Eri Kisaki und Kogoro Mori - ein Tribut an Takahashi?

Parallelen

Eri Kisaki und Kogoro Mori – ein Tribut an Rumiko Takahashi?

‘To be, or not to be, that is the question’
(Hamlet III, 1)




„Der Zauber der ersten Liebe liegt in der Unwissenheit, dass sie jemals enden könne.“ Die erste Liebe im Sinne der ernsthaften Zuneigung zweier Menschen zueinander stellt oftmals einen schwerwiegenden, prägenden Einschnitt im Leben eines jungen Menschen dar. Selten endet sie glücklich, häufig dafür mit dem zum ersten Mal erfahrenen Schmerz eines gebrochenen Herzens. Die erste Liebe zu einem Sachverhalt endet hingegen in den seltensten Fällen, obgleich der Mensch dem fortwährenden Wandlungsprozess seiner Wahrnehmung, seiner Einstellung gegenüber der Welt und seines Charakters unterliegt. Was macht diese Art der Liebe also so besonders? Zwar eignet sich eine Person im Laufe der Zeit verschiedene Ansichten an, doch mit dieser Persönlichkeitsentwicklung geht stets die Selbstreflexion einher, die den Menschen, bewusst oder unbewusst, insofern beeinflusst als dass prägende Erlebnisse in die Entwicklung mit eingebettet werden – und was ist prägender als die erste Liebe? Der erfolgreiche Manga „Ranma ½“ von Rumiko Takahashi war meine erste Liebe zu einer Sache, doch auch der Erfinder des Sherlock Holmes unserer Zeit, Gosho Aoyama, scheint diese prägende Liebe mit mir zu teilen, denn in seinen Charakteren spiegeln sich die Hauptcharaktere des Mangas Ranma 1/2 wider.

Eri Kisaki ist die Mutter von Ran Mori, der besten Freundin des Hauptcharakters Shinichi Kudo beziehungsweise Conan Edogawa, und eine höchst erfolgreiche Anwältin. Ihren Erfolg verdankt sie ihrem Scharfsinn und ihrer Härte, doch auch ihre bedingungslose Liebe zu ihrer Tochter und die versteckte Zuneigung zu ihrem Ehemann, von welchem sie sich vor zehn Jahren getrennt hat, muss erwähnt werden. Aufgrund der relativen Unwichtigkeit dieses Nebencharakters ist nicht viel mehr über sie bekannt, denn während des Handlungsverlaufes tritt sie nur in wenigen Folgen/Kapiteln in den Vordergrund. Ihr Ehemann, Kogoro Mori, ist als antithetischer Gegenspieler und damit als starker Kontrast zu sehen. Er ist ein sehr wichtiger Charakter und trotz seines Berufes als Privatdetektiv und seiner früheren Ausbildung zum Polizisten wirkt er oftmals wie ein naives Kind und wird aufgrund seiner Unfähigkeit, selbst einfachste Fälle zu lösen, zu Beginn des Mangas als erfolgloser, dem Alkohol nicht abgewandter, dennoch im höchsten Maße eingebildeter, von sich selbst überzeugter Privatdetektiv dargestellt. Doch auch er liebt seine Tochter von ganzem Herzen, will sie vor allem Übel beschützen und ist sogar eifersüchtig auf ihren Freund Shinichi Kudo. Trotz wiederholter Zuneigungsbekundungen von und an verschiedene Frauen liebt er seine Ehefrau, kann dies aber nicht offen zeigen und ruiniert damit romantische Momente in einer unfreiwillig komischen Art. Bereits hier lassen sich erste Parallelen zu den Hauptcharakteren Ranma und Akane erkennen. Die Erbin der Kampfschule ist eine erfolgreiche, beliebte und intelligente Schülerin, die ihrer Familie liebt und eine unbestreitbare, grenzenlose Zuneigung zum Protagonisten und Namensgeber des Mangas entwickelt, die sie jedoch aufgrund ihrer Sturköpfigkeit nie oder nur selten zeigen kann. Ihr Verlobter – die Verlobung ist bereits vor der Geburt der beiden von ihren Vätern ausgehandelt worden – wirkt, obwohl er ein erfahrener Kampfsportler ist, gleichsam wie Mori oftmals naiv, doch ist sehr eingebildet und überzeugt von seinen Fähigkeiten. Trotz zahlreicher anderer Verlobter und Verehrerinnen, empfindet auch er eine tiefe Zuneigung gegenüber seiner Verlobten, die sich im Verlaufe des letzten Kampfes des Mangas äußert, die er wegen seiner Schüchternheit und Unerfahrenheit aber nicht aussprechen kann.

Des Weiteren ist der Verlauf der Ehe beziehungsweise der Beziehung eine wichtige Komponente der Bestimmung der Ähnlichkeiten. So werden im zweiten Film von Detektiv Conan, „Das vierzehnte Ziel“, fortwährende Streitigkeiten und unüberwindbare Differenzen als Trennungsgrund von Kogoro und Eri genannt und im Abspann schließlich die miserablen Kochkünste von Eri als Grund für einen neuerlichen Streit und die folgende Trennung beschrieben. Genau wie die Charaktereigenschaften lässt sich der Beziehungsverlauf als weitere – obgleich antiprotagonistisch, antiklimatisch verlaufende – Parallele anführen: die Beziehung der beiden Protagonisten ist von vielen Streitigkeiten, Uneinigkeiten und letztlich sogar Trennungen geprägt, die jedoch, im Gegensatz zu Detektiv Conan, nie lange anhalten. Und genau wie Eri Kisaki kann auch Akane Tendo nur bescheidene Kochkünste vorweisen.

Als letzter Punkt der Ausführung lässt sich die Zahlensymbolik in Aoyamas Werk anführen. So verwendet er die Zahl 10, welche die Zeit der Trennung der beiden Charaktere bestimmt, möglicherweise nicht zufällig sondern vielmehr bewusst. Gemäß dem Prinzip von Sherlock Holmes: „Wenn alle anderen Möglichkeiten ausscheiden, muss das, was übrig bleibt, und sei es auch noch so unwahrscheinlich, die Wahrheit sein“, scheint die pytagoräische Numerologie den Zusammenhang zwischen den beiden erfolgreichen Werken darzustellen. Der Tetraktys folgend, ergibt die Gesamtheit der ersten vier Zahlen die Summe 10, die Zahl der alles umfassenden, heiligen Vollkommenheit, dem Zentrum der Harmonie. Die Zahl 4 symbolisiert hierbei die Anzahl der Personen, welche die beiden so parallelen Paare ergeben, wohingegen die Zahl 10, die Summe aus den Personen, symbolisch die Trennungszeit, tatsächlich aber die Harmonie im Gesamtwerk widerspiegelt, denn da dichotome Charaktere einander zwangsläufig hervorrufen, kann Harmonie beziehungsweise Vollkommenheit nur durch beide Seiten ein- und derselben Münze hergestellt werden. Ebenso zeigen die Bestandteile der Zahl 10, nämlich 1 und 0, jene Harmonie. Der Zahl 1, dem Anfang, wird das Nichts, die 0, vorangesetzt, denn ohne das Nichts gibt es keinen Beginn. Diese Kombination des Beginns und Endes, des Seins und Nichtseins, führt die Betrachtung der Paare auf eine metaphysische Ebene alles Seins, auf der sich auch Hamlet wiederfindet. Ist das Sein dichotomer Paare notwendig, um ein harmonisches Meisterwerk zu schaffen oder ist die Tiefe eines solchen Gedankengangs des Schaffers lediglich ein Indiz für das Können des Autors, welches der Leser, bewusst oder unbewusst, honoriert, indem er das Werk des Autors schätzt?

Mit dieser Frage und einem kleinen Schlusswort, möchte ich mich verabschieden: nun sind dichotome Paare keine Seltenheit, tragen sie doch zur Unterhaltung des Lesers bei, indem sie sich gegenseitig bedingen und doch widersprüchlich sind, doch die Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen, denen die beiden oben dargestellten Paare unterliegen, sind augenscheinlich und können nur schwerlich als Zufall abgetan werden. Drückt Aoyama in seinen Charakteren einen Dank an ein Meisterwerk aus oder ist das Vorhandensein solcher Paare lediglich bei all jenen großen Autoren gleich, da es die Harmonie bedingt? Ich weiß es nicht und hoffe, dass es mir irgendjemand der Leser beantworten kann.
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