Unverhofftes Wiedersehen

Wenn Erinnerungen zurückkommen

Klare Worte

Der Anblick der Stadt aus dem Himmel war gigantisch und so schön, dass sich Chihiro am liebsten von ihrem Sattel gelöst und sich fallen gelassen hätte. Sie liebte es zu fliegen, sie genoss jede vergangene Minute und Sekunde. Doch schnell wurde sie aus ihren Gedanken geholt, als sie eine Stimme in ihren Gedanken hörte. Es war Haku! Unwillkürlich sah sie zum Drachen hinunter, der versuchte eine Konversation mit ihr aufzunehmen.
„Chihiro, kannst du mich hören?“
Sie überlegte, ob sie ihm antworten sollte und entschied ihn zappeln zu lassen – aus purer Schadenfreude.
„Antworte mir! Ich habe deine Gedankenprozesse mitverfolgt!“
„Ja ja“, gab diese dann endlich nach. Sie drehte sich kurz zu Yusuke um, der sich von hinten an sie klammerte. Er hatte schreckliche Höhenangst und kniff deshalb die ganze Zeit seine Augen zu. Irgendwann jedoch schlief er ein, sodass Chihiro seine Hände an ihrem Bauch festhalten musste. Es war ein recht amüsanter Anblick, da sich Yusuke unabsichtlich an Chihiros Rücken anlehnte.
Nun wandte sie sich wieder zu Haku.
„Was willst du?“
„Ich….ich will mit dir reden.“
„Und warum?“
„Es ist doch offensichtlich, dass du sauer auf mich bist. Etwa wegen meiner Freundin?“
„Ich bin gar nicht sauer auf dich….nur einwenig…enttäuscht…..das ist es…..“
„Weil ich mein Versprechen nicht einhalten konnte?“
„Ja.“
Es war für Chihiro, als ob Welten zwischen ihnen lagen. Nichts was er sagte, erreichte sie auf irgendeiner Art und Weise. Sie verstand einfach nicht wieso er sich nicht an sein Wort gehalten hatte, sondern sie nur aufsuchte, weil er Probleme in seiner Welt hatte. Ja, man konnte sagen, dass sie was anderes erwartet hat. Hinzu kommt noch, dass er ihr unverhofft von seiner Freundin erzählt hatte. War das nicht Grund genug sauer zu sein. Und nun bemerkte sie selbst, dass sie das Wort „sauer“ in den Mund genommen hat – oder doch eher eifersüchtig?
„Ich habe es doch gewusst….“, drang Hakus Stimme wieder in ihren Kopf.
Verdammt! Sie hatte völlig vergessen, dass er ihre Gedanken hören konnte! Jetzt wusste er alles! Aber….sie wollte sich doch von ihrer kalten Seite zeigen lassen.
„Unglaublich, dass du das versucht hast, Chihiro.“
„Na und?...Ich hatte einen Grund dafür!“
„Erzähl mir, was ich in den letzten Jahren alles verpasst habe!“
Unglaublich wie er einfach dreist versucht hat das Thema zu wechseln. Alles hat er verpasst! Alles! Wie sie sich zurechtfinden musste, wie sie mit dem Tod ihres Großvaters umgehen musste, wie sie ihre Freunde kennen gelernt hatte, wie sie sich in Yusuke verliebt hatte. Alles!
„Es tut mir leid.“ Trauer lag in seiner Stimme.
„Und wieso hast du dein Versprechen nicht eingelöst?“
„Ich wollte es ja tun, jedoch konnte ich nicht in einer Welt leben, in der ich nicht ich selbst sein konnte. Ich bin der Schüler von Zinaba geworden, habe Airi kennen gelernt und habe mir ein eigenes Leben aufgebaut. Du wirst staunen, wenn du siehst was ich alles kann!“, sagte er voller Vorfreude.
„Ich freu mich auch schon darauf.“ Ein Lächeln zeichnete sich auf ihren Lippen ab. Man konnte sagen, dass sie wieder im Reinen mit ihm war. Obwohl sie schon ein weinig stutzen musste, darüber wie schnell sie sich doch wieder vertragen haben.
„Erlaubst du mir, dass ich mir all deine Erinnerungen an Yusuke ansehe? Ich will wissen, was für ein Mensch er ist.“
„Warum fragst du? Meine Gedanken kannst du doch auch schon hören.“
„Für diesen Zauber brauche ich das Einverständnis des „Opfers“.“
„Ja gut, meinetwegen.“
Plötzlich wurde Chihiro schwarz vor den Augen. Sie musste sich ihren Kopf stützen. Auf einmal wurde ihr so schwindelig, dass sie nicht mehr wusste, was mit ihr geschah. Sie bemerkte nur noch wie sie immer müder wurde. Es wurde dunkel um sie herum.
Als sie wieder aufwachte, sah sie zuerst das besorgte Gesicht von Yusuke über ihrem eigenen. „Chihiro, kannst du mich hören? Chihiro!“ Aus Panik bekam er rötliche Flecken auf seinen Wangen. Es schien, als ob er die ganze Zeit, in der sie ohnmächtig war, nicht von ihrer Seite gewichen ist. Zärtlich streichte er ihr eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht. Sie versuchte sich aufzusetzen, doch er drückte sie sanft zurück ins Kissen. Sie konnte erkennen, dass er rote Augen hatte und fragte sich unwillkürlich wieso er so wütend gewesen war, was sie als Grund für seine geplatzten Äderchen im Auge deutete.

~Flashback~
Haku wusste, dass sie ihr Bewusstsein nach der Anwendung des Zaubers verlieren würde. Deshalb zauberte er Gurte an die Sitze seiner schlafenden Passagiere, damit sie nicht aus ihren Sitzen fallen konnten. Fast gleichzeitig sah er sich dabei in Chihiros Erinnerungen Yusuke an. Nun wusste er alles über ihn. Und er hatte den leisen Verdacht, dass Yusuke seine Chihiro nur ausnutzte. ‚Es ist doch eindeutlich, dass er Chihiro nur als Tamao-Ersatz sieht!’
Als sie landeten, wurde Yusuke grob von Haku geweckt. Noch mit Schlaf in den Augen, stand er nun Haku gegenüber und musste ihm Rede und Antwort stehen.
„Wieso hast du Chihiro gefragt, ob sie deine Freundin sein möchte?“
„Weil ich sie mag?“
„Aber deine Tamao magst du doch viel mehr!“
„Woher willst du das wissen?! Sie ist für mich kein Ersatz für Tamao!“
„Das habe ich auch nicht gesagt.“ Hakus Augen formten sich zu Schlitzen. „Ich habe es nur gedacht, aber es nicht ausgesprochen.“ ‚Menschen sind so berechenbar!“, dachte sich Haku währenddessen.
„A…..Aber ich mag sie wirklich…...“, stammelte Yusuke hervor.
„Ja, ist möglich, dass du sie MAGST. Aber du liebst sie nicht – nicht so wie ich es tue!
Ich weiß, wie sehr sie dich liebt, wie viel du ihr bedeutest bzw. bedeuteste. Doch du hast ihre Gefühle mit Füßen getreten, in dem du dich für ein anderes Mädchen entschieden hast. Weißt du überhaupt wie du ihr Herz förmlich zerrissen hast?!“
In Yusukes Bauch sammelte sich nun langsam Wut an „NEIN! Weiß ich nicht! Und im Gegensatz zu dir lebe ich nicht in der Vergangenheit, sondern im Hier und Jetzt. Und wenn du mir noch einmal zu unterstellen versuchst, dass ich sie nicht aus ganzem Herzen mag und zu lieben beginne, dann wirst du den nächsten Tag nicht mehr erleben! Hast du verstanden?! Ich will wirklich keinen Ärger oder Streit mit dir haben, deshalb bitte ich dich mich und Chihiro einfach unsere Gefühle ausleben zu können.“
‚Erstaunlicher Junge…’
„Nun gut, Yusuke. Ich sehe ein, dass deine Gefühle für sie echt sind. Doch sollte ich sehen, dass du ihr Herz noch einmal brechen solltest, gilt für dich dasselbe, was du vorhin zu mir gesagt hast.“ Haku hielt ihm seine Hand hin. „Freunde?“, sagte er daraufhin zu Yusuke, welcher ohne zu zögern einschlug. „Ja.“
~Flashback-Ende~

Nun trat auch Haku ans Bett heran und legte Yusuke seine Hand auf die Schulter. „Ich habe doch gesagt, dass sie aufwachen wird.“
„Ja, du hattest Recht.“ Besorgt sah Yusuke nun wieder zu Chihiro, die ihn neugierig begutachtete. „Was ist passiert?“, fragte diese jetzt einwenig aufgebracht.
„Ich habe euch in die Welt der Geister und Götter gebracht. Und ihr seid auf dem Flug hierher eingeschlafen. Wir befinden uns nun in meinem kleinen Haus. Ruht euch erst einmal aus. Danach können wir dann reden.“
Gesagt, getan. Kurzerhand legte sich Yusuke neben Chihiro ins Bett und umarmte sie dort. Er konnte einfach nicht vergessen, was Haku zu ihm gesagt hatte. Dass er doch Chihiro viel mehr mag und sogar liebt, das konnte unmöglich sein, da Yusuke ja miterlebt hatte, wie Haku Chihiro naiv von seiner Freundin erzählte. Hieß das dann nicht, dass Haku seine Freundin gar nicht liebte, sondern dass sie nur ein billiger Ersatz für Chihiro ist. Bei diesen Gedanken wurde ihm unwohl. Denn was wäre, wenn Haku versuchen würde ihm Chihiro auszuspannen? Musste er wirklich einen Konkurrenten in Haku sehen?
‚Wie süß….’, dachte sich Chihiro als Yusuke seine Arme im Liegen um sie schlang. Sie strich ihm durch die Haare, welche passend zum Trend aus Korea etwas länger gewachsen und in einem Braun-Ton gefärbt waren. Und jetzt war er ihr Freund. Wie lange hatte sie sich diesen Moment gewünscht. Und nun ist es nicht nur ein Traum, sondern Realität – einem Traum, aus dem sie niemals wieder aufwachen wird.
Währenddessen hat sich Haku in einer Ecke seiner kleinen Hütte zurückgezogen, aus der er in alten Büchern sich Zauberformeln raussuchte und das Turteltaubchen beobachtete. Sie schienen glücklich miteinander zu sein. Er erinnerte sich an die Momente, an die Tage und Monate, in denen seine Sehnsucht nach Chihiro ihn auffraß. Und nun war sie ihm so nah, aber so fern. Sie hatte sich einen anderen Mann ausgesucht. Es tat ihm im Herzen weh, sie so zu sehen – mit einem fremden Menschen an ihrer Seite. Durch ein Klopfen an seiner Haustür wurde er aus seinen Gedanken geholt.
Als er aufstand, bemerkte er, dass Chihiro und Yusuke nicht mehr im Bett lagen, sondern sich an den Essentisch gesetzt haben, wo sie sich munter unterhielten und zwischendurch Grimassen zogen.
Vor der Tür stand ein bildschönes Mädchen vor ihm. Sie hatte lange schwarze Haare, die zu einem losen Zopf zusammengebunden waren. Sie war sehr schlank und recht groß, doch angesichts der Tatsache, dass Haku selbst auch nicht gerade der Kleinste war, relativierte sich die Größe des Mädchens wieder. Sie trug einen schlichten Kimono mit einem zarten Blumenmuster. Außerdem fielen ihre großen Augen auf mit den langen und geschwungenen Wimpern. Ihre Lippen waren voll und ihre Wangenknochen hoch. Alles zusammen konnte man sagen, dass sie das schönste Mädchen war, das er jemals kennen gelernt hatte – doch auf eine gewisse Art und Weise, die er sich selbst nicht so recht erklären konnte, fand er Chihiro hübscher. Im Gegensatz zu dem wunderschönen Mädchen, sah Chihiro jugendlicher,
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