Der Leuchtturm

'Was hat die Welt nur aus unseren Mitmenschen gemacht ?'

Der Leuchtturm

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Es war Spätherbst. Schon längst waren alle Blätter von den Bäumen gefallen. Gefallen, um die Erde zu bedecken und zu beschützen von all dem Leid. Die Welt war grausam und kalt geworden. Die Menschen bekamen es nicht mit, wie alles grau und trist geworden war. Sie schauten nur zu, schauten weg.
Die Herzen der Menschen waren vernebelt. Sie konnten sich nicht freuen und glücklich sein. In ihren Köpfen drehte sich alles nur um Arbeit, Geld, Erfolg, Neid, Arroganz...
Die Gesellschaft war versteinert. Niemand kümmerte sich um andere. Jeder dachte an sich. Und wenn dann doch mal ein Gedanke um die Mitmenschen ging, dann war es nur einer, der plante wie man ihnen schaden konnte.

So bemerkte auch niemand die junge Frau, die unermüdlich nähte. Sie selbst vergaß die Welt um sich herum. Sie hatte nur ihre Arbeit im Kopf. Die Frau, die schon fast vergessen hatte, dass sie Ariadne hieß, nähte ein Kleid. Ein dunkles, vornehmes Kleid für eine Kundin. Es war ein sehr wichtiger Auftrag, denn sie würde viel Geld dafür erhalten.
Finanziell ging es Ariadne nicht gut. Sie war arm und lebte in der Hinterkammer des Ladens. Die Geschäftsbesitzerin ließ sie hier nur wohnen, da Ariadne gute Arbeit leistete. Sonst war sie auf sich allein gestellt.
Die junge Frau hatte keine Familie, Freunde. So etwas kannte sie nicht. Soweit sie sich zurück erinnern konnte, war sie schon immer allein, allein und verlassen.

Viele Menschen in der Stadt hatten das selbe Schicksal wie Ariadne. Trotz Arbeit steckten sie in tiefster Armut. Das arme Volk konnte sich nichts kaufen und die Reichen horteten das Geld. Die Wirtschaft war deswegen ziemlich angeschlagen. Wenn nicht gar tot.
Genau so sahen die Straßen aus. Kaputt.
Es war nichts los in der Stadt. Alles war ruhig. Man konnte auch kein Lachen von spielenden Kindern hören. So etwas gab es hier schon lange nicht mehr. Stille. Totenstille war es, was die Stadt beherrschte.

Ariadne war noch immer in ihr Handwerk vertieft. Sie merkte zunächst nicht, wie jemand den Laden betrat. "Guten Tag.", sagte eine hohe und anmaßende Stimme. Eine Frau mittleren Alters betrat das kleine Geschäft und sah sich um. Sie rümpfte die Nase als sie Ariadne erblickte. Die Dame nahm ein Taschentuch aus ihrer Handtasche und hielt es sich vor Mund und Nase.
Eigentlich war Ariadne gepflegt. Sie bürstete sich täglich die blonden Haare und wusch sich so oft es ging. Wasser war für sie kostbar und begrenzt. Doch ihre abgewetzte Kleidung ließ sie noch ärmer wirken als sie war. Die Näherin senkte ihren Blick.

Die vornehme Dame begann zu sprechen: "Ich möchte die Geschäftsinhaberin sprechen !" "Das geht nicht. Sie ist derweil außer Haus.", antwortete Ariadne leise und schüchtern.
"Was ? Das ist ja unerhört ! Ich will sie unbedingt sprechen. Es ist wichtig", die Frau war aufgebracht und sah sich suchend im Laden um. Doch es schien wirklich niemand weiteres als Ariadne im Haus zu sein.
Die Dame wandte sich wieder an die Blonde: "Hören Sie zu. Ich will, dass Sie sie sofort hier her holen. Oder Sie werden hier so schnell keine Kundschaft mehr sehen."
Ariadne wusste nicht was sie sagen sollte. Sie hatte auch keine Ahnung, wo die Gesuchte sich befand. "Es tut mir Leid...", murmelte sie nur.
Mit erhobenem Kopf verschwand die ältere Frau aus dem Geschäft. Ariadne war sich sicher, dass sie herum erzählen würde, dass die Näherei schlecht sei. Die Kunden würden ausbleiben.

So vergingen noch einige Tage und mit jedem Tag mehr, kamen weniger Leute zum Geschäft. Die Inhaberin ließ Ariadne dort wohnen bleiben, denn auch die minimale Kundschaft wollte bedient werden.
Essen wurde knapp für die junge Frau. Und so musste sie sich widerwillig in ihrer Freizeit als Bettlerin Geld erfragen.

Draußen in der Kälte hockte die junge Ariadne an der Hauptstraße. Mit gesenkten Blick und zitternden Hände versuchte sie ein bisschen Kleingeld zu ergattern. Wenige Leute waren auf der Straße. Niemand schenkte der Blonden Beachtung. Jedermann war mit sich selbst beschäftigt.

Endlich. Ein vornehmer Herr legte ein paar Münzen in die halb erfrorene Hand von Ariadne. Sie bedankte sich höflich und neigte den Kopf.
Bis zum frühen Abend saß die Näherin dort und alles was sie bekam, waren 2 Goldmark. Das würde grade mal für ein halbes Brot reichen.

Ariadne seufzte und stand auf. Sie rieb sich die müden Beine. Vom langen Hocken waren ihre Knochen schwer und kalt geworden. Schleppend ging sie zurück zur Näherei, welche auch ihre Schlafstätte war. Sie legte die Hand auf die metallene Türklinge und drückte diese herunter. Die Tür ließ sich nicht öffnen !
Panik stieg in Ariadne auf. Sie trat zum Fenster und klopfte. Sie rief den Namen ihrer Arbeitgeberin und nach einiger Zeit öffnete diese die Tür.
"Es tut mir Leid, Liebes. Ich kann dich hier nicht weiter wohnen lassen. Das Geschäft läuft schlecht und ich kann es mir nicht mehr leisten dich hier anzustellen. Tut mir Leid. Hier !", die alte Frau machte ein besorgtes Gesicht und drückte ihr den restlichen Lohn in die Hand und schloss eilig die Pforte wieder. Ariadne hatte keine Chance etwas zu erwidern.

Die junge Blonde war verwirrt. Sie wurde entlassen ? Wo sollte sie jetzt wohnen und arbeiten ? Einen Job in dieser Stadt zu finden war schwer. Und vom Betteln würde sie nicht satt werden.
Enttäuscht und entmutigt ließ sie sich auf dem Bürgersteig nieder. Traurig schlug sie die Hände über den Kopf zusammen. Dicke Tränen liefen ihr über die Wangen. Ariadne fühlte sich einsamer denn je...

Es wurde dunkel. Die tiefe Schwärze senkte sich über die Stadt und verdeckte all das Unglück und Leid.
Die Menschen kehrten in ihre Häuser zurück. In der Nacht war man nicht sicher. Zu viele Verbrechen wurden schon begannen und der Mond war der einzige Zeuge dessen.

Nach einer Weile stand Ariadne auf. Kühler Wind strich ihr durch das Haar. Sie blickte sich um. Wo sollte sie nun hin ?
Sie bekam Angst. Es war finster und die Zeit der Straftaten begann.

Eilig lief sie durch die Straßen. Irgendwo musste es doch einen Unterschlupf geben. Doch wegen der großen Armut waren fast alle Straßenwinkel, Gassen und Löcher von schutzsuchenden Bürgern besetzt.
Ariadne seufzte. So schwer konnte es doch nun nicht sein !
Da erinnerte sie sich an das alte Haus von Miss Johns. Die senile Dame wohnte bis vor 2 Jahren in einer riesigen Villa am Rand der Stadt.

Ohne einen weiteren Gedanken an Konsequenzen zu verschwenden, rannte die Blonde los. Schnell wie der Wind wollte sie sein. Sie wollte das Leben spüren. Denn aus irgendeinem Grund war ihr klar, dass es nicht mehr lange bis zu ihrem Tod dauern würde. Schließlich hatte sie kein Geld, und damit kein Essen und keine echte Unterkunft. Im kalten Winter würde sie jämmerlich erfrieren, wenn sie nicht schon vorher am Hungertod stirbt. Doch das war ihr momentan egal.

"Weiter, weiter ! Dem Leben entgegen !", rief sie und ein Strahlen war auf ihrem Gesicht zu sehen. Noch nie war sie so unendlich glücklich. Sie kannte den Grund nicht, doch das befreiende Lachen tat Ariadne gut.

Es schien als lache sie dem Tod ins Gesicht...

Nun stand sie keuchend vor der herrschaftlichen Villa. Nach Luft ragend trat sie durch das schwere Eisentor. Langsamen Schrittes ging sie über den Kiesweg hinauf zum Haus. Das Eingangsportal war riesig und aus massivem Holz gefertigt.

Ariadne zögerte. Vielleicht wohnte hier doch jemand? Aber sie hatte keine andere Wahl und öffnete die Tür. Sie war zu ihrer Verwunderung nicht verschlossen.
Sie trat ein und sah sich um. Auf den Boden war ein dunkles Parkett verlegt und es roch angenehm würzig im Haus.
Ariadne schritt durch das Gebäude. Bei jedem Schritt den sie tat, klickte es.

In der Küche suchte sie nach Essen. Zunächst schaute sie in den Schränken nach. Nichts. Dann entdeckte sie eine kleine Tür. Eine Vorratskammer ?
Ariadne ging herein und wurde tatsächlich fündig. Dort gab es nur noch ein paar Salamiwürste, die an der Wand hingen, doch diese würde sie schon satt machen.

Genüsslich aß sie. So etwas Köstliches hatte sie schon lange nicht mehr verspeist. Vielleicht würde es das letzte Essen sein, welches sie bekommen würde. Sie sah sich suchend im Raum um, doch sie fand keine Getränke.

So stand Ariadne auf und ging zur Tür zurück, um in der Küche nach etwas Wasser zu suchen.
Als die Tür öffnete sah sie etwas was sie nicht grade sehr erfreute. Ein groß gewachsener Mann mit einem Knüppel in der Hand schaute sie eindringlich an. "Na ? Hast dich wohl an unseren Speisen bedient, hmm ?", fragte er mit dunkler Stimme, "Dann hab ich wohl keine andere Wahl als ich dafür zu bestrafen!"
Der Knüppel bewegte sich bedrohlich in der starken Hand des Mannes. Ariadne wurde immer kleiner. Sie hatte unvorstellbare Angst. Aber was tun ?

Die Blonde brachte kein Wort heraus und der Mann wurde langsam ungeduldig. Der Riese hob den Holzstock über den Kopf und lies ihn mit einer Wucht auf Ariadne nieder sausen. Aber diese duckte sich geschwind und sprang zur Seite. Schnell drängte sie sich an dem Ungetüm von Mann vorbei und stürmte aus dem Haus.

Tränen liefen über das zarte Antlitz Ariadnes. 'Wohin ? Warum ? Wieso ich ?', diese Fragen hämmerten ihr durch den Kopf. Sie war verzweifelt.

Sie rannte in Richtung Stadt. Plötzlich blieb sie stehen. Was waren das für grelle Lichter im Ort ? Ariadne ging weiter. Warme Luft schlug ihr ins Gesicht. Es roch nach Qualm. Und nun konnte sie es sehen: Die Stadt brannte lichterloh. Stillschweigend betrachtete sie alles.

Soweit sie sehen konnte standen alle Gebäude in Flammen. Geschrei drang an ihr Ohr. Kinder kreischten und weinten. Die Stadt war in heller Aufregung.

Die ersten Männer mit Eimern kamen ihr entgegen. Sie achteten nicht auf
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