Alte Rechnungen

Jemand der mich kennt...

Langsam klärt sich Kaibas Sicht wieder. Auch die anderen können nun wieder gucken. Um sie her befindet sich keine Halle mehr, nicht einmal ein Gebäude. Sie stehen alle vier auf einer großen Wiese. Ihr nächster Blick geht hinüber zu Noah. Der junge Mann kniet auf dem Boden und atmet schwer. Sein Gesicht ist verschwitzt aber er hat wieder seine normale Gestalt. Nun wirft er Kaiba einen ängstlichen Seitenblick zu, dann schlägt er jedoch die Augen nieder.
„Was war das gerade, Noah?“, fragt Yami nun. Langsam und mit zittrigen Bewegungen kommt Noah wieder auf die Füße. „Es tut mir leid, Yugi!“, sagt er, „Als ich sagte, dass mein Programm bei der Fluch beschädigt wurde, war das nicht ganz die Wahrheit.
„Seto, du erinnerst dich sicher noch an dein letztes Duell mit unserem Vater. Du hast gesehen was aus ihm geworden ist. Nachdem ihr entkommen wart, bat Mokuba mich, dass ich mit euch kommen sollte. Wie gerne wäre ich seinem Angebot gefolgt, durch dich Yugi und deine Freunde habe ich endlich erfahren was Freundschaft ist.
„Doch ich hatte noch etwas zu erledigen. Ich wusste, dass Vater versuchen würde zu entkommen bevor das System in die Luft fliegen würde. Und wahrscheinlich wäre ihm das auch gelungen, doch das musste ich um jeden Preis verhindern. Er war ein Tyrann und nicht einmal seine Söhne waren vor seiner Grausamkeit gefeit. Ich durfte ihn nicht entkommen lassen!
„Also beschloss ich mein Programm mit seinem zu verschmelzen um ihn im Cyberspace festzuhalten. Und so sehr es mich auch anwiderte mit seinem kranken Geist in Berührung zu kommen, ich nahm das Risiko auf mich. Ich wollte wenigstens einmal etwas richtig machen. Etwas das meine schlimmen Taten ein wenig aufwog und mir die Chance gab, wieder etwas Achtung vor mir selbst zu haben.
„Doch als ich dann im letzten Augenblick vor der Explosion mein Programm in den Computer des Luftschiffes überspielte, sorgte die Explosion für eine Störung im Transfer. Dadurch wurde mein Programm unrettbar mit dem seinen verschmolzen.“ Eine Träne tritt Noah in die Augen. „Im Grunde ist sein Programm gar nicht mehr vollständig, er ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Alles was von ihm noch übrig ist, ist ein Haufen an Abfalldateien.
„Aber diese unzähligen Splitter und Fragmente seiner Persönlichkeit sind nun mit meinem Programm verschmolzen. Ich höre ununterbrochen seine hasserfüllte Stimme in meinem Kopf und diese kranken Gefühle die in ihm steckten, sind nun auch Teil von mir.
„In einem Punkt habe ich jedoch nicht gelogen, Yugi. Ich halte diesen Zustand einfach nicht länger aus! Diese andere Persönlichkeit in mir bringt mich fast um den Verstand. Ich muss mich wahnsinnig konzentrieren, damit er nicht die Oberhand über mich gewinnt. Es ist wie eine gespaltene Persönlichkeit nur tausendmal schlimmer!
„Deshalb habe ich versucht dich um Hilfe zu bitten, Seto. Wenn es möglich wäre mein Programm in einen künstlichen Körper zu überspielen, könnten möglicherweise die Abfalldateien herausgefiltert werden. Dadurch wäre ich ihn dann ein für allemal los und müsste nicht ununterbrochen seinen Hass, seine Verachtung und seinen Wahnsinn ertragen.“ Mit schmerzvollem Blick wendet Noah sich ab. Man merkt ihm an wie sehr er leidet.
„Das ist mal wieder typisch für dich!“, bemerkt Kaiba ungerührt, „Du erwartest wieder mal, dass dir alles zufliegt. Wenn es ein Problem gibt suchst du dir einfach irgendwen anders, damit er es für dich löst. Aber meine Antwort ist weiterhin Nein! Ich habe kein Interesse daran dir bei irgendetwas behilflich zu sein.“
„Kaiba!“, ruft Yami empört, „Wie kannst du nur so herzlos sein? Er hat sich geopfert, damit wir in Sicherheit sind. Du könntest ihm wenigstens deine Dankbarkeit zeigen.“ „Niemand hat ihn darum gebeten sich mit Gozaburo anzulegen“, er wendet sich wieder an Noah, „Wenn es nicht so geklappt hat wie du es dir dachtest, dann bist du selber schuld. Also versuche auch selber damit klar zu kommen!“
„Aber er ist doch dein Bruder und du hast deinen Stiefvater doch auch gehasst“, versucht Yami es erneut, „Warum willst du ihm dann nicht helfen.“ „Weil die Sache mich nichts angeht. Er hat das ganz alleine verbockt. Seinetwegen sind wir überhaupt erst in diese Lage gekommen. Was schulde ich ihm also? Und allein die Tatsache, dass er mein Bruder ist bedeutet noch gar nichts. Bruderschaft verpflichtet zu gar nichts. Sie ist vollkommen bedeutungslos!“
„Bedeutungslos?“, ertönt plötzlich eine helle Stimme hinter ihm, „Sagt das der selbe Seto, der in einen reißenden Fluss springt und unter Einsatz seines Lebens versucht, seinen kleinen Bruder zu retten? Oder willst du mir sagen, dass Mokuba inzwischen auch bedeutungslos geworden ist für dich?“
Kaiba fährt herum. Die Erscheinung der Feuerprinzessin ist verschwunden. Vor ihm steht eine junge Frau mit braunen Haaren. Sie trägt eine weite Jeanshose und ein bauchfreies, grünes Trägershirt. Ihre grünen Augen blitzen ihn energisch an und erwidern seinen Blick. Einen langen Augenblick bringt Kaiba kein Wort heraus. Verwundert mustert Yami ihn. Kaiba scheint durch den Anblick dieser Frau völlig aus dem Konzept geraten zu sein. Seine Fassade der Überlegenheit ist wie weggewischt und ist einer Mine der Beklommenheit gewichen. Sein Gesicht ist blass und offenbar kostet es ihn eine enorme Überwindung zu akzeptieren was er da sieht.
Nein, sie ist es! Kaiba ist innerlich aufgewühlter, als es nach außen den Anschein hat. Er hat diese junge Frau zwar schon seit Jahren nicht mehr gesehen und sie auch etwas anders im Gedächtnis, aber er hat sie dennoch sofort erkannt. Hier sieht er das junge Mädchen von damals in der Frau vor ihm wieder, und im gleichen Moment steigen wieder all die Emotionen und Erinnerungen von damals in ihm hoch. Nie wieder! Er wollte nie wieder daran denken! Er hatte es sich geschworen und nun taucht dieses unheilvolle Phantom plötzlich wieder vor ihm auf. Warum? Warum nur muss er ihr gerade jetzt und hier wieder begegnen?
„Yuki!“, sagt er schließlich leise. Die junge Frau nickt schief. „Wie schön, dass du mich letztendlich doch noch wiedererkannt hast. Du magst ja ein wirklich kluger Kopf sein, aber in manchen Dingen bist du einfach erschreckend begriffsstutzig.“ Kaiba holt einmal tief Luft, dann strafft er sich wieder. „Du hast recht, mir hätte schon früher klar sein müssen, dass du da mit drin steckst, Yuki Atsumi! Solche hinterhältigen, kleinen Gemeinheiten sind schließlich genau dein Stil. Ich schätze mal, dass du für die kleinen Szenen aus meiner Vergangenheit verantwortlich bist.“
Atsumi verschränkt die Arme. „Das ist mal wieder typisch für dich, Seto!“, meint sie ernst, „Du kommst natürlich wieder gleich zur Sache. Ist dir unser Wiedersehen nach all den Jahren nicht einmal eine freundliche Begrüßung wert?“ „Du erwartest wirklich eine freundliche Begrüßung von mir?“, funkelt Kaiba, „Nach allem was gewesen ist? Träum weiter! Ich bin längst nicht mehr so jung, dass ich dich nicht durchschauen könnte.“
„Durchschauen?“, fragt sie ernsthaft, „Da gibt es nichts zu durchschauen. Du weißt doch genau so gut wie ich, dass alles was du bisher hier gesehen hast, so niemals passiert ist!“ Kaiba schaut sie verächtlich an: „Versuch es erst gar nicht! Man hat mir heute schon genug Lügen und Märchen aufgetischt. Dieser plumpe Versuch mir etwas einzureden ist der reinste Witz! Nur weil ich keinen Grund sehe mich an meine Vergangenheit zu erinnern, bedeutet das nicht, dass ich es nicht könnte! Und ich weiß hundertprozentig, dass es genau so passiert ist!“
„Wenn du dir so sicher bist, dann bleibt noch immer die Frage warum du behauptest Bruderschaft währe bedeutungslos?“, gibt Atsumi zurück. Doch Kaiba geht nicht darauf ein. „Was hast du eigentlich mit diesem digitalen Jammerlappen zu schaffen“, will er wissen. „Ganz einfach“, erklärt sie, „Er hat mich um Hilfe gebeten und als ich erfuhr, was du mit der Sache zu tun hast, habe ich mich gerne bereiterklärt ihm zu helfen.
„Als Gegenleistung hat er unserem Programm ein wenig unter die Arme gegriffen. Eigentlich ist er gar kein übler Kerl und erstaunlich talentiert. Es wäre wirklich ein Jammer ihn zu verlieren!“ Kaiba schnaubt verächtlich. „Und mir wirfst du vor herzlos zu sein. Also wenn das kein berechnender Gedanke ist! Und ausgerechnet du willst mir hier einen Vortrag über Mitgefühl und Brüderlichkeit halten? Dass ich nicht lache!
„Du hast dich wirklich kein bisschen verändert. Es erstaunt mich wirklich, dass man jemandem wie dir die Leitung der Forschungsabteilung anvertraut hat. Aber wahrscheinlich hast du dir auch diesen Posten einfach unter den Nagel gerissen, ohne Rücksicht auf irgendwen. Aber du hast ja noch stets bekommen was du wolltest, nicht wahr? Sag schon, seit wann arbeitest du für Gigatech?“
Atsumi reckt sich, dann macht sie einen Schritt auf ihn zu. „Für sie arbeiten?“, meint sie belustigt, „Du machst mir Spaß! Das ist meine Firma! Ich bin ihr Präsident.“ Diese Neuigkeit überrascht Kaiba nun doch. „Die Firma gehört dir?“, fragt er erstaunt.
„Ganz recht!“, bestätigt sie, „Auch ich musste hart dafür arbeiten. Dieses kleine Unternehmen aufzubauen hat mich Tage voller Plackerei und Nächte ohne Schlaf gekostet, aber es war die Mühe wert. Glaub mir, auch für mich war das kein Zuckerschlecken, aber ich habe es geschafft, ganz alleine! Im Grunde sind wir beide uns also gar nicht so unähnlich.“
„Ich bin kein bisschen wie du!“, ruft Kaiba aus, „Komm bloß nicht auf die Idee dich mit mir zu vergleichen!“ „Du hast Recht!“, gibt Atsumi ernst zu, „In Wirklichkeit bist du noch viel schlimmer!“
Ärgerlich baut sie sich vor Kaiba auf. „Mein Vater war ein guter Geschäftsmann. Er
Suche
Profil
Gast
Style