Schwarze Flammen
Stille
Stille
Ohrenbetäubende Stille. In mir und um mich herum.
Ich kann sie schmecken, ihren warmen, abgestandenen Geschmack. Ich kann sie fühlen, die zum schneiden dicke Trägheit der Stille.
Und mit der Stille ist der Schmerz. Er hat sich hervorgekämpft aus meinem Innersten, stellt sich vor mich, umhüllt mich, füllt mich ganz aus. Er lässt mich nicht klar denken, gar nicht denken, nur Schmerz. Ich kann ihn fühlen, in meinem Körper und die heiße, beißende Kälte in meinem Magen.
Diesesmal lässt er sich nicht verdrängen, nicht wegschieben in die tiefsten Tiefen des Ortes, den ich Seele nenne. Er wartet nicht, bis er verblasst ist, bis er überdeckt ist mit dem, was andere sonst von mir zu Gesicht bekommen. Dieser Schmerz ist stumpf und spitz, nimmt mir den Atem und nimmt mir den Halt. Er reißt mich von den Füßen, nur um mich wieder heraufzuziehen und von vorn zu beginnen. Es gibt kein Ende, kein Verschnaufen, nur Schmerz.
Ich sehe ihre Augen, ihre Augen die mich anklagen, den Schmerz in ihnen. Doch ihr Schmerz ist anders. Enttäuschung. Ihr Blick brennt sich in meinen Körper, stärkt den Schmerz, nährt ihn wie dunkle Flammen. Ich will das es aufhört, doch ich werde nicht erhört. Es gibt keinen Grund, es muss so sein.
In meiner Kehle brennen ungeweinte Tränen, ich spüre sie mit jedem quälenden Atemzug. Ich will sie aus mir herauspressen, ihnen die Freiheit schenken, doch sie erreichen meine Augen nicht,das tun sie nie. Sie bleiben in meinem Hals stecken und lassen mich in ihnen ertrinken. Ich kann es schmecken, das Salz meiner Trauer, meines Schmerzes. Doch kein anderer wird es jemals schmecken. Man verbietet es mir, mein Körper, mein Geist verbieten es mir. Es würde den Schmerz lindern, den Flammen ein wenig Nahrung nehmen. Es würde jemandem rufen, der sie für mich austritt, doch so darf es nicht sein.
Ich muss alleine in den Flammen erfrieren, muss den Schmerz zulassen und mich verschlingen lassen. Mein Herz schlägt schneller, will nicht zerrissen werden von der Schuld in ihren Augen. Es schreit, doch es wird nicht erhört werden. Niemand hört ihm zu, niemand darf es je hören.
Ich versuche die Flammen zu besänftigen, doch sie sind stärker. Stärker als je zuvor, stärker als ich jemals war, jemals sein kann. Ich allein.
Ein Wort und ich könnte wieder atmen, eine Geste und ich könnte wieder denken. Doch in mir ist Stille, und um mich ist Stille. Er gehorcht mir nicht, der Mund, auch mein Körper gehorcht mir nicht. Hat er mir je gehorcht? Was soll ich tun. Es wird nicht besser, es wird schlimmer, wenn ich die Stille nicht durchbrechen kann.
Ich will schreien, kämpfen, weinen, doch nichts geht mehr. Die schwarzen Flammen lähmen mich, betäuben meinen Körper, befeuern meinen Geist.
Wieso sieht sie denn keiner? Niemand soll sie sehen! Es ist meine Schuld, dass sagen auch ihre ungesprochenen Worte, ihre stumme Anklage.
Wer war früher immer da? Wer hat damals die Flammen gesehen? Wer hat sonst meinen Schmerz zurückgedrängt, ihn verblassen lassen? Ich war nicht immer allein.
Ich weiß es nicht mehr. Alles ist gelähmt im weißen dunkel des Nebels, in mir und in den Flammen.
Wer soll mich jetzt noch finden? Wer wird jetzt noch das kleine Ich finden, welches verzweifelt den Flammen in meinem Körper erliegt?
Ich will mich ausdrücken, egal wie. Doch es geht nicht. Das Ich stirbt. In jeder Sekunde etwas mehr. Es kreischt, bittet um Hilfe, doch der Schmerz setzt sich auch in seine Kehle. Lässt es verstummen, ersticken; in den Flammen ertrinken.
Bis nichts mehr übrig ist. Alles wird verzehrt von schwarzen Flammen des Schmerzes und der Schuld.
Doch alles was ich sehe sind ihre Augen. Und sie verheißen viel mehr Schmerz, als die Flammen je könnten. Verloren.
Es ist sinnlos, das Ich in mir gibt auf, will nicht mehr kämpfen, nur noch schlafen. Für immer und ewig schlafen, weg von dem Schmerz, weg von Schuld und diesen Augen. Nie mehr aufwachen, nie wieder stark sein müssen, nie mehr leben. Einfach sterben und schlafen, an einen Ort gelangen, der selbst für die Flammen unerreichbar bleibt.
Die stumme Resignation befeuert das Leid, ergötzt sich an der Verzweiflung der Schwäche. Vereinnahmt das Ich, zerfetzt, verschluckt, verbirgt es vor mir.
Das Ich gibt auf, ich gebe auf.
Lasse den Widerstand fallen, kümmere mich nicht mehr um die leeren Worthülsen, die der gelähmte Kopf geformt hat und die der Mund nicht sprechen konnte.
Lasse mich unter den tosenden Massen der Wellen begraben, lasse mich frei, nicht mehr denken, nicht mehr fühlen, nicht mehr sein.
Der Ausdruck in den Augen verändert sich. Was sagt er aus? Ich kann es nicht mehr erkennen. Angst? Abscheu?
Mein Körper zittert. Liegt es an dem eisigem Flammensturm, der durch meine Adern und mein Innerstes weht? Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es auch nur mein rasendes Herz, welches meinen Körper im gleichen Takt pulsieren lässt.
Die letzte Frage, die mein Geist zu formen vermag, kreist um diese besondere namenlose Person, die sonst bei mir gewesen ist. Die rasselnden Atemzüge, welche es vermochten getan zu werden, rauschen in meinen Ohren, vermischen sich mit einem durchdringenden hohen Ton. Und dann Stille. Hoffentlich für immer.