Viertel nach zwölf

Viertel nach zwölf

Die Uhr an der Wand tickt. Gleich zwölf.
Laute Stimmen aus dem Nebenzimmer. Sie streiten wieder. Der Hass, die Verzweiflung, all die schlimmen Gefühle sickern durch die Wand wie der Schall, verbreiten sich im Zimmer. Warum das alles? Warum machen Menschen das? Sie machen sich gegenseitig krank, machen sich kaputt, töten einander. Nur mit Worten. Warum?
Keine Antwort. Leere und Gleichgültigkeit. Tiefe, schwarze, alles verschlingende Gleichgültigkeit. Die Menschen, sie alle sind einer wie der andere.
Gleichgültigkeit. Nur hin und wieder unterbrochen von der blutroten Flamme des Egoismus.
Hass, Schmerz, Verzweiflung, Tod, Wahnsinn.
Wen interessiert es?
Keine Antwort. Natürlich, niemanden interessiert es. Wir alle leben nur, weil wir nichts Besseres zu tun haben. Zerstören die Leben anderer aus Langeweile. Erniedrigung und Demütigung werden zu einem letzten bisschen Abwechslung, das uns aus dem grauen Sumpf unseres Alltags emporkommen lässt, um uns am Leid anderer zu laben.
Bitte, nur herein mit Ihnen. Die Vorstellung beginnt gleich, bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein. Manege frei und einen großen Applaus bitte.
Widerlich.
Die Tür knallt. Plötzlich sind die Stimmen verstummt. Noch immer quillt Verzweiflung wie dicker Rauch durch sämtliche Ritzen. Sie erfüllt den Raum.
Die Welt hat sich verändert. Zweckbeziehungen statt Liebe. Bezahlung statt Freundschaft. Ignoranz statt Hilfsbereitschaft. Jeder alleine, jeder für sich. Kein Blick für andere. Immer das gleiche, immer und immer wieder.
Warum scheint tagsüber noch die Sonne? Ewige Nacht, das wäre die passende Strafe, für jeden von uns. Und doch scheint die Sonne, warm, freundlich. Wie Hohngelächter. Als wolle sie die ganze Welt verspotten. Pure Ironie.
Stille nebenan. Kein Mucks ist zu hören, nur das Ticken der Uhr. Viertel nach zwölf.
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