Fanfic: Halbschatten

Kapitel: Weiberheld oder Volltrottel?

Ich kannte den „Piratenjäger Zorro“ nicht besonders gut, nur das Grundwissen für ihn hatte ich mir angeeignet (Ihr wisst schon, z.B. in diversen Kneipen…).
Also, das hatte ich schon über ihn gehört: Er besaß ein wertvolles Schwert mit einer weißen Scheide. Er kämpfte mit insgesamt drei Schwertern. Er war Kopfgeldjäger…
…und hieß das nicht, das er Piraten jagte? Das er selbst keiner war?

Aber wenn ich jetzt genau darüber nachdachte…Vielleicht hatte ich einfach nicht richtig aufgepasst oder etwas falsch verstanden. Vielleicht hieß es nicht „Piratenjäger Zorro“ sondern „Pirat Zorro“.
Mich hatte das Thema „Zorro“ einfach nie sonderlich interessiert.

„Ähm…das tut mir Leid.“, sagte ich automatisch und versuchte –ich glaube nicht, dass mir das gelang- mitleidig zu klingen. Oder wenigstens ein bisschen… bedauernd.
Sanji zuckte zusammen, als hätte ihm jemand einen Stromschlag verpasst. Sein Kopf fuhr hoch und er schaute mich mit verengten Augen an.
Vorsichtshalber ging ich hinter meiner Bettdecke in Deckung.

„Dachtest du etwa, ich vermisse IHN?“, brüllte er mich an, „ Hast du EINE AHNUNG, wie sehr er DAS verdient hat!!?“

Was war denn jetzt kaputt??
„N-Nein!“, stotterte ich verwirrt.
Gab es hier etwas, was ich im Notfall als Waffe verwenden konnte? Verstohlen sah ich mich um. An meinem Bett lehnte ein blauer Stock. Wie lange würde ich brauchen, um nach ihm zu greifen?
Hastig flogt mein Blick wieder Richtung Sanjis Gesicht. Sanji war erstarrt und er schüttelte benommen den Kopf, als wäre er in einer Art Trance.
>Mein Gott, ich bin hier im Zimmer allein mit einem Verrückten!!<
„Äh…Ähm…ich…es tut mir so Leid, das ich dich angebrüllt habe, Namilein, ich war…nicht mehr ich selbst…ich meine“, er stockte,„Ich… ich habe vergessen, dass du dein Gedächtnis verloren hast. Natürlich gibt es keine Entschuldigung für mein Verhalten und ich… ich schwöre dir, ich werde es wieder gut machen!“
Innerlich wappnete ich mich gegen einen Angriff, bis ich kapierte, was er gesagt hatte.
Was??
Gehörte er nun in die Gruppe der geblendeten Weiberhelden oder in die Gruppe der launischen Volltrottel?
Nachdenklich spielte ich, wie immer, wenn ich mir meinen schönen Kopf zerbrach, mit meinem langen Haar.

Meinem langen Haar. Meinem langen Haar.
Ich schrie auf.

Stellt euch vor, ihr steht an einem ganz gewöhnlichen Morgen auf. Wie jeden Morgen frühstückt ihr, wie jeden Morgen zieht ihr euch um, wie jeden Morgen wollt ihr euch dann die Zähne putzen. Also geht ihr ins Bad. Ihr nehmt eure Zahnbüste und schmiert ein ordentliches Stück Zahnpasta darauf. Dann seht ihr in den Spiegel, um euer Gesicht zu einen animalischen Grinsen zu verzerren, damit ihr eure (mehr oder weniger) weißen Beißerchen mustern könnt.
Und dann stellt ihr fest, dass ihr Vampirzähne bekommen habt. Schön lange, scharfe, unübersehbare Monsterzähne.
Könnt ihr euch das so richtig gut vorstellen? Das Gefühl vorstellen, dass man bekommt…dieses eisige, gruselige, eklige Gefühl?

Genau dieses Gefühl hatte ich jetzt.
Zwar hatte ich keine Vampirzähne, dafür aber langes Haar! Falls ihr es immer noch nicht versteht:
Mein ganzes Leben lang hatte ich immer eine kurze, aber süße und praktische Frisur gehabt. Meine Haare habe ich aber noch nie länger als bis zur Schulter wachsen lassen. Und dann plötzlich, quasi über Nacht…

„Oh mein Gott!“, flüsterte ich, während ich versuchte, mir eine realistische Erklärung einfallen zu lassen.
Hatte ich vielleicht aus Versehen irgendwelches Superhaarshampoo benutzt? (Nur einmal auftragen und über Nacht wächst Ihr Haar um gute zehn Zentimeter. Ohne künstliche Aromastoffe!)
Oder hatte ich die Haar-Haar-Frucht gegessen? (Grässliche Vorstellung. Vor allem, weil dann an meinem ganzen Körper Haare wachsen müssten.)
Oder hatte ich tatsächlich mein Gedächtnis verloren? (Wie lange braucht Haar eigentlich um so lang zu wachsen? Ein halbes Jahr? Eins? Anderthalb?)

Komischerweise hatte ich das Gefühl, daran gewöhnt zu sein- an das Gewicht und das Gefühl, besser aufpassen zu müssen, dass meine Haare nirgendwo hängen blieben.
Panisch wandte ich mich zu Sanji um. Sein Gefühlsausbruch war vergessen.
„Gibt es hier irgendwo ein Spiegel??“, schrie ich ihn an, während er mich ein wenig verdutzt beobachte. Wenn ich zwischen meinen Hysterieausbrüchen Zeit gehabt hätte, hätte ich *Typisch, Männer!* geschnaubt. aber dazu kam es –wie schon gesagt- nicht mehr.
„Oh“, sagte er, als wäre ihm ein Licht aufgegangen. „Du bist ja-“
„Ist hier irgendwo ein Spiegel??“, fuhr ich ihn an. Langsam wurde ich wirklich sauer.

Zugegeben, lange Haare standen mir. Sie lockten sich wirklich perfekt und machten mich eleganter und reifer. Während ich an meinen Haaren entlangfuhr, beruhigte ich mich langsam. Mein Gesicht war gleich geblieben, im Grunde hatte sich eigentlich nichts verändert, ich meine, außer dass meine Haare so lang geworden waren- und kam es mir nur so vor oder war ich ein klein wenig größer und… weiblicher geworden?

„Soll ich…“, begann Sanji, wandte dann aber aprut seinen Kopf Richtung Tür.
Ich folgte seinem Blick- und blickte zum ersten Mal seit meinem Erwachen in ein halbwegs vertrautes Gesicht.
„Ruffy!“, keuchte ich auf, denn obwohl seine Gesichtszüge zweifelsohne dem Mann mit dem Strohhut gehörten, waren sie verzerrt. Der entschlossene Blick in seinen Augen war verloschen und unter ihnen lagen dunkle Schatten.

„Nami?“, flüsterte er zaghaft. Robin schob ihn in den Raum und schloss die Tür hinter sich. Ich öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Ich hatte vorgehabt, ihn so
richtig schön anzuzicken, aber es war klar, dass das jetzt nicht gerade angebracht gewesen wäre.
„Was ist passiert?“, fragte ich und bekam gleich darauf ein schlechtes Gewissen, weil ich es vergessen hatte. „Ach so, ähm… Du musst es mir nicht sagen, ich weiss, dass…ich weiss es schon- es tut mir Leid.“, versuchte ich mich zu erklären.
Ruffy sah mich einen Moment lang stumm an.
„Du kannst nichts dafür.“, sagte er.

„Klar kann ich nichts dafür“, antwortete ich ihm verwirrt. Auch Ruffy schien nach meiner Antwort ein bisschen verwirrt.
„Warum hast du dann…“, begann er, wurde dann aber von Robin unterbrochen.
„Sie hat ihr Gedächtnis verloren.“, sagte sie.

„WAS??“, schrie er und ließ einen kurzen Moment lang den alten Ruffy durchblitzen.
„Heißt dass, du weißt auch nicht mehr, dass ich mir 12400 Berry für die „Riesenkaugummibonbons“ von dir sozusagen geliehen hab und ich krieg dafür jetzt auch keinen Är -…ups.“
„Du hast was??“, schrie ich und war kurz davor, ihn an den Gurgel zu gehen. „Bis du jetzt vollkommen verrückt geworden??“
Ein Bild blitzte vor meinen Augen auf. Darauf war ich, die den Händler gerade so richtig vor Zorn bebend Geld gab, ein halb zerstörter Süßigkeitenstandstand und Ruffy, das Rentier und ein langnasiger Mann daneben, alle völlig verbeult.
Als ich mir an die Stirn griff, war das Bild auch schon wieder verschwunden.

„Namischätzchen?“ Sanji hatte sein Gesicht besorgt zu mir heruntergebeugt, so nah, dass mir seine Nähe schon unangenehm war. „Hast du Kopfschmerzen? Soll ich dir einen Tee kochen? Brauchst du etwas?“
Ich zuckte zusammen.
„Ähm… Nein, danke!“, sagte ich, obwohl ich tatsächlich durstig war.
Er schien es mir anzusehen.
„Wie wär´s mit heißem selbstgepressten Orangensaft mit einer leichten Zimtnote?“
Schon bei dem Gedanken lief mir das Wasser im Mund zusammen.
„Na gut.“, meinte ich, um endlich Ruhe vor ihm zu haben.

„Also, Nami“, sagte Robin, während Sanji leise pfeifend den Raum verließ, „woran kannst du dich als letztes erinnern?“
Darüber musste ich nicht nachdenken.
„Ich habe Ruffy zum dritten Mal vor einer Kanonenkugel bewahrt“, sprudelte es nur so aus mir heraus, „als diese komischen Buggypiraten mich angriffen. Ich kann mich noch daran erinnern, wie sie mit gezückten Schwertern auf mich losgingen und dann… dann weiß ich nicht mehr. Bin ich ohnmächtig geworden? Habt ihr mich und Ruffy gerettet?“
Robin sah Ruffy an.
„Hä? Das war doch… das war doch kurz bevor Zorro uns gerettet hat!“, stieß Ruffy hervor. „das ist ganz lange her, noch bevor Kaya uns die Flying Lamb geschenkt hat!“
„Nami, hast du Zorro schon mal gesehen?“, fragte Robin mich.
„Nein.“
„Ruffy, hat Nami danach Zorro zum ersten Mal gesehen?“
Ruffy bejahte, er war ebenso verwirrt wie ich.
„Dachte ich´s mir doch.“, sagte Robin leise, mehr zu sich selbst als zu uns. Als wir sie beide fragend anschauten, sagte sie: „Nami hat all ihre Erinnerungen ab Zorro ausgelöscht; ein Vorgang, den ihr Gehirn zu ihrem eigenen Schutz ausgelöst hat. Denn damit hat sie keine Erinnerungen mehr an ihn. Die Frage ist nur, warum sie das getan hat. Denn normalerweise macht das Gehirn so etwas nur bei Notfällen oder Unfällen. Und das einzige, was passiert ist, ist, dass Zorro gestorben ist, aber das kann doch nicht der Grund gewesen sein…“



Der Grünhaarige Mann hatte sich mit letzter Kraft auf einen Baumstamm hieven können.
„Scheiße.“, murmelte er immer wieder, „Scheiße. Was ist passiert? Wo sind die anderen?“
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