A Pure Heart
Was einem wichtig ist...
Eine ganze Weile starrte er nun schon auf das kleine Stück Papier in seinen Händen, beachtete nicht den hitzköpfigen Enterich, der laut und unverständlich vor sich hin schnatterte und dabei unruhige Runden drehte, weder noch den hochgewachsenen Hauptmann, der einfach nur da stand und hinter dem Rücken des Jungen heimlich, jedoch mit hörbaren Glucksen in die Innenflächen seiner eigenen, vor seinen Mund gehaltenen Hände lachte.
Sora stieß einen schweren Seufzer aus, ließ seinen Arm und die dran befindende, den Zettel haltende Hand an seiner linken Seite herunter gleiten, sie achtlos auf den harten Dielenboden fallen. Seinen Kopf hatte der Junge gegen das Holz des offenen Rahmens der verschiebbaren Tür ihm gegenüber angelehnt und drehte ihn, in Gedanken versunken, beinahe lethargisch zur Seite.
„Donnerwetter, Sora. Ist es wirklich so schwer?“, erklang darauf die unverkennbare, freundliche und noch leicht glucksende Stimme Goofys und der Angesprochene wandte sein Gesicht in die Richtung, aus der er die Worte des Mannes vernahm.
„Naja, nein… Nein, ich meine doch… ach…“, verhaspelte sich Sora, war nicht in der Lage, die herumirrenden Fetzen seiner Gedankenwelt richtig anzuordnen.
„Was ist das Problem?“, fragte nun auch Donald, hatte seine Arme streng ineinander verschränkt und ließ sich mit seinem weißen Gefieder plump auf das weiche Material eines braunen Sitzkissens fallen.
„Hey!“, schrie der Junge daran mit gespielter Entrüstung, war in einer flüssigen Bewegung auf seine Beine gesprungen, worauf das Wasser aus seiner klitschnassen Kleidung, sowie aus seinen braunen Haaren geschüttelt wurde und sich in kleinen Tropfen über den gepflegten Holzboden zerstreute.
„Es ist nur…“, begann er, stoppte jedoch für einen kurzen Augenblick und blickte wieder auf das Papierstück, welches er locker zwischen seinen Fingern hielt.
„Es ist nur schwer zu glauben, dass es so einfach sein soll.“
Er hatte kaum zuende gesprochen, genau in dem Moment hörte er das Geräusch sich näherender Schritte, vernahm das leise Knirschen von alten Holz.
„Verzeiht, dass es so lange gedauert hat. Aber das Wasser für das Bad ist nun warm.“, erklang eine weibliche Stimme, direkt hinter dem jungen Burschen, der sich sofort, auf derselben Stelle verbleibend, einmal um sich selbst drehte.
„Oh, danke.“
Soras Blick verlor sich auf der Erscheinung einer jungen Frau, über die er nicht zu sagen vermochte, ob sie dies auch wirklich war. Denn aus den Augen des jungen Gesichtes sprach die Farbe einer dunkelloderten, heimlichen Macht, die ihn für einen kurzen Augenblick gefangen nahm und die spirituelle Kraft einer Seele spüren ließ, für die das Gesetz der Zeit keine Bedeutung hatte, während ihm zugleich aus den schönen Gesichtszügen ein braves Mädchen unschuldig anlächelte.
„Das ist doch unglaublich!“, vernahm der junge Führer des Schlüsselschwertes drauf die empörte Äußerung der jungen Dame.
Zuerst glaubte er, dass er wohlmöglich für eine längere Zeit, von ihm unbemerkt, in stummes Starren verfallen war und rechnete jetzt mit den Konsequenzen dafür, spürte jedoch nur einen schwachen Luftzug, welcher von der langen Kleidung der jungen Frau herrührte, als sie an ihm vorbeistürmte. Der scharlachrote Stoff ihres weiten Rockes raschelte aufgrund der schnellen Bewegung, und die weitschweifigen Ärmel ihres weißen Oberteils wirbelten durch die Luft, als sie ihre Arme nach vorne streckte. Rabenschwarzes, langes Haar fiel über das in Blau gekleidete, weiße Gefieder des erschrocken drein glotzenden Magiers her, der einen panischen Schrei ausstieß.
„Wie unverfroren!“, tadelte das Mädchen, während sie energisch dem Enterich das weiche Kissen unter dem Hintern wegzog.
„Toll hinbekommen, jetzt ist der Bezug klitschnass. Aber na gut, dann wirst du eben auch der Erste sein, der baden geht.“
„A, au.. Aua… Halt, nicht an den Federn ziehen. Es reicht schon, das Daisy das immer tut.“, meckerte Donald lauthals, als er von ihren Armen gepackt und er, sich wehrend, mit über den Boden schleifenden Flossen, fortgezogen wurde.
„Sollten wir uns Sorgen um ihn machen?“, fragte Goofy seinen jungen Freund, versuchte das Zustandekommen eines lauten Glucksens in seinem Hals zu unterdrücken, indem er sich verräterisch den Mund hinter seinen behandschuhten Händen verbarg.
Doch Sora zuckte nur untätig mit seinen Schultern und ein verstohlenes Grinsen schlich sich auf sein Gesicht, während er noch für einen Moment den heftigen Protesten des Zauberers lauschte, welche jedoch nach kurzer Zeit in der Stille des zuneige gehendes Tages verloren gingen.
„Ich glaube, das ist nicht nötig.“, antwortete er, und ließ mit einer hebenden Bewegung seine Arme in die Luft fahren, nur um darauf die Finger seiner Hände unbemerkt ineinander zu verschränken und seinen Kopf entspannt in ihnen zurückzulehnen.
Mit einen kräftigen Ausstoßen der Luft, die er dabei hungrig in seine Lungen gezogen hatte, schloss er seine Augen, nur um sich der Harmonie eines flüchtigen Augenblicks der Ruhe, einem gedankenlosen Moment hinzugeben…
„Rei wird sich schon gut um ihn kümmern, keine Sorge.“
Nachdem Sora vor Schreck seine Augen wieder öffnete, erblickte er, in einem herzschlagaussetzenden Moment, ein in dunklen Rot leuchtendes Augenpaar. Er stolperte einige Schritte rückwärts, hatte große Schwierigkeiten sein Gleichgewicht sofort wiederzufinden und fiel so, mit den Hintern voran, auf den alten Holzboden, was er mit unverständlichen Lauten kommentierte.
„Du… Wo…?“, brachte der Junge nur stotternd hervor.
Er bat sein, in Aufruhr geratenes, wild klopfendes Herz wieder zur Beruhigung, indem er seine rechte Hand gegen die Stelle seiner Brust drückte, gegen der er es kräftigen schlagen spüren, wie auch hören konnte.
Ebenso vernahm er das herzige Gelächter Goofys.
„Meine Güte, Sora, das ist doch nur Chibiusa.“
Der Junge erholte sich schnell von dem Schrecken, welchen das junge Mädchen ihm eingejagt hatte, indem es so plötzlich einfach direkt vor ihm gestanden hatte und wagte es schließlich einen Blick in Chibiusas Richtung, nach oben zu werfen. Diese ließ sich jedoch im selben Augenblick auf ihre Knie sinken und betrachtete den Auserwählten des Schlüsselschwertes kritisch, fast aufdringlich und ihre Augen kniffen sich einige Male auffallend zusammen.
„Ah, aua. Was soll das?“, quengelte Sora unter der unerwarteten Berührung auf seiner rechten Wange, eine Hand, deren Finger in sie kniffen und unangenehm an ihr zogen.
„Hmm…“, war das einzige, was das junge Mädchen von sich gab, als sie ihre Hand wieder zurückzog und sich langsam, den Jungen dabei jedoch nicht aus ihren Augen lassend, wieder vom Boden erhob.
Sora tat es dem jungen Mädchen gleich und ließ sich, ebenfalls vorsichtig, in die Höhe steigen, bemerkte das viel zu große Oberteil, den viel zu langen, gelben Stoff einer langärmeligen Bluse, der ihr bis über die Knie reichte. Sie hatte sich umgezogen; wahrscheinlich weil auch ihre Kleidung, in welcher er, Donald und Goofy ihr begegneten, aufgrund des starken Regens, welcher draußen herrschte, völlig durchnässt war.
„Was ist denn?“, fragte er verunsichert nach.
„Du hast weder Federn, noch trägst du solch lange Ohren wie der andere…. Anscheinend bist du doch ganz normal.“
„Anscheinend?“, kommentierte der Junge das soeben Gesagte Chibiusas, sah sie dabei mit weit aufgerissenen Augen an.
Chibiusa schien die Empörung diesen aber einfach nur zu amüsieren und so erklang ein süßes Lachen in dem Raum, was dafür sorgte, dass Sora sie nur noch verwirrter ansah.
„Es tut mir leid…“, fing sie an. „Aber es wirkt schon etwas merkwürdig, wenn jemanden so spät abends solche Leute wie ihr auf den Grund eines Tempels begegnen… dazu im strömenden Regen. Das sieht nur komisch aus.“
„Das ist doch nicht komisch. Wir wussten nur nicht, wo wir hier sind…“, nuschelte Sora leise vor sich hin, blickte nebenher unruhig umher, bis er eine Bewegung aus seinen rechten Augenwinkel wahrnahm und wandte seinen Kopf ein bisschen in die Richtung des Hauptmannes, der sich in dem Moment mit wenigen Schritten ein bisschen mehr den beiden Jugendlichen näherte.
„Und du, Chibiusa? Wieso warst du eigentlich da draußen?“, erkundigte sich dieser bei dem Mädchen.
„Ja, genau! Was machst du zu dieser Zeit noch hier?“, warf der Junge auf die Frage Goofy noch hinterher.
„Ich?“, meinte Chibiusa überrascht und in ihren hübschen Gesicht zeichnete sich Besorgnis, und Sora war sich nicht sicher, vielleicht sogar eine Spur Angst.
„Oh, ich… ich… naja…“, ihre Stimme verstummte, verlor sich unter der senkenden Bewegung ihres Kopfes und auch ihr Gesicht verschwand hinter einem Schleier aus hellen, rosafarbigen Haaren, die in feinen Strähnen über ihre Schultern fielen.
„Ich habe jemanden, den ich wirklich sehr mag, Glück gewünscht.“
Sora sah das Mädchen mit weit aufgerissenen Augen an, hatte sich dabei ein wenig vorgebeugt und versuchte durch den Wall aus langen Haaren zu lugen. Seine rechte Hand schlich sich heimlich durch das verfranzte Haar an seinem Hinterkopf, als Chibiusa ihn dabei allerdings erwischte und ihr Kopf sich langsam wieder hob. Seinen eigenen Blick lenkte er seit dem das erste Mal wieder auf das winzige Stück Papier, welches er vorhin irgendwann ausversehen fallen gelassen haben musste und nun auf den Holzboden lag. Er hatte kurz in ihr Gesicht blicken können. Er hatte den traurigen Ausdruck darauf bemerkt, einen Hauch aus Verzweiflung und Angst, der das reine Herz dieses jungen Mädchens betrübte.
„Ist dieser jemand… ein Freund von dir?“, fragte er neugierig nach.
Ein schwaches Nicken.
„Dann ist diese Person bereits ihrem größten Glück begegnet.“
„Genau.“,