One day I'll fly away

Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Die Verzierung der Bäume

Kapitel 1- Die Verzierung der Bäume

Der Himmel war trüb und grau, die Sonne konnte man nur irgendwo am Horizont erahnen. Die Hügel waren nur noch kahl bewachsen. Das Gras wehte dünn und gelblich im Wind wie nach einer langen Dürrezeit im Hochsommer. Nur gelegentlich erblickte man noch einige Bäume oder sogar mal einen kleinen Wald. Doch gab es eigentlich keine Wälder mehr in dem Sinne, sondern vielmehr Gruppen aus abgestorbenen oder eingegangen Bäumen und Büschen. Sie hatten keine grünen Blätter oder Knospen mehr, selbst die Äste und der Stamm schienen eine andere Farbe zu haben, die anstatt eines Braunen leicht ins Schwarze hineinging.
Eine beängstigende Stille lag über diesem ausgestorbenen Land, kein Vogel zwitscherte sein fröhliches Lied, keine summenden Bienen, die der Natur dabei halfen zu erblühen. Kein einziges Tier tollte über Wiesen oder in den Wälder. Das ganze Land hatte die Atmosphäre einer dunklen Gruft, nie schien hier die Sonne und nie sah man den blauen Himmel am Horizont. Ständig erstreckte sich ein nebeliger Dunst über dem Land, der einen gelegentlich die Luft zum Atmen nahm, so hatte man das Gefühl.
Irgendwo in diesem düsteren Land säumten noch einige Bäume den Weg. Genau dort knieten oder kauerten einige Menschen in einer Reihe. Sie konnten nicht fliehen, sie konnten nicht fort, sie wurden bewacht; bewacht von Untoten.

Einer dieser Wachen schritt die Reihe dieser Menschenplage ab. Er hatte den Auftrag, wie die anderen Krieger seines Volkes, diese Menschen zu töten. Wie sie diese schwächlichen Wesen umbringen sollten, oblag ganz und allein ihnen. Sie hatten schließlich vor einigen Stunden beschlossen sich einen Spaß zu gönnen und einen nach dem anderen zur Strecke zu bringen. Es gab ja sonst nicht viel, womit man sich die Zeit totschlagen konnte!
Er schritt ganz gemächlich die Reihe der Menschen ab, ließ aber nur kurz seinen Blick über diese jämmerlichen Gestalten streifen. Stattdessen galt seine volle Aufmerksamkeit, dem Treiben seiner Kameraden. Diese machten sich einen Spaß daraus einen weiteren wehrlosen Menschen auf bestialische Art und Weise umzubringen. Gebannt schaute der Untote seinen Freunden weiter zu. Dabei wurde er unbewusst langsamer, bis er schließlich vor einem Mädchen oder vielmehr einer jungen Frau zum stehen kam.
Genauso wie die anderen Menschen kniete auch sie in dieser langen Reihe. Die Hände dieser jungen Frau, die den Namen Ailana trug, waren vor ihren Körper fest zusammen gebunden. Sie hatte den Kopf leicht gesenkt, ihre langen braune Haare vielen ihr dabei über die Schultern und verdeckten so leicht ihr Gesicht. Sie rümpfte leicht die Nase, als die untote Wache ausgerechnet genau vor ihr stehen blieb. Sie ekelten sie an! Sie verströmten einen barbarischen Geruch von Verwesung. Ihre Kleidung war löchrig und roch modrig. Einige hatten auch keine Haare mehr auf dem Kopf oder sie hingen ihnen nur noch vereinzelt und sehr strähnig herunter. Ihre Haut war leichenblass, bei anderen schimmerte sie sogar grün, grau oder bläulich. Nun, wie Haut könnte man die Fetzen die sie auf ihren Knochen trugen eigentlich gar nicht mehr nennen. Denn bei einigen war von dieser so genannten Haut eben nicht mehr viel übrig. Durch die löchrige Kleidung, die manchen sogar nur wie Lumpen vom Leib hingen, stachen vereinzelt beigefarbene Knochen hervor. Bei manchen sah man die Rippen, bei wieder anderen die Oberschenkelknochen.
Ailana blickte leicht auf und musterte angewidert die Wache. Bei diesem Untoten der direkt vor ihr stand, stach insbesondere seine Wirbelsäule unter seinen Lumpen hervor. Seine fettigen, zerzausten und doch recht wenigen Haaren hingen ihm relativ gleichmäßig vom Kopf. Sein faules Fleisch hatte sich über die Jahre gräulich verfärbt. Das Gesicht war leicht eingefallen und rund um seinen Unterkiefer bis fast zum Hals fehlte jegliche Haut oder Muskel, sodass man jeden seiner faulen Zähne sehen konnte. Ihr war es ein Rätsel wieso sein Unterkiefer nicht schon längst abgefallen war, von welchen Muskeln bitte sehr wurde der denn noch getragen? Seine Augen lagen tief ihn seinem Gesicht und waren fast komplett schwarz. Einer seiner knochigen und morschen Hände lag stets auf seinem Schwertgriff, als müsste er sich jeden Moment vor etwas verteidigen. Wie albern, als ob ihr Menschenvolk noch etwas ausrichten könnte!
Plötzlich lachte er, es klang als würde er ersticken, anscheinend gefiel ihm das Schauspiel welchem er die ganze Zeit zugesehen hatte. Ailana folgte nicht dem Blick des Untoten. Sie brauchte nicht hinzusehen, um zu wissen was dort schon wieder passiert war, am liebsten hätte sie ihn umgebracht, wenn er doch nicht schon tot gewesen wäre.
Der Untote setze schließlich seine Patrouille fort und schritt erneut gemächlich an der Reihe der Menschen entlang. Ailana wandte schließlich den Blick ab von diesem Monster und ihr Augenmerk richtete sich wieder zu ihrer Rechten.

Dort waren noch aberdutzend weitere Menschen wie sie kniend gefesselt. Manche weinten, einige beteten leise vor sich hin und wieder andere schauten starr in die Ferne, als wären sie bereits an einem besseren Ort. Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen bei diesem Anblick.
Ailanas Blick richtete sich kurz nach links. Vor einigen Stunden war dort ebenfalls noch eine lange Reihe voll kniender Menschen gewesen. Doch sie waren alle fort. Wie Schmuck hingen sie nun an den mittlerweile tot und dunkel aussehenden Bäumen. Bizarr. Irgendwann hatte sie ihren Blick von ihrer linken Seite zu ihrer rechten Seite gewechselt. Vielleicht weil auf der linken Seite ihr Tod immer näher rückte, denn die untoten Wachen schritten die gesamte Reihe der Menschen einer nach den anderen ab. Ohne Gnade walten zu lassen, egal ob jung oder alt, egal ob Frau oder Mann. Sie machten keinen Unterschied. Ihr Auftrag war einzig und allein die Menschenplage auszurotten.
Ab und zu hatte sie doch wieder zu der immer mehr verschwindenden Menschenreihe zu ihrer linken geschaut. Nur selten schaute sie dabei zu, wie wieder ein Mensch erhangen oder erstochen wurde. Vielmehr beobachtete sie den Mann neben ihr. Er war mittleren Alters und schien mit sich und seinen Leben abgeschlossen zu haben. Vollkommen mit allem im Reinen zu sein. Er hatte so einen friedlichen Gesichtsausdruck, er war vollkommen ruhig und gelassen. Er war im Geiste schon ganz abwesend und nicht mehr an diesem scheußlich schrecklichen Ort, voller Angst und Tod. Sie beneidete ihn um diesen Gemütszustand. Sie wusste nicht, ob er wirklich nicht mitbekam was um ihn herum geschah. Zu Anfang war er genauso wie alle gewesen. Unruhig, angsterfüllt und verzweifelt. Doch irgendwann, sie konnte nicht genau sagen wann, schien er wohl mit allem abgeschlossen zu haben. Er hatte jetzt schon seinen Frieden gefunden.
Plötzlich drang Ailana wieder der eigene Tod vor Augen und sie spürte einen heftigen Kloß in ihrem Hals. Auch die eigentlich sonst so beruhigende Anwesenheit des Mannes neben ihr, konnte nicht dieses beklemmende Gefühl in ihrem Inneren verhindern. Eigentlich hatte sie sich geschworen stark zu bleiben im Auge des Todes, keine Angst zu zeigen. Diesen Sieg wollte sie ihren Feinden nicht geben. Sie würde stark bleiben! Oder? Sie musste leider feststellen, dass ihre Entschlossenheit immer mehr bröckelte und das schon eine ganze Weile. Sie waren doch schon so nah Sie durfte doch Angst haben, es war ihr gutes Recht Angst zu haben! Sie würde doch schließlich sterben. Wer hatte da keine Angst? Sie fühlte den Drang laut zu schreien, zu fluchen, zu weinen und um ihr Leben zu betteln. Aber sie wusste es nützte nichts, es hatten schon so viele vor ihr versucht. Das hatte sie gehört, oh ja das hatte sie. Stunden lang!
Erschrocken stellte sie fest, dass die Untoten schon so nah waren und obwohl sie nicht wollte sah sie nun doch zu, wie der nächste Mensch aus der Reihe gerissen wurde. Sie konnten ihren Blick nicht davon abwenden. Sie fühlte sich so elend. Es war fast so, als sähe sie ihren eigenen Tod, denn schließlich würde sie auch so sterben.
Es war ein junger Mann. Dieser hatte die ganze Zeit leise vor sich hingesprochen, wahrscheinlich ein letztes Mal gebetet. Er wurde auf seine wackeligen Beine gestellt und zu einem der nahe gelegenen Bäume am Wegesrand geschleppt. Er wehrte sich nicht und doch fasste einer der Wachen ihn sehr grob im Genick, während der andere ein Seil über einen der Äste manövrierte an dessen Ende eine Schlinge befestigt war. Schließlich zog der Untote der dem jungen Mann grob im Genick gepackt hatte die Schlinge über seinen Kopf und legte diese eng an seinen Hals an. Keine Sekunde später zog die andere Wache an dem Seil und der junge Mann wurde mit einem Ruck in die Luft gezogen. Das andere Ende des Seils wurde am Baumstamm befestigt, sodass der junge Mann drei Meter über dem Boden schwebte. Er würgte, zappelte und war in den letzten Augenblicken wohl lebendiger, als die vergangen Stunden verharrend in der Reihe. In der Reihe des Todes.
Während durch seinen Körper das Leben immer schwächer zuckte, wandte sich der Untote der dem jungen Mann noch gerade eben die Schlinge um den Hals gelegt hatte, sich seinem nächsten Opfer zu. Das nächste Opfer in der Reihe


- Ein kleines Mädchen…

Sie waren nicht mehr weit entfernt von Ailana, bald war sie an der Reihe. Bald war es Zeit für sie zu sterben. Ihr Körper zitterte schon seit Stunden, doch umso näher sie kamen so glaubte sie, umso mehr zitterte ihr Körper. Wahrscheinlich bildete sie sich das nur ein, doch das flaue Gefühl in ihrer Magen wurde immer größer. Und sie waren schon fast da! Bald war es vorbei, bald war alles vorbei!
Ihre Gedanken rasten wie wild durch ihren Kopf.

Das kleine Mädchen weinte, als die Wachen sie zu dem nächsten Baum schleiften.

Es wurde immer schlimmer, sie konnten keinen klaren Gedanken mehr fassen.

[i]Das Mädchen schlurzte erbittert
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