Fanfic: Blood, Tears and Diamonds

Untertitel: The Nosfera Books

Kapitel: Der Tag, an dem die Welt unterging

Das Fenster des Wagens fühlt sich angenehm kühl an. Mit geschlossenen Augen lehne ich mich dagegen, genieße das kalte Glas auf meiner verschwitzten Haut und stütze meinen schweren Kopf mit meinem Ellenbogen. Das leise Rauschen des Neonlichts unter mir, das als Antrieb und als Weg für diesen Wagen dient, hat eine einschläfernde Wirkung, es wirkt irgendwie betäubend. Aber schlafen kann ich nicht. Nicht jetzt. Nicht hier. Zu viel Kaffee um meine Gedanken und meine täglichen Depressionen zu ertränken. Um meine Träume zu vergessen. Wenn man genau darüber nachdenkt, bin ich wirklich ein bemitleidenswertes Geschöpf. Meine ganze Existenz ist im Grunde eigentlich total sinnlos. Aber wenn ich das jemandem erzähle kommen nur Antworten wie „Vielleicht sollten wir darüber nachdenken, die Dosierung zu erhöhen…“ oder „Hast du deine Tabletten heute morgen genommen?“ Blablabla…

Mit Gewalt reiße ich mich zurück in die Realität. Ich muss wachbleiben.

„Wie lange noch?“ frage ich. Wenn ich die Wahl habe zwischen Schlaf und einem sinnlos langweiligen Gespräch mit dem noch langweiligeren Fahrer – dann nehme ich lieber das Gespräch.

„Es ist nicht mehr weit, Mademoiselle,“ erwiedert der Mann monoton. Er hat also keine Lust auf ein Gespräch. Na klasse.

Auch ohne die Augen zu öffnen weiß ich, dass ich angestarrt werde. Dass Blicke aus dem Rückspiegel über meinen Körper wandern, über meine gestreiften Kniestrümpfe, meine sturen flammenfarbenen Locken, den schmutzigen Verband um mein linkes Handgelenk. Über das Augenbrauenpiercing, welches ich mir letzte Woche stechen ließ, ohne die Erlaubnis meiner Tante (welch Vorteil wenn man älter aussieht als man eigentlich ist). Unwillkürlich muss ich grinsen. Es ist wirklich faszinierend. Sobald man auch nur ein bisschen anders ausschaut als der Rest der Welt sehen einen die Leute gleich als ein komplett anderes Lebewesen. Das meinte zumindest Jacks, wenn sie die endgeisterten Blicke bemerkte, die man ihr des Öfteren zuwarf. Und im Vergleich zu Jacks seh ich nun wirklich herrlich normal aus. Dennoch, hat die Menschheit nur mich vor Augen - ohne eine fast zwei Meter große Jacks daneben – denken sie natürlich, ich sei die Ausgeburt der Hölle. Genauso wie der Rest der Welt. Eine von diesen asozialen Jugendlichen, die ihr komplettes Leben im Park mit Drogen und Alkohol vergeuden. Ignorieren wir also die Tatsache, dass ich noch nie in meinem Leben Drogen genommen habe, mich nur an Weihnachten und Silvester, sowie an Geburtstagen betrinke und auszubildende Schauspielerin bin, die gleichzeitig in zwei Cafés jobbt, um sich über Wasser zu halten. Ich rauche. Das ist alles.

Natürlich ist es auch nicht unbedingt das Beste, mit sechzehn die Schule zu schmeißen, selbstständig zu sein und zusammen mit der Freundin allein zu wohnen und natürlich ist es auch kein wirklich gesichertes Leben, wenn man von den minderwertigen Rollenangeboten am Theater und den Überstunden in hektisch lauten Kleincafés seine Existenz finanziert (und man ohne bestimmte Medikamente noch nichteinmal das Haus verlassen kann). Aber, obwohl ich nach jeder Überstundenschicht total im Arsch bin und meine wertvolle Freizeit mit dem Auswendiglernen von suizidgefährdeten Rollen in depressiven Stücken vergeuden muss (und Mii sich darüber immer beschwert!)– ich mag mein Leben. Oder zumindest mochte ich es. Bis heute morgen alles, was ich mir im letzten Jahr aufgebaut habe, zerstört wurde. Einfach so.

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Die Akademica des Roix, oder auch Nocturne Rose genannt, liegt im Zentrum von Cerno Venzia. Das Gebäude erinnert an ein modernes Schloss, viel zu viele Türme und ein Nebengebäude hat eine merkwürdige, pyramidenartige Bauweise. Man sieht, die alten Kulturen hatten einen starken Einfluss auf den Architekten. Das Ergebnis ist … interessant. Und unheimlich. Ich habe mich immernoch nicht daran gewöhnt, dass in Cerno Venezia alles schwarz ist, wirklich alles. Und wenn ich alles sage, dann meine ich ALLES. Die Häuser, Wege, Gebäude, usw. Einzig und allein die Neonlichter, die Straßen, vermitteln in verschiedenen Grün-, Blau-, und Orangetönen ein Gefühl von Farbe. Auch ist es hier ziemlich dunkel. Ein bisschen zu dunkel. Meine Tante sagte mal, dass Cerno Venezia und Blanca Venezia den Mond und die Sonne repräsentieren. Und ich glaube, sie hat Recht. Denn wärend in Blanca Venezia, wo ich vor ein paar Stunden noch gewohnt habe, die Sonne scheint und einem das ganze Weiß Augenschmerzen verursacht, könnte man meinen, dass es hier immer Nacht ist. Aber eigentlich ist das recht angenehm. Die Stadt erscheint zwar bedrohlich, aber auch entspannt. Eine ziemlich faszinierende Mischung, wie ich finde.

Ich mustere die Schule, meine Schule, eindringlich, durch zusammengekniffene Augen. Das hier ist auf jeden Fall eindrucksvoller als meine alte Schule, vielversprechender, aufregender, geheimnissvoller.

Trotzdem. Ich will nach Hause.

„Gefällt es ihnen, Mademoiselle?“ fragt mein Fahrer und sucht meinen Blick im Rückspiegel. Ich schaue sturr aus dem Fenster.

„Ja, ist nicht schlecht hier…“ murmele ich, und meine es zu meiner eigenen Überraschung auch so.

Der Mann muss lächeln, „Sie werden sehen, es wird ihnen sicher gefallen. Hier sind sie von Gleichgesinnten umgeben, brauchen sich also nicht mehr verstecken.“

Die Einzigen, vor denen ich mich verstecken musste, sind Sie!, denke ich, wärend er fortfährt, mich von Cerno Venezia und meiner neuen Schule zu überzeugen (oder es zumindest versucht).

„Der Unterricht ist zwar strukturiert, gibt ihnen aber auch genügend Freiheiten, sodass sie sich nicht eingesperrt fühlen werden. Zudem werden sie von Fachleuten betreut, denen man blind vertrauen kann, so haben sie es leichter, sollten sie irgendwelche Probleme haben…“
Der hört ja gar nicht mehr auf!

„Und wie läuft das mit der Verpflegung?“ frage ich und hoffe, mit dieser Frage sein Dauerwerbegelaber zu beenden. Mit Erfolg.

„Die… Verpflegung?“ fragt er, wärend er einen Parkplatz sucht, „Wie meinen sie das?“

„Na ja,“ sage ich und muss mit mir kämpfen, um ein Grinsen zu unterdrücken, „Darf ich meine Mitschüler aussaugen, muss ich das ankündigen, oder kriege ich einen Sklaven, den ich aussaugen darf?“ Nicht lachen, April!

„Ach, das,“ meint der Mann und entspannt sich wieder, „Keine Sorge, dafür hat die Schule ein besonderes System entwickelt!“ lächelt er.

Aha. Ein besonderes System also? Na… das kann ja lustig werden.

„Was ist das für ein System?“ Wenn ich ehrlich bin, will ich das gar nicht wissen.

„Das wird man ihnen erklären, wenn sie angekommen sind. So wie ich das heute verstanden habe, erwartet sie die Schulleiterin bereits um ihnen alles zu erläutern.“

Das wird ja immer besser. Jetzt werde ich sogar von der Schulleitung höchstpersönlich in Empfang genommen? Ich muss ja wirklich was Besonderes sein! „Muss ich denn auf diese Schule gehen?“ Er hat endlich einen freien Parkplatz gefunden und ignoriert meine Frage einfach, wärend er den Wagen zum stehen bringt.

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Draußen wimmelt es nur so von Kindern und Jugendlichen, ungefähr im selben Alter wie ich. Für jeden Außenstehenden würde das alles nach einer ganz normalen Schule aussehen. Aber das ist es ganz und gar nicht. Auch wenn sie vielleicht vom Äußerlichen her einigermaßen normal wirken, ihre Aura verrät, dass sie anders sind. Und ich weiß, dass meine Aura genau dasselbe sagt. Ich bin anders. Oder besser:

Ich war es bis heute.

Meine Augen hinter einer monströsen Sonnenbrille versteckt stehe ich da, umgeben von Meinesgleichen. Mir läuft es kalt den Rücken runter. Bin ich aufgeregt? Nervös? Ich weiß es nicht. Ich atme langsam ein. Es riecht nach tausend verschiedenen Parfüms und Aftershaves, nach Weichspühler, Koffern, nach Rosen. Nach Rosen? Ernsthaft? Um mich herum herrscht ein unglaublicher Lärmpegel. Kleine Kinder, die sich weinend von ihren Eltern verabschieden, Freunde, die sich seit den Ferien nichtmehr gesehen haben und sich nun alles erzählen müssen. Ein buntes Durcheinander. Ich schließe die Augen und lasse mich fallen, lasse mich von den Stimmen treiben, genieße es.

Meine Ankunft geht in einem lauten Poltern unter. Als ich die Augen aufreiße und erschrocken herumfahre, sehe ich, dass mein Fahrer meinen Koffer ausversehen umgestoßen hat, als er die schwere Kofferraumtür schließen wollte. Unter normalen Umständen würde mir sowas nicht wirklich viel ausmachen, aber heute tut es das. Heute ist alles anders. Ich setze gerade dazu an, meinen plötzlich zurückgekehrten Frust an dem Mann auszulassen, der meinen Koffer mit viel Gehampel und tausend Entschuldigungen wieder hinstellt, als jemand meinen Namen sagt. Ich drehe mich auf dem Absatz um.

Vor mir steht ein Mann in einem reinweißen Anzug, die scharlachroten Haare sind zu einem Zopf gebunden und fallen ihm locker über die Schulter und den geöffneten Kragen des schwarzen Hemdes.

„April Carpulette?“ fragt er erneut und mustert mich interessiert durch die Gläser seiner Brille. Seine Augen sind von einem merkwürdigen Grün.

„Äh, ja?“ Ich muss ihn ja ziemlich dämlich angucken, denn seine Mundwinkel verziehen sich zu einem breiten Lächeln.

Dann hält er mir eine behandschuhte Hand hin, „Hi. Ich bin Xian Nox, der Bibliothekar dieser bezaubernden Schule. Freut mich…,“ er schüttelt heftig meine ziemlich kraftlose Hand, die dabei ziemlich herumgeschlenkert wird, „…dich kennenzulernen, April!“ Jetzt strahlt er mich richtig an, fast so wie eine zweite Sonne.

„Äh, ja, gleichfalls…“ mehr bringe ich nicht zustande (und meine Hand tut weh!).
Was für ein schräger Typ! Aber ich muss zugeben, er sieht nicht schlecht aus. Wärend ich also
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