Der Augenblick ist Zeitlos

Advent, Advent...

Türchen XV. – Puppen lügen nicht!

Sasori arbeitete nächtelang an seinem Kunstwerk. Es sollte – wie sollte es auch anders sein? – eine Puppe werden. Eine Auftragspuppe. Das sind nicht Puppen, die als Falle oder Waffe eingesetzt werden, um andere unschädlich zu machen, sondern Puppen, die in Auftrag gegeben werden. Es war Sasoris erste Auftragspuppe.

Eine zwilichtige Frau hatte sie ihm abgeschwatzt. Sie arbeitete in einer schmuddeligen Bar mit grobschlechtigen Typen, blutjunger Maid und jeder menge Alkohol.
„Junge, ich weiß, wer du bist. Ich kenne dein Geheimnis.“, hatte sie ihn angesprochen und sich näher herabgebeugt. Zigaretten- und Alkoholdunst stieg ihm in die Nase – und ein leichter Lavendellduft. „Spiel’ nach meinen Regeln und ich sage nicht, dass ich Akatsuki in meinem Lokal bewirte.“
Er hatte lässig die Schultern gezuckt, doch sie hatte ihn mit seinen eigenen Waffen geschlagen. Sie hatte die Überreste des Mannes aus ihrem Versteck geholt, den sie zu beseitigen hatten.
„Warum musste er sterben? Wusste er zu viel?“ Angriffslustig funkelten die grauen Augen der Alten. Sie war buckelig – ihr Haar ergraut, die Augen ebenfalls grau, aber viel wärmer.
„Was willst du, Omi?“, schaltete sich Deidara ins Schlamassel.
„Eine Auftragspuppe.“
„Eine was, un?“
„Eine Auftragspuppe“, wiederholte er – Sasori – ungerührt. Er kannte den Sinn des Wortes nicht – Auftragspuppe, das hörte er zum ersten Mal – aber allein, dass es um eine „Puppe“ ging, machte ihn neugierig.
„Eine Auftragspuppe – mit Engelslocken, einem runden Porzellangesicht und strahlend blauen Augen und einem Kleid – ach, ein Traum aus nachtblauer Seide – die Flügel weiß wie die Unschuld in ihren Augen – schaffst du das, Jungchen?“
„Was denn, was denn?“ Deidara kicherte dümmlich dabei. „Machen Sie sich keine falschen Hoffnungen. Mit der Auftragspuppe im Engellook macht das Grau ihrer Augen und ihres Haares auch nicht wett, dafür brauchen Sie schon...“
„Halt die Klappe, Deidara!“, schnitt er ihm das Wort ab, stellte seinen Krug auf den Tisch und schritt zur Tür. Dort angekommen, drehte er sich noch einmal um. „Ich nehme Ihren Auftrag an.“

Der Auftrag war angenommen, die Arbeit begonnen. Seine Hände taten vom ständigen messen und schneiden und hobeln und probieren weh, dennoch fehlten letzte Feinschliffe. Die Haare waren nicht lockig genug, die Flügel nicht schwungvoll genug, das nachtblau nicht kräftig genug... Irgendwann, als sie ihm zulächelte – durch die Augen, das Gesicht, die Flügel, das Kleid, durch die Hände, welche die strahlende Kerze hielten und durch die schmunzelnden Lippen selbst – da wusste Sasori, dass sich die Alte sehr über ihren Engel freuen würde. Der Auftragsengel war vollkommen.

„Vollkommen“, befand die Alte mit feuchten Augen und ehrfürchtigem Gesichtsausdruck. „Ken wird sich darüber freuen.“
Sasori brauchte nicht zu fragen. Anscheinend fand sie, dass er die Erklärung so sehr verdiente, weil er sich so große Mühe mit dem Auftragsengel gemacht hatte.
„Ken ist mein kleiner Neffe. Er ist alles, was ich noch besitze, seit seine Eltern bei einem Anschlag Orochimarus ums Leben gekommen sind.“ Ihr Blick rückte in weite Ferne. „Sie sind ganz friedlich gestorben, glaube ich... So friedlich wie Yuri...“ Sie presste den Auftragsengel an ihre Brust. Frische Tränen benetzten seine goldenen Engelslocken.

Später erfuhr Sasori auch von der Bedeutung Yuris. Yuri sollte Kens Schwesterchen werden, doch an dem Tag, an dem seine Mutter die Wehen hatte, da wurde ihr Dorf angegriffen. Nur Ken überlebte, weil er seine Großmutter in den Ferien besuchte. Yuri, ein Wesen, das noch nicht einmal das Licht der Welt erblicken durfte, war vielleicht in seinen Auftragsengel übergegangen – zumindest ihr Geist, denn das Gold der Locken, das Porzellan des Gesichtes, das Blau der Augen und das Weiß der Flügel schien i n den Armen der alten Frau noch viel mehr zu strahlen...
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