Blauer Mond
Ankunft
Er beobachtete sie nun schon so lange. Er wusste, dass es Zeit war, sich ihr endlich zu zeigen. Shinchi saß hoch oben im Baum und schaut dem kleinen Kampf zu.
Jack hatte ihm vor mehr als einem Jahr geraten, sich ihr anzuschließen, doch konnte Shinchi sich nicht dazu durchringen. Stattdessen war er ihr immer nur gefolgt und sobald sie ihn zu entdecken drohte, verschwand er. Er hatte Angst vor der Begegnung. Nicht weil sie ihm überlegen war oder er gar glaubte, ihre Bestimmung zu kennen - Jack hatte mehr als nur eine Andeutung gemacht – er vermochte nicht zu sagen, was ihn davon abhielt, sich ihr zu zeige. Er wusste, dass sie seine Anwesenheit spürte. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie ihn sehen konnte.
Shinchi sah wie der Gumaero blutend davon sprang. Er hatte es versäumt, ihn von ihr fernzuhalten. Dieser Gumaero war ihm entwischt, als er nicht aufpasste und vorhin war es zu spät gewesen. Er hatte sie bereits entdeckt gehabt und Rin angegriffen. Normalerweise bekämpfte Shinchi die Gumaeros ohne dass Rin etwas davon merkte. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, ihr diese Wesen so lange wie möglich vom Hals zu halten. Zu dem war es auch noch ein gutes Training um seine Stärke und seiner Fahigkeiten zu verbessern. Als er sah wie Rin die Gegend mit ihrem Geist sondierte, verschwand er. Es war die einzige übernatürliche Gabe die Shinchi besaß, die der Unsichtbarkeit.
Er sprang unsichtbar von Baum zu Baum und entging so dem Wirkungskreis von Rin.
Er mochte Rin, das war nicht zu leugnen, doch zweifelte er, dass sie ihm erlauben würde, mit ihr zu gehen. Und wenn sie erfuhr, dass er ihr mehr als ein Jahr gefolgt war, würde sie ihm mehr als nur den Kopf abreisen. Er war kein Feigling, aber sie war nun mal stärker als er.
Shinchi seufzte und schimpfte sich einen Narren. , Ich hätte auf Jack hören sollen, jetzt hab ich den Salat.` dachte er und verschwand vorerst.
Rin hatte es eilig, daher machten selten Rast und wenn, dann nie mehr als 1 Stunde. Silver flog dicht über ihnen und warnte sie vor Gefahren. Drei mal begegneten sie einem Gumaero, doch bei Tageslicht waren sie keine Gegner für Rin. Binnen weniger Minuten hatte sie sie erledigt. Menschen trafen sie nicht, dazu war die Gegend nicht lebensfreundlich genug. Irgendwann ließen sie die karge Landschaft hinter sich und kamen ins Gebirge. Sie hatten ein gutes Stück geschafft und suchten sich jetzt ein Nachtlager.
Die Abenddämmerung war schon weit fortgeschritten, als sie endlich eine gute Höhle fanden. Rin verzichtete auf ein wärmendes Feuer, hüllte sich in ihren Mantel und schlief beinah sofort ein. Blue legte sich neben sie und hielt Wache, während sich Silver draußen auf einem Baum niederließ. Als die Sonne aufging, weckte Blue Rin und sie machten sich wieder auf den Weg.
Trotz des straffen Tempos und den wenigen Pausen heilte Blue´s Wunde vollständig nach 2 Tagen ab und er war wieder Kampfbereit. Je näher sie dem Roten Berg, wo Remita stand, kamen, desto schneller wurde ihr Tempo. Und dann, nach scheinbar endlosen 4 Tagen kamen sie am Fuß des Berges an. Sie mussten über den Bergrücken steigen, denn Remita lag auf der anderen Seite in einer Talsenke. Jack hatte sein Lager oben in einem der Hänge aufgeschlagen und wartete auf einen guten Moment, um sich den alten Stützpunkt zurückzuerobern. Sie machten sich an den Aufstieg und nach wenigen Stunden konnte Rin schon die leichten Rauchfahnen der Feuer ihrer Freunde sehen. Sie schickte Silver vor um zu berichten, dass sie in wenigen Stunden da seien.
Am Abend errichten sie den Hang und stiegen vorsichtig, aber schnell hinab. Plötzlich knurrte Blue leise und blieb lauernd stehen. Aus dem Schatten eines großen Findlings trat ein Mann hervor.
„ Ihr ward schneller als wir gedacht haben. Jack erwartet Euch. Folgt mir.“, sagte der Mann und kehrte ihnen den Rücken zu.
Rin und Blue folgten ihm ins Lager. Es lag, wie sie nun erkennen konnte, zwischen 2 Hängen in einer leichten Senke. Vom Tal aus nicht zu sehen, aber von hier aus, hatte man einen guten Überblick über alles.
Wenig später erreichten sie das Lager von Jack. Als er sie sah, sprang er auf und umarmte Rin mit einem erleichterten Gesicht.
„ Gott sei Dank bist du endlich da. Ihr müsst ja völlig erschöpft sein. Ich habe nicht geglaubt, dass ihr es so schnell schafft. Als dann aber plötzlich Silver auftauchte, wusste ich, es kann nicht mehr lange dauern. Ruht euch erst einmal aus. Ich habe ein Lager für dich vorbereiten lassen und auch für deine Begleiter.“ sagte Jack und wies auf das gemütlich aussehende Strohlager hinter ihm. Rin bedankte sich, doch verspürte sie keine Müdigkeit. Im Gegenteil, sie hatte das Gefühl nur so vor Energie zu strotzen.
„ Lass gut sein, Jack. Erzähl mir lieber, was hier genau vorgefallen ist und was für einen Plan du nun hast. Wie viele sind hier?“
Dieser seufzte leise und ging zu einem der Lagerfeuer und ließ sich nieder. Rin folgte ihm und setzte sich ihm gegenüber. Das Feuer spiegelte sich in Jack´s Augen wieder und ließ sein Gesicht düster und älter aussehen. Blue legte sich an Rin´s Seite, schloss die Augen und lauschte.
„ Wo soll ich anfangen? Lord Edolan und seine Truppen tauchten vor etwa 2 Wochen hier auf und griffen Remita an. Nach wenigen Tagen konnten wir es nicht mehr halten, der Feind war einfach in der Überzahl. Viele von uns starben und wir flüchteten hoch in die Berge. Edolan hält die Burg und hat noch mehr Truppen zur Bewachung angefordert. Vor 3 Tagen kamen sie an. Ich schätze an die 50 weitere Mann plus die, die schon beim Angriff dabei waren und überlebten. Alles in allen wohl um die 100 Leute. Und das ist noch nicht mal die schlechteste Nachricht. Gumaeros und anderes solches Höllengesindel treibt sich nun in den Wäldern herum. Und das schlimmste von allen: Edolan hat ein Schutzzauber über die Burg errichtet und keiner von uns hat die Macht, ihn zu durchbrechen. Deswegen bat ich dich, herzukommen. Ich weiß, dass du über Mächte verfügst, die kein anderer besitzt und uns helfen kann. Ich bitte dich, hilf uns!“
Rin hatte die Augen geschlossen und hatte während des Berichtes nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Sie kannte Lord Edolan sehr gut und wusste um seine Grausamkeiten. Doch als sie die Bitte hörte, schlug ihr Herz mit einmal schneller. Sie sah ihn verwirrt an.
„ Was meinst du damit?“, fragte sie ihn. „ Ich verstehe nicht ganz.“
„ Aber dein Ruf eilt dir doch schon weit voraus. Ich selbst habe dich kämpfen sehen. Oben bei der Schlacht von Tanium. Dein Schwert ist eine Legende und du führst es perfekt. Von deiner Kunst mit dem Bogen umzugehen, brauch ich ja wohl nicht anfangen. Ich weiß, dass du bei Meister Aron gelernt hast und er ist der beste Hexenmeister. Es heißt, er habe sein Wissen aus dem Buch des Merlin. Du hast die Kraft, die Wächter zu rufen und ihre Macht für dich zu nutzen. Wir wissen, was Aron dich gelehrt haben muss, denn dich umgibt eine besondere Aura. Ich habe keinerlei Fähigkeiten für die Magie, aber selbst ich spüre diese Kräfte, die dir inne wohnen. Darum bitte ich dich uns zu helfen.“ rief Jack und sah Rin bittend und voller Hoffnung an.