Dämonenschatten

Prolog

Die Hauptstadt war ein friedlicher und schöner Ort, der sich von den Schrecken der Welt ins lächerliche distanziert hatte. Das Leben verlief ruhig, auch wenn anderorts die Menschen litten, waren hier die Feste so berauschend wie eh und je. Die Stadt blühte in einer Pracht wie sie ihres gleichen suchte, jedes Gebäude war gepflegt, der Adel achtete penibel darauf, dass ihre Häuser das widerspiegelten was sie zu sein versuchten.
Selbst einfache Bauern, waren keine einfachen Bauern, wenn ihre Wurzeln aus der Hauptstadt stammten. Die Welt drehte sich um die Hauptstadt, sie war das Ziel für jeden der etwas aus sich machen wollte, sie war das Ziel für all die Menschen die Status und Oberflächlichkeit über alles stellten und es überraschte Ciel kein bisschen, das sich in dieser Hochburg an Eitelkeit, ganz langsam sich Panik ausbreitete und den Glanz verdunkelte. Mit jedem neuen Toten wurden die Gerüchte mehr und die Angst größer.

Langsam öffnete Ciel die Augen, die Sonne schien ihm direkt ins Gesicht und brachte ihn dazu die Hände vors Gesicht zu nehmen. Verschlafen richtete er sich auf und starrte in die leere Kammer.
Er rieb sich müde die Augen und blickte kurz zur Morgensonne, die zum kleinen Fenster rein schien und ihn daran erinnerte, dass es schon viel zu spät war.

Hastig kleidete Ciel sich an. Er hatte schon wieder die Zeit übersehen. Er nahm mehrere Stufen gleichzeitig und ließ die letzten komplett aus, nahm seinen Schwung mit, grüßte am vorbei schlittern seine Mutter, die mit gerunzelter Stirn ihm wortlos nachblickte. Sie schien schon auf ihn gewartet zu haben. Er hasste es, wenn sie das tat und war er nicht schnell genug an ihr vorbei, ermahnte sie ihn jedes Mal er solle keinen Unsinn anstellen und das tun, was man von ihm verlange, da er doch auf dem besten Wege war sich bei dem mächtigsten Adelsgeschlecht der Stadt Freunde zu machen. Er wusste wie viel es seiner Mutter bedeutete, dass sie dann endlich zu den besseren Adelshäusern Zugang hätten. Ciel konnte sich aber nicht dazu durchringen ihre Freude zu teilen, denn er hatte es satt, immer den Handlanger zu spielen und den feinen jungen Herren dabei zu helfen ihre Langeweile tot zu schlagen.

Ciel Suede hastete durch die Gassen, hielt kurz am Stand der alten Ulla an, die ihm verstohlen, damit ihr eifersüchtiger Mann es nicht sah, einen kleinen Laib Brot zusteckte und ihn ermahnte, die Schuberstraße zu meiden, denn da hätte es diese Woche drei Kranke gegeben. Ciel bedankte sich und spurtete weiter, hin zum Nebentor des Palastdistriktes. Sein Weg führte vorbei an all den schmuckvollen Gebäuden, hin zum großen Platz mit dem prachtvollen Springbrunnen, wo sonst immer auch morgens die Damen sich trafen. Doch seid kurzem war der Platz gespenstisch leer.
Seit es die ersten Toten unter dem Adel gab. Esther hatte Ciel von einer Hofdame berichtet, die auch an der seltsamen Krankheit litt. Sie meinte es würde nicht gut um sie stehen. Esther hatte furchtbare Angst, aber Ciel hatte andere Dinge im Kopf.

Nicht nur er litt unter dem strengen System am Hofe, er war nicht der Einzige, der in diesen Kreisen als Dienstbote mit Rang und Namen geduldet wurde. Esther war ein tolles Mädchen und Ciel würde sie ganz klar als eine Schönheit bezeichnen, sie teilten ein Schicksal. Beide hatten sie es ihren Vätern zu verdanken, trotz adeligem Blutes nur ein besseres Dienstboten Leben zu führen. Esther arbeitete als eine der Zofen am Hofe und lebte auch dort. Sie hatte keine andere Bleibe mehr. Wie gewohnt traf er den jungen Herrn Wals von Ohlsorf bei den Ställen. Der blonde Hüne winkte Ciel zu sich.
"Heute Nachmittag wollen wir jagen gehen" Meinte er bestimmt und Ciel nickte. "Ich werde alles vorbereiten"
Wals winkte ab und musterte seinen Hengst. Er galt als bestes und wildeste Tier am Hof. Nur Wals vermochte ihn zu zügeln.
Ciel beneidete ihn um seine Reitfähigkeiten. Er selbst konnte nur bedingt als Trainingspartner die Kampfkunst und auch die Reitkunst erlernen. Selbst so ein edles Tier zu halten, konnten sie sich nich leisten.
"Ich hab gehört" Begann Wals. "Dass Heilerinnen des Ordens hier her unterwegs wären, um beim Kampf gegen die Seuche zu helfen"
Ciel seufzte.
"Wer weiß, ob es wirklich so übel steht, wie alle sagen"
"Pah" Stieß Wals aus und reichte die Zügel seines Hengtes dem Stallmeister weiter. Er machte sich auf den Weg ins Haupthaus der Wache, wo sein Vater seine Räumlichkeiten hatte.
"Du hast keine Ahnung" Stieß er abfällig aus und ließ Ciel stehen. Er hatte keine Befungnisse ihm zu folgen.
Ciel schüttelte den Kopf. Alle waren sie in Panik, dabei wollte er nicht glauben, dass es so gefährlich sein sollte.

Die Äbtissin schritt die Stufen zum Hof hinab, ihre Kutte blähte sich vom kalten Ostwind.
„Alles bereit“ Meinte eine der Schwestern, die sich um die Pferde kümmerte.
„Wo ist sie?“ Fragte die Äbtissin mit scharfer Stimme.
„Hier“
Wie zu erwarten wurde die Schwester Amele von einer der Schülerinnen geführt. Die blinde Frau wirkte gefasst.
„Die anderen warten schon“ Meinte die Äbtissin gepresst. Sie hatte über die Heimkehrer keine Befugnisse, aber dies würde sich ändern. Spätestens ihre Nachfolgerin hätte ein leichteres Spiel, denn die Chancen standen schlecht, dass die starrsinnige Amele die nächste Herrin der Heimkehrer werden würde, wie es die jetzige Herrin wünschte.
Die Äbtissin warf den Segen über Amele und trat einen Schritt zurück. Pflichtbewusst half die Jungschwester der blinden Frau in die schmucklose Kutsche, in der bereits die anderen drei Schwestern warteten.
„Ihr seid spät“ Meinte die Älteste von ihnen. Amele kannte sie noch aus ihrer Zeit als Novizin.
Sie sparte sich eine Antwort zu geben. Auch wenn sie noch die Kutte trug, war sie kein Teil mehr der Schwesternschaft. Sie hatte ihre Pflicht erfüllt, als sie auf der anderen Seite diente. Ihr war klar, dass die Herrin nur der Äbtissin nachgab aus Angst vor den Launen einer alten, machthungrigen Frau. Die Heimkehrer durften in Frieden leben, sie hatten mehr für die Welt getan, als die anderen. Niemand konnte sie zwingen noch einmal gegen die Dämonen zu ziehen.


Amele hörte die leisen Atemzüge ihrer Mitschwestern. Soweit sie von der Herrin erfuhr, waren die anderen Schwestern alles samt Hochwohlgeborene, die Älteste eine der Verwalterinnen der Bibliotheken und direkte Anverwandte des Königshaus und die beiden anderen aus nicht minder gutem Hause. Soweit sie wusste, war die Schwester die zu ihrer rechten saß im Hospital tätig und die ihr Gegenüber eine Ausbilderin der Novizinnen. Allesamt waren sie weise Frauen, doch Amele gleich die Jüngste und aus niederer Herkunft, die einzige, die auf der anderen Seite war. Böse Zungen meinten oft, dass die adeligen Schwestern, auch noch so talentiert, niemals auf die andere Seite müssten, um ihren Dienst zu tun.


Die Geräusche und Gerüche waren fremd, Ameles Herz pochte schneller. Sie hatte seit ihrer Heimkehr das Dorf nicht verlassen und jetzt brachen die Eindrücke über der blinden Frau zusammen. Sie waren nach fast einem Tag in der engen Kutsche in der Hauptstadt angekommen. Pferde scharrten, Männer schrien durcheinander, Karren rollten über das Kopfsteinpflaster und Ameles Fingerknochen traten weiß hervor, so fest umschloss sie ihren Stab.
„Schwester“ Ermahnte sie die Stimme der Bibliothekenleiterin.
„Wir müssen weiter“ Amele verfluchte diese arroganten alten Weiber. Ihre Beine wollten sich einfach nicht bewegen, sie kannte dieses Gebiet nicht und die Schwester Oberin war nicht bereit ihr eine Novizin mitzugeben, die sie hätte führen können.
„Schwester“ Ermahnte sie die Stimme noch einmal eindringlicher. Es schien ihr unangenehm, dass alle wegen Amele warten mussten.
„Verzeiht“ Meinte sie gepresst und ertastete sich langsam den Weg.

Sie schloss die Türe hinter sich. Man hatte ihr einen Raum im Gästehaus zugeteilt, ihre Begleiterinnen waren wo anders untergebracht worden. Man machte auch als Schwestern des Ordens noch immer Unterschiede. Man teilte ihnen mit, sie könnten ein wenig rasten, bevor der Stadthalter sie sprechen wollte. Amele seufzte und begann langsam mit ihrem Stab das Zimmer abzutasten. Der Raum war klein und spärlich eingerichtet, was ihr nicht missfiel.
Es machte ihr die Orientierung leichter. Sie hasste es, ständig gegen Gegenstände zu stoßen.

An der Wand ertastete Amele ein kleines Fenster, sie öffnete es und lauschte. Draußen hörte sie zu viele Geräusche, um sie alle zu zuordnen. Schlaf konnte sie keinen finden, also versuchte sie die Zeit bis zu dem Treffen irgendwie zu überbrücken. Sie glaubte kaum, dass ihre Mitschwestern große Rücksicht auf ihre Blindheit nahmen, also musste sie sich an den Lärm und die seltsamen Eindrücke in dieser großen Stadt gewöhnen. Ohnehin gab es genug böse Zungen, die in den Heimkehrern Deserteure sahen. Amele erinnerte sich an die letzten Worte der Befehlshaberin der Festung. Sie legte jeder der schon völlig oder fast blinden Frauen die Hand auf die Schulter und bedankte sich und bat sie darum die gegebene Zeit zu nutzen. Jede von ihnen wusste, dass es nicht mehr lange sein würde. Amele konnte damals noch ein wenig sehen, was meist schon als Zeichen gedeutet werden durfte, dass gute Überlebenschancen bestanden und der innere Kampf gewonnen werden konnte. Ihr Augenlicht verlor sie erst am dritten Tag ihrer Heimkehr. Gerade noch lange genug, um noch ein letztes Mal Helligkeit wahrzunehmen.
Es klopfte an der Türe. Amele ließ das Fenster geöffnet und ertastete sich den Weg, um zu öffnen.

„Herrin“ Die Stimme klang jung. „Ich soll euch abholen“ Unsicherheit lag darin.
Amele seufzte und trat aus der Kammer. Sie hob die Hand. Ihr Gegenüber schien nicht so recht zu wissen, was sie tun sollte. „Ich brauche deine Führung“ Meinte
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