Seven Moons before dawn

Ihre Sehnsüchte liegen offen

Kapitel 3: Ihre Sehnsüchte liegen offen

Das Meer rauscht.
Der Wind herrscht.
Der Sand wirbelt in kleinen Fontänen über das gelbe Meer, um sich sofort wieder zu legen.
Die blauen Wellen streifen sanft das gelbe Meer, bis der Wind eine große Welle, einem Schutzwall gleichend, herantreibt.
Erneut erhebt sich eine Fontäne aus gelbem Sand.

Wind ...

Der Junge schreckte hoch und blickte sich verwirrt um. Meinte er nicht, gerade noch eine Stimme gehört zu haben? Der schwarzhaarige Junge im Alter von etwa 12 Jahren stand dort, doch der Schreck ließ schnell nach, und sein Blick vertiefte sich wieder in das Szenario. Wind streifte sein hübsches ebenmäßiges Gesicht, als er sich mit einer routinierten Bewegung die Haare aus den Augen strich. Dort, auf der Klippe stehend, blickte er über den breiten Strand hinweg und starrte die Wellen an.
Nach einer Weile fing er an, ungeduldig mit dem Fuß zu tippeln, bis er zusammenzuckte. Genervt zog er das Handy aus seiner warmen Jackentasche und ging ran.

„Ja, Soubi?“
„Nach Goura, zu den heißen Quellen.“
„Ich weiß nicht, warum du mich immer noch als deinen Herrn bezeichnest, aber ich kenne de Methode.
Bring mich nach Goura!
Dies ist ein Befehl.“

Im ruhigen Ton klappte er das Handy zu und starrte wieder auf die offene See. Tief atmete er durch, und eine zielstrebige Entschlossenheit war seinen Augen zu entnehmen. „Die Schule der Waffen“, murmelte er, und atmete tief durch. Bald würde er dort sein.


Der Wind ist es, der dich beherrscht.


Der Junge schreckte hoch und blickte sich verwirrt um. War er eingeschlafen? Müde blinzelte er mit den Augen und entdeckte, dass er jedoch immer noch im Bus saß. Der Bus Richtung Goura schien mit Verspätung unterwegs zu sein, wie der andere, etwas ältere, braunhaarige Junge lächelnd mit einem Blick auf die Uhr feststellte. Kurze Zeit später stieg er aus dem Bus aus. Er war angekommen.

Suchend und interessiert schaute er sich um, und betrachtete den kleinen, stillen Ort mit seinen alten, knorrigen Kiefern und den traditionell japanischen Häusern. Das ein und andere kleinere, europäisch anmutende Café hier oder die japanische Teestube dort rundeten das Bild ab und übermittelten dem Betrachter einen gemütlichen, schon fast urigen Eindruck. Weiter hinten erblickte man die heißen Quellen und zwei Gebäude, die wie Hotels aussahen.

Das Lächeln des Jungen vertiefte sich, während er den Blick über den Ort schweifen ließ und seine Auge letztendlich an den beiden Hotels haften blieben. Seinen so glücklichen Gesichtsausdruck trübte ein kurzes Stirnrunzeln, während er in seiner Reisetasche herum suchte und schließlich die Anschrift fand. „Komisch, eigentlich sollte es hier doch nur ein Hotel geben was für seine heißen Quellen so berühmt ist ...“ Sichtlich verwirrt kratzte der braunhaarige Junge sich am Kopf, und blieb leicht unschlüssig stehen.

„Suchst du was?“

Überrascht drehte er sich um. Vor ihm stand ein kleines, zierliches Mädchen mit schwarzen Haaren und einer Einkaufstasche in der Hand. Musternd starrte er sie an, und mit einem Mal merkte er, dass auch das Mädchen ihn mit dem gleichen Blick anblickte. Plötzlich geschah es. Ein Aufleuchten zweier Handfesseln, das Erscheinen des Namen 'Lightless' .
Eine neue Verbindung war geschlossen worden.


Wind ...


„Der Wind draußen hat ganz schön zugenommen! Brr, kalt ...“ Fröstelnd schloss Tari die Tür zu ihrem Balkon und blickte zu Noe, die leise zum Radio summend ihren Schrank einräumte. „Ja, nicht?“, antwortete sie, und widmete sich wieder ihrem Reisekoffer. Ihre Kater Kuroi war währenddessen noch bei einer Gesundheitsuntersuchung, angeordnet von Nagisa-sensei, durch dessen hysterisches Benehmen eine Phobie gegen Katzen deutlich zu werden schien.
Auch wenn Noe es nur in ihren kleinsten Bewegung zeigte, so spürte Tari durch ihre Verbindung die innere Zufriedenheit und das leise Glücksgefühl ihrer Waffe. Lächelnd schaute sich Tari in ihrem neuen Zimmer um, was die beiden von nun an zu zweit bewohnen würden. Das Bett ein wenig bequemer, die Aussicht ein wenig schöner, die Lage ein wenig ruhiger. Auch Tari war von innerer Zufriedenheit erfüllt, als sie mit einer neuen Tasse Blaubeerentee versonnen aus dem Fenster blickte. Und dennoch – trotz alles Glücks, glaubte Noe den leisen Zweifel zu spüren, der sich in das Herz ihres Sacrifices geschlichen hatte.

„Misaki, Daisuke ... geht es euch gut?“

Die vermeintlich leise gemurmelte Frage spiegelte den noch immer währenden Schmerz in Taris Herzen, und Noe fühlte sich bestätigt, als sie das letzte Kleidungsstück aus ihrem Koffer einräumte, den Koffer in aller Ruhe in eine Ecke stellte, und Tari in aller Ruhe einfach nur die Hand auf die Schulter legte. So verweilten sie, auch als es langsam Abendessenszeit wurde und sie sich eigentlich hätten beeilen müssen, um noch etwas zu Essen zu ergattern. Doch die beiden saßen still, als eine Einheit, und warteten.


Währenddessen schloss auch Alex mit einem leisen „Es ist viel zu kalt für eine Dauerlüftung“ die gekippten Fenster in Bad und Zimmer von Alex und Daisuke. Während Alex Koffer noch unausgepackt auf dem Bett lag, hatte Daisuke seine Sachen schon lange ordentlich im Schrank verstaut, saß nun nachdenklich im Sessel und starrte aus dem Fenster hinaus. Alex hingegen wuselte scheinbar ein wenig unsicher durch das Zimmer und besah sich hier eine Kleinigkeit, dort etwas anderes. Manchmal warf er Daisuke huschende Blicke zu, doch Alex sagte nichts. Er war zu unsicher um auf die Stimmung seiner Waffe zu reagieren.

Letztendlich blieb sein Blick komplett an Daisuke hängen, und er blieb in einiger Entfernung vor ihm stehen. Unsicher blickte er ihn an. „Ich ...“, setzte er an.
In diesem Moment blickte Daisuke hoch und sah Alex an. Alex blieben die restlichen Worte im Hals stecken, der Blick ließ in stocken. Er spürte das innere Chaos seiner Waffe die ganze Zeit schon so deutlich, als hätte man ein Warnschild in seinem Inneren angebracht. Und genau diese Intensität der Gefühle verunsicherte ihn, er wusste nicht, wie er Daisuke hätte eine Stützte sein können. Sie kannten sich noch zu wenig, als das er dies wirklich wissen konnte.
Doch den Moment, in dem Daisuke seinen Schutzwall fallen gelassen hatte und zu Alex Hilfe suchend empor geschaut hatte, nahm er dessen Unsicherheit erst wahr. Schlagartig wurde Daisuke bewusst, wie sehr er sein Sacrifice mit sich belastete.

„Was wolltest du sagen? Entschuldige, ich habe dich wohl unterbrochen.“

Da war sie wieder, jene Distanz die Alex so verunsicherte. Er schreckte zurück. Was war aus dem Daisuke geworden, von dem er all die Zeit gewusst hatte, dass er seine Waffe war, dem er anonyme Geschenke gemacht hatte, den er aus der Ferne beobachtet hatte, zu schüchtern ihn anzusprechen? Alex verstand die Welt nicht mehr. Und schockiert, wie er war, ging er auf Daisukes Distanz ein.

„Du hast recht, ich sollte uns etwas zu Essen besorgen.“ Mit diesen Worte stürmte er regelrecht aus dem Zimmer, und ließ Daisuke in seinem Gefühlschaos allein. Daisuke wiederum hatte wieder seinen Schutzwall um sich herum errichtet, blickte Alex nicht nach. Kaum war die Tür zugeschlagen, sank Daisuke in sich zusammen und vergrub seinen Kopf in den Armen. Was war nur los mit ihm? Eigentlich sollte er sich glücklich schätzen, dass er Alex hatte. Nicht jedes Sacrifice oder Waffe hatte das Glück, seinen Partner noch zur Schulzeit zu treffen, auch wenn sie bereits über dem Durchschnittsalter lagen.

„Tari ... was hast du nur mit mir gemacht?“ Der Satz entfloh Daisukes Mund, bevor er die Tragweite des Ganzen begreifen konnte. Entsetzt riss er die Augen auf, doch schnell legte sich wieder jener verzweifelter Gesichtsausdruck auf sein Angesicht. Warum gerade jetzt? Warum gerade sie? Sie machte ihn verrückt, trieb ihn in den Wahnsinn, an den Rand der Verzweiflung, sie und ihre Situation. Doch, bei Gott, wie hätte er dies ändern sollen?


Wenigstens ein glückliches Lächeln konnte man an diesem Abend sehen, als Misaki Takuya in der Schule der Waffen herumführte. Er war nach seiner Anmeldung beim Direktor gleich als 'Lightless' registriert worden und sollte anstelle Taris in Misakis jetzigem Zimmer einquartiert werden. Misaki hatte auf dem Tisch von Ritsu-Sensei ebenfalls die Anmeldungen von zwei weiteren Teams am heutigen Tag gesehen; ihre Vermutung von Daisuke und Tari blieb noch unbestätigt, aber Misaki glaubte genug Gewissheit zu haben. „Ob es den beiden auch gut geht?“, schoss es ihr kurz durch den Kopf, und ihre Laune erhielt für einen winzigen Augenblick einen Dämpfer, und Takuya schaute sie für einen Moment besorgt an, ließ sich aber sonst nichts weiter anmerken. Als Misaki kurz vor der Kantine ihren Redefluss unterbrach, blieb er stehen und drehte sich zu ihr um.

„Auch wenn ich sie nicht kenne, irgendetwas ist doch mit ihnen, oder? Seitdem zu diese Registrierungsformulare beim Rektor gesehen hast, bedrückt dich irgendwas.“ Mit einem leisen Lächeln stand er vor ihr, und blickte seine Waffe an. „Geht es dir nicht gut?“
Misaki blickte zu ihm hoch, und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, doch gleichzeitig standen ihr die Tränen in den Augen. Wann hatte sich jemand das letzte Mal so um sie gesorgt? Auch wenn Tari sich immer um sie gekümmert hatte, so schien Takuyas Sorge ihr doch aufrichtiger als die von Tari. Sie spürte einfach, dass Takuya und sie etwas besonderes verband. Und so hielt sie nicht mehr. Sie fiel in Takuyas Arme. Dieser schloss sie, umarmte sie, während Misaki leise weinte. „Du bist nicht mehr allein.“, murmelte er, und streichelte Misaki beruhigend über den Kopf. Er sorgte sich nicht um seine Waffe. Er wusste, dass es Tränen der Freude waren, die um ihn vergossen
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