Quiila

Eistod

Quiila

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„Großmutter, wo gehst du hin? Lässt du mich allein?“
„Quiila, die mit den Geistern sprechende, beruhige dich. Ich habe ein Treffen.“
„Aber mit wem? Und wie lange wirst du wegbleiben?“
„Nicht lange, mein Kind, es muss sich nur ein Versprechen erfüllen...“

„Großmutter! Großmutter! So lange suche ich dich jetzt schon im Eis dieser Landschaft, ich habe schon Frostbeulen! Großmutter, wo bist du? Jetzt bist du schon seit Tagen fort...“

Eine Wand aus gläsernem Eis. Wo bin ich? Ich bin ganz allein. Unter mir ist kein Boden, über mir keine Decke, hinter mich kann ich nicht schauen, vor mir der Spiegel, er zeigt mich, allein. Lege meine Hand darauf, schmilzt die Stelle, doch die Wärme meiner Hand wird ausgesaugt. Ich will sie zurückziehen, doch ich bin daran fest, Kühle steigt durch sie in meinen Körper.
„Hörst du mich, Kleine? Kannst du mich verstehen?“
Die Stimme ist eiskalt, kommt von hinter der Wand, ein Hauch in Minusgraden, frostklirrend und beißend hallt mir jedes einzelne Wort in den Ohren, gefriert meine Glieder, mein Denken.
„Bist du traurig? Warum bist du hier denn so einsam?“
Ich zittere angsterfüllt am ganzen Leib, vor Angst und vor Kälte, ich weiß nichts, gar nichts, lass mich allein!
„Oh... armes kleines Mädchen. Ganz verwirrt... Soll ich dir helfen?“
Die Stimme spricht Worte ohne Gefühl, lieblos, abweisend, bitterkalt.
Kalt, kalt, ich friere! Ich spüre meine Glieder nicht mehr, mein Verstand vereist, wieso? Wieso folterst du mich? Willst du mich betäuben? Wofür? Bitte lass mich in Frieden... bitte...
„Kind, unschuldiger Spross. Lass mich dir helfen, wehr dich nicht. Einsamkeit ist schlimmer, als das, was dich erwartet... Nimm meine Hilfe an... Ich kann sie dir nicht geben, ohne dass du sie ergreifst.... nimm!“
Der Eisteufel will mich, ich will nicht, ich will nicht, nein... Nicht Sterben, nicht Frieren...
Er zeigt sich nicht, spricht nur von hinter dem Eis, mein Arm ist erfroren, Eis bahnt sich den Weg zu meinem Korpus, fliest durch meine Venen, an meiner Haut entlang.
Die erreicht mein Gesicht, meine rechte Seite ist tot, in seinem Besitzt.
„Kleines, lass los, was kämpfst du noch? Möchtest du noch lange leiden?“
Panik macht sich in mir breit, Panik wärmt, doch der Frost entzieht alle Glut.
Sie kommt.
Sie kommt, die Gattin deines Herren, des Tods, die Gnädige.
Frau Ohnmacht, ich sehe sie im Spiegel, hinter mir frisst sich die Schwärze durch das Nichts.
Die Geliebte des Todes nimmt Schmerzen, die erlöst von Qualen. Mein Blickfeld ist dunkel, alles Schwarz, nur sie leuchtet.
Die Ohnmacht ist mir so nah, sie ist eine schöne Frau... Ihr pechschwarzes Haar ist nicht an Schwerelosigkeit gebunden... Ebenso sie selbst...
Bildhübsch, rabenschwarze Augen, man sieht nicht ihre Pupillen, es ist unendliches Schwarz... der Stoff ihres Kleides berührt mich, wo ich vorher nur Frost spürte, verfällt alle Empfindung. Ein wallendes Kleid, ewig lang, alles an der Ohnmacht ist schwarz.
Nur ihre Haut setzt sich ab, sie ist bleich, wie die der Toten.
Ohnmacht streckt mir ihre Hand hin. Soll ich sie nehmen?
„Verschwinde, Ohnmacht, dieser Mensch gehört mir! Ich will sie jetzt gleich!“
Die Stimme des Eisteufels ist hasserfüllt, er schreit.
Das Glas des Spiegels zerspringt, Scherben fallen auf mich, schneiden mir in die Haut.
Nun erscheint sein Gesicht, übergroß. Tausende Diamanten treffen auf Eis und Hass.
Schneidende Kälte nimmt wieder Überhand, ich umschlinge meinen Oberkörper mit meinem noch eisfreien Arm.
Die Ohnmacht sieht ihn an.
Er schaut bitterböse, verächtlich und doch ist ihre Person von höherem Rang.
Er will mich töten, bei lebendigem Verstand, doch sie nimmt mir die Qualen... Im Endeffekt lande ich doch bei Herrn Tod...
„Sie ist nicht dein, sie wird nicht sterben.“
Ihre Stimme umgreift alles, sie spricht, ohne ihre blassen Lippen zu bewegen, die Laute scheinen aus dem Off und Überall zu uns zu nahen. Das Eis an meinem Arm und meiner Seite schmilzt, doch alles Gefühl mit ihm, mein Körper ist nicht mehr, nur noch mein Geist.
Die Schwärze der Anwesenheit der Gemahlin des Todes umgibt mich, füllt mich, leert mich, ich höre nicht mehr, doch der weiße Tod scheint sehr erzürnt. Meine Gedanken werden schwer, langsam, verlieren sich in der Unendlichkeit, mein Blickfeld trübt, ich schließe die Augen und falle ins...

Nichts.


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