rief ein rothaariger Mann, vielleicht 150, mit breiten Wangenknochen und kleinen Augen: “Was sollen wir denn Ihrer Meinung nach tun? Hier sitzen, und warten, bis man uns findet? Nein, da finde ich sie lieber zuerst!”
Zustimmendes Gemurmel erfüllte den Saal, die Töne, soll hell wie Glöckchen, schallten von den Marmorwänden wieder.
Eine breitschultrige, eulenhafte Frau stand auf, ihre Haare passend zu den Augen. “Wer sagt, dass nicht wir die Auserwählten sind? Wir müssen es wenigstens versuchen! Lieber sterben und dafür für alle Zeit geehrt werden, als hier zu bleiben, Kindermädchen zu spielen und nie etwas erreicht zu haben!”
Das Gemurmel wurde lauter.
“Was seit Ihr für ein Anführer, der seine Truppen zu Hause rumhocken lässt?”, schrie Jemand, der weiter hinten saß.
“Sollen sie verrotten, diese Ausgeburten der Hölle!”
Und nun war das Gemurmel kein Gemurmel mehr, es war zustimmendes Jubeln. Fäuste wurden in die Luft gereckt,
Schlachtgesänge angestimmt, und viele dachten anscheinend, dass der Kampf noch heute losgehen würde.
“Schweigt still!”, rief Elias, doch dieses mal hörte ihn keiner.
Niemand dachte auch nur daran, dem alten Vampir, der klüger war als alle andere Anführer vorher, noch einmal Gehör zu schenken.
“Lasst uns einen neuen Anführer wählen, einen, der etwas vom Kämpfen versteht!”, wurde gerufen, die Tore öffneten sich, und die Vampire strömten aus dem Marmorsaal.
Einzig allein Elias blieb zurück, der sich in den Nasenrücken zwickte und traurig den Kopf schüttelte.
Oh, und ich. Felia.
Ich schob den Wandteppich zur Seite, der so alt und ausgebeult war, dass niemand bemerkt hatte, wie ich mich hinter dem Ding in einer Ecke versteckt hatte.
Meine Schritte hallten leise von den Wänden wieder, als ich den hinteren Teil des Raumes durchquerte, und schließlich neben Elias stand.
Er sah erschöpft aus, das alte Gesicht durch Narben und Falten entstellt, aber mit den schönsten, klügsten und weisesten Augen, die ich je gesehen habe.
Sein marineblaues Gewand zeigte die Fingerfertigkeit seiner Frau, denn er war mit einem silbernen Stickmuster durchsetzt, dass so komplex war, dass ich Jahre brauchen würde, um die Enden zu zählen.
“Meister Elias?”, fragte ich leise und höflich.
Wenn er mich ignorieren würde, wusste ich, dass ich störe.
Würde er mir antworten, war ich willkommen.
“Ich hätte mir denken können, dass du zuhörst.”, sagte er sanft, und strich mir über den Kopf. “Du warst schon immer ein verdammt neugieriges Kind.”
“Tut mir leid, Meister Elias.”, sagte ich, und senkte den Kopf.
“Aber schlimme Taten sind passiert, und ich will helfen.”
Das wollte ich wirklich.
Ich wollte in den Krieg ziehen, und meine Familie beschützen.
Das Volk beschützen.
Den Dämonen zeigen, was sie waren: Höllengeschöpfe.
Ich wollte Elias eine gute Schülerin sein.
Aber während ich das dachte, wusste ich, dass ich noch viel lernen musste.
Und dass ich, wie Elias gesagt hatte, nichts Besonderes war, genauso wenig wie wir alle.
“Du bist ein gutes Kind, Felia.”
“Danke, Meister.”
“Es tut mir leid, dass du das miterleben musstest.”
“Das habe ich selbst gewollt, Meister.”
“Geh jetzt heim.”
“Aber ich möchte mit Ihnen reden.”
Nun sah er mich verwundert an.
Ich schüttelte mir das braune Haar hinter die Schultern, die Augen weit offen, den Geist bereit, um alles aufzunehmen, was ich hörte.
“Was werdet Ihr jetzt tun, Meister Elias?”
Das war die erste, und gleichzeitig die wichtige Frage, die ich auf dem Herzen hatte.
Ich entlastete ein Bein und sah ihn wissbegierig an.
Er seufzte und lächelte leicht.
Es vergangen einige Minuten, in denen ich gespannt wartete, doch als er nicht antwortete, wusste ich, dass ich keine Antwort bekommen würde.
Zumindest heute nicht.
Elias strich seinen Mantel glatt, legte sich ihn über die Schultern, und fügte mit einem halben Lächeln hinzu: “Geh heim, Felia. Sei brav und störe deine Eltern nicht.”
“Ja, Meister Elias.”
Und damit verließ ich enttäuscht den Saal, durch die Hintertür, die schwer und edel verarbeitet war.
Durch diese Tür gelang ich in den hinteren Teil des Universitätsgebäudes, das als Tarnung diente.
Ich durchstrich die Flure, deren stuckbesetzte Decken mich zu erdrücken schienen.
Durch einen Umweg kam ich an der Bibliothek vorbei, die so alt war, dass manche Bücher schon unleserlich waren.
Ich huschte durch die Bibliothekstür und verschwand hinter einem schwerbeladenen Regal. Um diese Uhrzeit war es verboten, hier zu sein, aber Verbote hatten mich noch nie gekümmert.
Ich durchsuchte den vorderen Raum, fand aber nicht das Buch, das ich finden wollte.
Der Teppich spiee bei jedem meiner Schritte eine kleine Staubwolke aus, und es knackte in den Wänden und Regalen.
Das diesige Licht der Öllichter wies mir den Weg.
Ich musste mich unerkannt zum Empfangsschalter vorschleichen.
Es war zwar niemand hier, aber wer wusste schon, wo die Herrin der Bibliothek gerade war?
Sie konnte mir jederzeit über den Weg laufen, und mich für alle Zeiten aus diesen staubigen Räumen verbannen.
Die Spannung war groß, zumindest für mich, und ich schlich weiter, um einen Blick in die Bücherlisten zu werfen.
Ich fand schnell, wonach ich suchte, dank meiner übernatürlichen Vampiraugen. Grinsend blickte ich auf das Papier in meinen Händen, dass vom vielen Radieren und Anfassen schon ganz dünn war.
Ich musste also in den hinteren Raum, den verschrobensten und interessantesten Teil, der mir eigentlich als Minderjährige verboten war. Aber wie gesagt, was kümmerten mich Verbote?
Immer noch breit grinsend schlich ich hinfort, lauschte der Stille und wartete auf ein Anzeichen der Bibliothekarin. Doch es blieb ruhig.
Ich brauchte eine Weile, um zum Ziel zu gelangen, da ich sichere Umwege nahm.
Doch schließlich hatte ich die den gigantischen Hauptraum hinter mir. Die bunten Buchrücken blieben zurück. Die mit Schnitzereien und Blattgold veredelten Regale wichen Schlichten.
Hier war die Atmosphäre seltsam unvertraut und ein unheimliches Summen lag in der Luft. Ich konnte nicht ausmachen, woher es kam.
Die Buchrücken waren allesamt schlicht und in dunklen oder edlen Tönen gehallten. Vorwiegend waren sie silbern, schwarz oder dunkelgrün, doch auch ein dunkelbraunes war dabei und gleich ein ganzes Regal war voll mit blutroten Büchern.
Sie sprangen einem ins Auge und ließen einem den Schweiß über den Rücken laufen.
Ihre Einbände waren nicht beschriftet, aber ich wusste, dass ich hier die Bücher finden konnte, die ich suchte.
Immer noch lauschend trat ich an das Regal heran und nahm ein altes, verstaubtes Exemplar in die Hand. Es war schwerer als gedacht, und ich trug es zum hintersten und verstecktesten Tisch, wo ich es aufschlug.
Es war teilweise von Buchwürmern zerfressen, aber ansonsten noch gut erhalten.
Das erste Kapitel trug den Namen “Dämonen – Ausgeburten der Hölle.”
Ich lächelte selbstsicher und stolz und fing an zu lesen.
Dämonen – Ausgeburten der Hölle
Seit Jahrtausenden lebt das Volk der Vampire im Krieg mit dem dunkelsten aller Völker, dem Volk der Dämonen.
Die Seele eines Dämonen ist von Hass zerfressen und ohne einen Funken Licht.
So rot wie ihre Augen ist die Wut, die sie beherrscht.
Sie töten aus reiner Freude am Tod und lieben grausige und unvorstellbare Spielchen.
Ihr Körper besteht zum großen Teil aus Feuer, aber keinem normalen Feuer, nein, Feuer, das aus der Hölle selbst kommen soll. Sie sind Kinder des Teufels und die schrecklichsten Geschöpfe, die auf der Erde wandeln.
Der Rest des Kapitels war ziemlich langweilig, es waren nur Dinge, die ich schon in der Schule gelernt hatte.
Ich blätterte weiter, doch dieses Buch brachte mir nicht viel Neues, bis ich auf das letzte Kapitel stieß.
Es war mit einer großen Überschrift bedruckt, die warnte, dass man dies nicht lesen sollte, wenn man schwache Nerven hatte.
Doch meine Neugier gewann und ich las weiter.
Wie tötet man einen Dämon?
Einen Dämonen zu töten ist bisher nicht vielen Vampiren gelungen. Sie sind blutrünstiger und stärker, sodass meist der Vampir im Kampfe verliert.
Es gibt nur wenige Möglichkeiten, einen Dämon zu töten.
Die Wirksamste und schnellste Methode ist es, seinen Kopf vom Körper zu reißen, und das Innere zu verspeisen.
Ich hielt inne – das war ja widerlich! Blut zu trinken war für einen Vampir ganz normal, aber es war