Pigmentum
Leben ist Farbe
MausGRAU
Na das war doch ein super Start in den Tag, oder? Wollte er denn mehr? … Eigentlich nicht.
Der Regen hatte ihn genauso unvorbereitet getroffen, wie die verbale Attacke des ach so tollen Basketball-Asses Aomine Daiki und das hatte ihn schon im Vorfeld den Tag vermiest. Was ihn am meisten gegen den Strich ging, war die Tatsache das ihn sein Kapitän Imayoshi jederzeit zurück pfiff wie einen verdammten Pitt Bull. Er war kein verfluchter Hund! Ok, zugegeben, an diesen Aomine hatte er sich wirklich festgebissen, aber er konnte diesen … Typen wirklich nicht leiden. Er gehörte noch nie zu der Sorte Mensch die andere sonderlich nett fanden, oder sofort einen Freund in jemanden sahen, und das sahen die anderen, weiß Gott, auch nicht in ihm. Er scherte sich, zugegebener Massen, auch nicht sonderlich darum, wie sein Image auf andere wirkte, oder wie sympathisch oder unsympathisch ihn die Mitschüler fanden. Er lebte so in seinen Tag hinein, ging seinen Pflichten im Basketball-Club nach und nahm sich ganz bewusst die Zeit für seine anderen Hobbys. Und das hieß Fahrrad fahren und zwar bis zur Erschöpfung.
Doch als er sich gerade einmal warm gefahren hatte, fielen schon die ersten, zunächst, zarten Tropfen vom Himmel, die mehr ankündigten. Die Nachhut fiel wenige Augenblicke auf ihn hinab, wie Kieselsteine. Hart und ungeahnt kalt.
Nun war sein Tag noch um einiges schlimmer geworden, also eine Steigerung, war wirklich unmöglich. Zumindest ging der blonde Center momentan davon aus.
Das Gesicht zur Faust geballt, trat er ein wenig kräftiger in die Pedale und raste über den nassen Asphalt. Durch den starken Regen, war seine Sicht wirklich stark beeinträchtigt, doch weit und breit war niemand zu sehen, also behielt er sein Tempo bei und verlangsamte es erst, als er sich einer kleinen Kreuzung näherte.
Die angeblich nicht eintreffende Steigerung, seines ohnehin wirklich miesen Tages, schlug ein wie ein Blitz, den der Donnergott Zeus persönlich geschickt hatte.
Denn wie aus dem Nichts, sprang ein Schatten von der Straßenecke, die auch ohne Regen schlecht einzusehen war, hervor und holte Wakamatsu mit einer ungeahnten Wucht von seinem Drahtesel, das er nicht einmal die Zeit hatte erschrocken zu sein.
In einem dumpfem Stöhnen entwich ihm die Luft, bei dem Aufprall auf dem nassen Asphalt, sein Fahrrad rutschte dabei etwa ein Meter weiter über den Boden und er selbst, hatte auch eine zirkusreife Vorwärtsrolle hingelegt.
Schnell hatte der blonde Hüne sich wieder aufgerappelt und suchte sofort mit vor Zorn gerötetem Kopf die nähere Umgebung ab. Zähneknirschend, sah er die Person die ihre Kapuze tief ins Gesicht gezogen hatte und ebenfalls am Boden kauerte und sprang auf.
»Geht´s noch?!«, blaffte Wakamatsu los und packte die Person ruppig am Kragen ihres Pullovers. »Du Komiker kannst doch nicht einfach so über die Straße rennen!«, brüllte er ungehalten.
Da fiel die Kapuze der Person zurück und ihn funkelte ein dunkles paar Augen finster und uneinsichtig an. Und schnell hatte sich gezeigt das ihn ein Mädchen mit einem Tackle vom Fahrrad geholt hatte. Ihre braunen kurzen Haare klebten ihr wirr im Gesicht und kräuselten sich schon durch die Nässe.
»Du beschränkter Idiot kannst hier auf deinem Klappfahrrad nicht so rumrasen!«, entgegnete sie im gleichen rauen Tonfall und vor allem in der gleichen Lautstärke.
Für einen kurzen Moment war der Blonde sichtlich sprachlos, doch er fand seinen Antrieb für die nächste Verbale Ohrfeige schnell wieder.
»Mach verdammt noch mal die Augen auf!«
Da schlug sie mit einem kräftigen Ruck seine Hand von ihrem Pulloverkragen und fixierte ihn mürrisch.
»Du bist ebenso in der Pflicht aufmerksam zu sein. Und jetzt nimm dein scheiß Altmetall und mach dich vom Acker.«, knurrte sie und zeigte mit einem kurzen Ruck mit den Daumen hinter sich, um zu signalisieren das er sich gefälligst in Luft aufzulösen hatte.
Das ihn das Mädchen so anging, war nicht die beste Taktik, denn er war ohnehin verteufelt schlecht gelaunt. Bedrohlich pumpte sich eine Ader in Schläfenhöhe und am Hals auf. Es war pure Willenskraft nötig, dieser Göre nicht das Fahrrad entgegen zu werfen. Also entschied er sich spontan für einen weiteren lauteren Schlagabtausch.
»Wie sprichst du überhaupt mit mir?«
»So wie ich es für richtig halte, niederes Volk.«, konterte sie herablassend und hob, um ihren Worten den optischen I-Punkt zu verleihen, eine Braue. »Und jetz geh mir aus der Sonne.«
Das war nun wirklich das Maß aller Dinge. Das Schicksal hatte es doch wirklich fertig gebracht, diesem verflucht miesen Tag eine Steigerung zu verpassen. Das legte die Messlatte für folgende unbrauchbare Tage, wirklich arg weit oben an und musste erstmal getoppt werden.
Doch bevor der Center auch nur Luft holen konnte, um sich weiter mit ihr auseinander zu setzten, hatte sie ihre Nase leicht theatralisch angehoben und war, geradezu spöttisch, an ihm vorbei stolziert.
Sein innerer Impuls war darauf eingestellt sie notfalls am Arm zu packen und die herum zu wirbeln, aber ein schmerzhaftes Pochen in seiner Kniescheibe, holte ihn in die Realität zurück und er sah einen flüchtigen Augenblick zu seinem Fahrrad welches noch immer mitten auf der Straße lag. Er hatte wirklich Glück, das in diesem Viertel nicht allzu viel Verkehr herrschte, … abgesehen von wild umher rennenden Weibsbildern, die einem besser als jeder Footballspieler vom Drahtesel holten, ohne auch nur ein Wort der Entschuldigung zu äußern. Im Gegenteil! Sie wurde noch frech.
Langsam war seine Geduld und an einem wirklich heiklen Level angelangt und er schaukelte sich selbst auch immer zu hoch.
Als er so seinen Gedanken verfolgte, wie dreist sie sich verhalten hatte, vergaß er völlig darüber, dass er vielleicht auch mal den Fehler bei sich hätte suchen sollen. Auch sein Fehlverhalten hatte er nicht entschuldigt. Doch während er dein Fahrrad aufhob, legte er sich zurecht was er ihr noch entgegnen könne, doch wie er sich umdrehte, war sie bereits verschwunden und er stand mit seinem Fahrrad, triefnass allein im, noch immer andauernden Regen.
…
Was für ein wirklich mieser Tag.
Da ihm das Pochen im Knie wie ein Warnsignal schien, stieg er nicht mehr auf sein Fahrrad, sondern schob das Zweirad nach Hause.
Er hatte noch nicht ganz den Drahtesel wieder weggeschlossen und sich ein Handtuch geschnappt, da kam völlig aufgelöst und sichtlich enttäuscht, seine Mutter mit einem Brief in der Hand auf ihren Sohn zu.
»Das hast du nun davon!«, mahnte sie und drückte ihren, um Köpfe größeren Sohn, den Brief in die Hand.
Genervt aufstöhnend lass er ihn sich durch und drückte ihn ihr wieder in die Hand.
»Das können die vergessen.«, knurrte Wakamatsu und trocknete sich die nassen blonden Haare. »Die tun ja gerade so, als wäre ich eine Gefahr für die Allgemeinheit.«
»Du bist eine Gefahr für die Allgemeinheit, Kōsuke.«, entgegnete seine Mutter gewohnt trocken. »Es kann nicht sein, dass du seit Schuljahresbeginn noch mehr Verweise und Ermahnungen mit nach Hause bringst als sonst. Und jetzt musst du langsam etwas dagegen tun, oder sie verweisen dich der Schule. Das heißt kein Basketball mehr und vor allem kein Abschluss.«
Im Stillen musste er seiner Mutter recht geben, in jedem Punkt. Er war nie der ruhigste, aber seit Beginn des neuen Schuljahres war er wirklich noch leichter zu reizten und aufbrausender, als ohnehin schon. Nicht selten war bei Eltern-Lehrern-Gesprächen die Rede davon das er geradezu Cholerisch war. Bei den Wort „Cholerisch“ musste er unwillkürlich an alte kleine dicke Männer denken, die der ganzen Welt die Schuld an ihrem Versagen gaben. Aber so war er nicht, er war … ja, … ok, er war unzufrieden. Womit? Mit allem und nichts. Er wusste es selbst nicht, es war einfach eine undefinierbare Unzufriedenheit die sich einfach so entwickelt hatte, aus irgendwelchen nichtigen Situationen heraus, die er unwillkürlich und Sinnloserweise aufgebauscht hatte.
Genervt kratzte Wakamatsu sich im Nacken und nahm seiner Mutter nun den Flyer ab, denn sie ihn provokant entgegen hielt.
»Was ist das?«, fragte er rau und überflog das Blatt, auf den in leuchtenden Farben und auffällig bunt, das Wort „Pigmentum“ stand und darunter eher dezent und kleingedruckt: „Das Leben ist nicht schwarz und weiß.“
»Das ist die „Selbsthilfegruppe“ für Jugendliche mit Aggressionsproblemen.«, erwiderte sein Vormund. »Und wenn du weiter Basketball spielen willst, wirst du regelmäßig dorthin gehen, die Kurse besuchen, mit dem Psychologen reden und verdammt noch mal dein Leben in den Griff bekommen.«, und mit diesen Worten drehte sie ihm, ihn einen letzten bösen Blick schenkend, den Rücken zu und ließ den Center stehen.
Die Gefühlswelt in Farben sehen?
Skeptisch sah er aus dem Fenster, in den Wolkenverhangenen Himmel, der erbarmungslos den Regen schickte.
Grau …
MausGRAU.
Ja, so könnte man es im Moment beschreiben, oder einfärben.