Ganz ohne Fußball geht es nicht I
01 Ich
Als ich an der Unfallstelle das Bewusstsein verlor zogen tausend Bilder an meinem inneren Auge vorbei.
Ein Junge, etwas älter als ich, er lächelte mir aufmunternd zu, es löste ein warmes Gefühl in mir aus, ich fühlte mich sicher und geborgen.
Ein Mädchen mit großen braunen Augen das mich schüchtern ansah, ich hatte das Gefühl sie in den Arm nehmen zu wollen.
Eine ganze Gruppe Jungen in blauweisen Trikots, eine Fußballmannschaft?, sie winkten mir fröhlich zu als würden wir uns kennen.
Zwei Mädchen in Schuluniformen, eine davon ungewöhnlich hübsch.
Ein älterer Mann mit Sonnenbrille der mich mit einer Art liebevollen Strenge ansah, auch das löste ein Gefühl der Geborgenheit in mir aus.
Ein Mädchen mit kurzen braunen Haaren und blitzenden Augen das über irgendetwas fürchterlich wütend war, sie schien einem richtig Angst machen zu können aber ich wollte einfach nur lachen, dabei wusste ich gar nicht was daran lustig sein sollte.
Ein Junge mit sehr kurzen schwarzen Haaren, er redete über irgendetwas uns lachte dann selber darüber, auch ich wollte wieder lachen, hatte aber das bestimmte Gefühl das das weniger etwas mit dem zu tun hatte was der Junge sagte.
Die Bilder zogen schneller an mir vorbei, ein Mann und eine Frau die sich stritten, ein kleiner Junge der im Graten saß, ein älterer Junge der sich mit dem Mann stritt, bis er eine Ohrfeige bekam, eine Reihe von Fotos, immer die gleichen Leute: ein schwarzhaarige Junge mit einer roten Schirmmütze und ein Mädchen mit kupferfarbenen Haaren.
Ein blauer Kinderfußball.
Und mit einem Mal kamen alle Zusammenhänge zu den Bildern zurück.
Das Mädchen mit dem Kupferhaar, das war ich, der Junge mein bester Freund Genzo Wakabayashi.
Der Junge der sich mit dem Mann stritt war mein Bruder Natsu und der Mann unser Vater, der kleine Junge war mein kleinerer Bruder Aki und das streitende Paar waren unsere Eltern, der alberne Junge Ryo Ishizaki, das wütende Mädchen Sanae Nakazawa, der Mann mit der Sonnenbrille Tasuo Mikami, die beiden Mädchen, meine Freundinnen Anna Kusukawa und Aono Shishija, die Fußballmannschaft der FC Nankats, das junge Mädchen meine jüngste Freundin Shiori Saeki.
Und dann der Junge der mich aufheiterte, noch einmal Genzo Wakabayashi.
Wenn ich es mir genau überlege war er praktisch schon immer mein bester Freund. Wir haben uns kennen gelernt als ich mit drei Jahren in den Kindergarten gekommen bin. Genzo war ein ganzes Jahr älter als ich und bereits ein totaler Fußballfan. Er hatte immer seinen blauen Kinderfußball bei sich und spielte damit.
Bei uns zuhause wurde auch immer Fußball gespielt, meine beiden älteren Brüder Haru, der Älteste, und Natsu, der Zweitälteste, er war damals gerade in die Schule gekommen spielten gerne Fußball und unser Vater spornte sie immer dazu an. Unsere Mutter sagte nie etwas dazu das unser Vater das so sehr unterstützte, aber ich glaube sie fand das er übertrieb.
In guter Familientradition war auch ich ziemlich ballverrückt und spielte immer mit meinen Brüdern im Garten, natürlich konnte ich noch nicht mit ihnen mithalten aber ich gab mir große Mühe und von meinen Brüdern wurde das stets honoriert, sie sparten nie mit Lob wenn ich etwas gut machte.
Wenn jemand Fußball spielte sah ich es also als ganz normal an das ich mitspielen durfte, nur Genzo sah es damals gar nicht als normal an jemanden mitspielen zu lassen. Um genau zu sein, war Genzo auch gerade erst in den Kindergarten gekommen, vorher hatte er eine private Betreuung gehabt, die seine Eltern arrangiert hatten. Bis eine Freundin seiner Mutter ihr geraten hatte Genzo ganz normal mit anderen Kindern seines Alters aufwachsen zu lassen, damit er trotz seines gesellschaftlichen Standes ein normales Sozialverhalten lernte.
Genzo und ich waren also die beiden Neuen, verstanden haben wir uns deswegen aber nicht und als ich mit ihm mit dem Ball spielen wollte schickte er mich grob weg. Das fand ich damals richtig doof und hab ihm einfach den Ball weggenommen. Das hieß natürlich Krieg, durch den ganzen Garten hatte er mich gejagt, bis er mich eingefangen hatte und als ich ihm dann seinen Ball immer noch nicht zurückgeben wollte hat er mich verhauen. So eine Tracht Prügel hab ich meinen Lebtag nicht wieder bezogen. Allerdings glaube ich das auch Genzo nie wieder so verhauen wurde, denn wie man daran sieht das ich anderen Kindern auch schon mal die Fußbälle klaue, ich bin nicht gerade die stille Unschuld vom Lande gewesen.
Natürlich sind wir erwischt worden und da wir uns ganz stur nicht beieinander entschuldigen wollten wurden wir bestraft und mussten eine ganz Stunde im Speisesaal sitzen und sollten uns nicht rühren. Unnötig zu erwähnen das wir das nicht geschafft haben, schon nach wenigen Minuten begann Genzo seinen Ball gegen die Wand zu kicken. So lange, bis mir der Ball vor die Füße rollte. Ich fand Genzo zu dem Zeitpunkt einfach nur doof, er wollte mich nicht mitspielen lasse, er hatte mich verprügelt und dann war ich auch noch wegen ihm bestrafft worden, ich dachte das er nur noch unsympathischer werden könnte. Ich wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben und hatte sogar beschlossen seinen Ball doof zu finden also hab ich ihn zu hm zurück geschossen, bloß weg von mir. Genzo hat mich ganz verdutz angesehen und ich konnte mir einfach nicht verkneifen zu sagen: „Ich find dich trotzdem doof.“
Da hat er erst recht komisch aus der Wäsche geschaut. Nun wirklich verdenken kann ich es ihm nicht.
„Ich mag dich auch nicht.“ Hat er mir dann geantwortet und mir den Ball trotzdem wieder zugeschossen. So ging das dann eine ganze Weile weiter, bis uns nicht mehr einfiel was wir noch zu einander sagen konnten. Also haben wir schweigend weiter gespielt, bis die Betreuerin uns holen kam. Sie muss wohl ziemlich überrascht gewesen sein, uns so vor zu finden, nicht brav sitzend wie wir es sollte aber auch nicht mehr streitend, vielmehr friedlich spielend. Auf jedenfalls wurden Genzo und ich so Freunde, und in den nächsten zwei Jahren bevor Genzo eingeschult wurde, wurde er noch mehr für mich. Meine Mutter bekam schnell mit das Genzo die meiste Zeit alleine war, da seine Eltern arbeiteten und so nahm sie meinen besten Freund beinahe in die Familie auf, damals war Genzo praktisch öfter bei uns als zuhause und wurde für uns fast zu einem Bruder.
Haru war Stürmer und Natsu ein fantastischer Verteidiger, später hatte man ihn als Genie auf dem Platz bezeichnet und sehr bedauert das er keine Profikariere angestrebt hatte. durch die beiden entdeckte Genzo sein Talent als Torhüter und sofort stand für ihn fest auf welcher Position er von nun an spielen würde. Ich selber war mir da nie so sicher, wo ich spielen wollte aber das ganze erledigte sich sowie so bald.
Es verging kein Tag an dem wir nicht zu viert im Garten zusammen Fußball spielten, bis mein Vater nach Hause kam. Anfangs hat er mich nur missbilligen ins Haus gerufen und mich zu meiner Mutter und meiner Zwillingsschwester in die Küche geschickt, später hat er mir sogar verboten mit den drei Jungs Fußball zu spielen, „Für ein Mädchen gehört sich so was nicht!“, hat er nur streng gesagt wenn ich nach dem warum gefragt habe. Das habe ich aber nicht wirklich verstanden und finde das Argument bis heute nicht besonders überzeugend.
Ich habe nicht auf ihn gehört und anfangs haben meine Brüder mich darin auch unterstützt, doch als er merkte das seine Anweisungen schlicht übergangen wurden, wurde mein Vater richtig wütend, wenn Genzo gegangen war schlug er mich sogar und schimpfte heftig mit meinen Brüdern weil sie mich mitspielen ließen. Meistens endete das Ganze in einem Streit zwischen meinen Eltern, da meine Mutter auch der Meinung war wenn es mir Spaß machte solle ich doch spielen.
Die erste große Hürde in meinem Leben war wohl als Genzo in die Schule kam und ich im Kindergarten alleine zurück blieb. Natürlich waren da auch andere Kinder mit denen ich mich gut verstand aber mit keinem war ich so gut befreundet wie mit Genzo und mit keinem konnte ich so einfach Fußball spielen.
Ein besonders schwerer Schock war es darum für mich als mein Vater mir mitteilte das ich und meine Schwester auf das Shirahara Mädchen Gymnasium gehen sollten. Ich hatte ja eigentlich gedacht das wir, wie unsere Brüder und Genzo auf die Shutetsuschule gehen würden, und ich hatte mich drauf gefreut das ich mit Genzo in der Schulmannschaft spielen würde, das hatten wir nämlich vorgehabt. Doch daraus wurde nun nichts, denn als ich merkte wie sich meine Eltern nur noch stritten wegen der Schule und ich wusste mein Vater würde nicht nach geben, behauptete ich einfach das es in Ordnung wäre wenn ich auf diese Schule ginge, nur damit sie aufhörten meinetwegen zu streiten.
Ich kann nicht behaupten das ich wirklich glücklich war an der Shiraharaschule, es wurden nur Mädchen Typische Sportarten angeboten, wie Ballett oder Bodenturnen, Rhythmische Gymnastik und Geräteturnen, alles nicht unbedingt etwas was ich mochte. Ich entschied mich damals für den musikalischen Weg und trat dem Chor bei und lernte Querflöte, das machte mir Spaß und mein Vater war zufrieden.
Während dieser Zeit war Genzo praktisch nie bei uns. Früher hatte ich ihn immer nach dem Kindergarten mit zu uns genommen aber von alleine war er nur gekommen wenn er eingeladen wurde, von ganz allein nie.
Meine Brüder kümmerten sich nie darum, sie waren beide zu sehr mit sich selber beschäftigt, denn sie spielten ja auch Fußball und das in der Schulmannschaft. Als ich eingeschult wurde nahmen beide zusammen an der Junioren Nationalmeisterschaft teil, Haru war damals elf, er war Kapitän der Mannschaft und Natsu war neun, für mehrere Jahre der Jüngste Stammspieler bei der Meisterschaft. Ich war wirklich stolz auf die beiden, vor allem als sie den Titel mit nach Hause brachten. Das war auch ungefähr die Zeit in der ich Genzo wiedersah. Um genau zu