klebrigem Blut. An meinen Armen klebte Blut. An meiner Brust, an meinem Bauch. „Es.... es ging die ganze Zeit gar nicht um Shampoo?“ fragte ich flüsternd mit zitternder Stimme ins Nichts. Paps, Kasumi, Nabiki,.... Ranma... sie alle haben um.... MICH geweint...? Um MEINEN..... Tod.
„NEEEEIIIIIN!“ heulte ich zur Decke hinauf mit meiner ganzen Stimmgewalt und wusste doch, dass mich niemand auf der ganzen Welt hören konnte. Mein Blick glitt hin und her zwischen dem Blut und meinem..... Leichnam. Dem Blut..... meinem Leichnam. Dem Blut, meinem Leichnam, dem Blut, meinem Leichnam, dem Blut, meinem Leichnam.
Und dann.... fiel es mir schlagartig wieder ein. Wie ein helles Licht in einem dunklen Raum fand ich das fehlende Puzzleteil, nachdem ich die vergangenen Stunden so verzweifelt gesucht hatte. Ich sah jenen Tag vor mir... Wie durch einen dichten Nebel und doch so klar setzten sich die Bilder vor meinem inneren Auge wieder zusammen. Sie zeigten meinen Weg nachhause. Der Regen goss wie aus Eimern vom grauen Himmel. Nach einem Streit mit meiner Familie am Vortag war ich davongelaufen, war einfach losgerannt, ohne ein Ziel vor Augen zu haben. Ich wollte zeigen, dass ich stark bin, wollte mich beweisen. Doch bereits am nächsten Tag hatte das Wetter umgeschlagen und verdrängte alsbald meine Pläne auf ungerechteste Art und Weise. Schimpfend stampfte ich mit meinen gelben Gummistiefeln durch die Pfützen. Auf dem Spielplatz, wo ich die Nacht verbracht hatte, hätte ich nicht so lange bleiben können. Es sah nach einem Sturm aus. Wohl oder übel musste ich wieder nachhause.
Doch auf einmal sah ich Ranma. Mit einem knallroten Regenschirm, den er mit beiden Händen über sich hielt, kam er mir entgegen. Als seine Augen mich erblickten, fuhr ihm ein warmes Lächeln übers Gesicht und er eilte zu mir, um mir etwas Platz unter dem kleinen Schirm zu machen.
„Zuhause haben sich alle Sorgen um dich gemacht“ sagte er mit einer reuevollen Stimme.
„Ach ja?“ fragte ich schmollend mit abgewandtem Blick. „Als ob...“
„Es stimmt!“ rief Ranma scheinbar sehr bedacht darauf, mich zu überzeugen und kratzte sich im nächsten Moment leicht verlegen am Nacken. „Ohne dich geht zuhause irgendwie alles drunter und drüber. Nabiki scheint aus irgendeinem Grund nicht mehr so cool und gelassen wie sonst zu sein. Scheinbar hast du ihr mit deinem Verschwinden ganz schön Angst eingejagt. Dein Vater heult sowieso den ganzen Tag nur, weswegen mir mein Vater permanent vorwurfsvoll im Nacken sitzt. Und weil alle so ausflippen, kümmert sich auch Kasumi irgendwie um gar nichts mehr. So gleichgültig, wie seit du weggelaufen bist, habe ich sie noch nie erlebt...“ Kopfschüttelnd brach er ab, als seine Worte immer leiser wurden.
„Hmph... Mich scheint also jeder unglaublich vermisst zu haben. Nur dir geht es wie immer prächtig, nehme ich an!“ fuhr ich in noch immer beleidigtem Ton fort.
Nachdenklich sank sein Blick zu Boden. „Du weißt doch ganz genau“ setzte er flüsternd an. „Dass das nicht so ist.“ Ein hauchzartes Lächeln berührte für einen Wimpernschlag seine Lippen. „Ohne dich ist alles nur halb da. Es fühlt sich so... unvollständig an. Auch wenn wir uns immer streiten... zeigt es mir doch... zeigst DU mir doch... dass ich am Leben bin.“
„Ich... ehm...“ begann ich stotternd. „Ich war doch nur einen einzigen Tag weg.“
Plötzlich wehte eine starke Windböe auf, sodass ich instinktiv nach dem Griff des Schirms fasste. Erst einige Momente später registrierte ich, dass ich dabei aus Versehen seine Hand berührt hatte. Verlegen wollte ich sie wegnehmen, doch auf einmal spürte ich, wie er sie mit seiner fest umschloss. Lange Momente der Stille zogen vorüber und riefen ein starkes Kribbeln in meinem Bauch hervor.
Auf einmal legte sich ein so warmes Lächeln, wie ich es noch nie an ihm sah, über seine Augen und Lippen, als er leise sagte: „Nur ein Tag ohne dich ist eine Ewigkeit.“
...
Die Zeit schien still zu stehen, als er mir diese Worte sagte, die mein Herz so heiß berührten. Alles um mich herum verschwamm und wurde eins mit den vielen dicken Regentropfen, sodass ich nur wie hinter einem Schleier sah, was daraufhin geschah. „Keine Sorge, ich werde dich nie wieder alleine lassen“ versprach ich ihm liebevoll und machte endlich Platz in meiner Brust. Nur bruchstückartig erinnerte ich mich, dass er mich daraufhin zärtlich küsste, spürte mein Glück, das jedoch nicht lange anhalten sollte. Hinter mir tauchte eine dritte Person auf. Mit einer bösen Vorahnung wandte ich mein Gesicht herum und erkannte eine Gestalt, die nur ein kleines Stück größer als ich war und einen dunklen Regenmantel trug. Alles geschah in Sekundenschnelle. Unter der Kapuze schärften sich Shampoos Gesichtszüge. Hasserfüllt funkelte sie uns beide an, starrte auf unseren zärtlichen Händekontakt und zog dann, ohne ein einziges Wort auszusprechen ein langes Messer hervor, um es mir kaltblütig und ohne zu zögern in den Rücken zu rammen. Sie drückte so fest zu, dass die Klinge sich vollständig durch meinen Körper bohrte und die Messerspitze an meiner Brust zum Vorschein kam.
Glück. Eben hatte ich es noch empfunden. War erfüllt von diesem wunderbaren Gefühl. Und plötzlich zog sich alles in mir zusammen. Erschrocken fuhr ich zurück und fasste mir über die Wunde. Tiefrotes Blut schoss heraus, wurde von meinen Händen achtlos verwischt, klebte an meinem ganzen Körper. Alles um mich herum färbte sich in diese schreckliche Farbe. Fragend und hilfesuchend blickte ich Ranma ins Gesicht und hielt meine blutverschmierten Hände hoch. Erst als sich mir die Kehle zuschnürte und ich plötzlich Blut spuckte, bemerkte ich den Schmerz, den unglaublich starken, fürchterlichen Schmerz.
„AKANEEE!!!“ brüllte Ranma verzweifelt und fing mich auf, als Shampoo mit einem Ruck, das Messer wieder aus meinem Körper herauszog. Der Regenschirm fiel zu Boden. Wieder und wieder rief er meinen Namen, streichelte mir hektisch und zitternd übers Gesicht und beschwor, dass alles wieder gut werden würde. Ich wollte ihm recht geben, doch meine Stimme hatte längst nachgelassen. Und das Atmen wurde zu anstrengend...
„NEEIIIN!“ heulte er laut auf und presste meinen Körper eng an seine Brust. Ich sah ihn, wie er da in verwandeltem Zustand saß und sein hübsches weibliches Gesicht sich zu einer schmerzerfüllten Grimasse formte. Ich sah mich. Ich sah alles von oben herab. Ich sah das Blut, sah wie Ranma sich selbst in dieses Blut tränkte, sah wie er mit meinem leblosen Körper schnell auf und abwog und zu weinen begann, wie ich ihn noch nie weinen gesehen hatte... Hörte Shampoo eiskalt „Endlich...“ hauchen. Und sah.... wie Ranmas Blick sich verfinsterte... so kalt und gefühllos wurde, wie ein Blick nur sein kann und dann mit einem lauten hasserfüllten Schrei aufsprang und ihr das Messer aus der Hand riss, um sie selbst damit zu erdolchen. Noch mehr Blut. Blut... überall. Blut, das sich mit dem Regen vermischte. Shampoo wehrte sich nicht wirklich. Immer wieder stach er auf das Mädchen in dem dunklen Regenmantel ein. „Stirb, stirb, stirb, du verfluchtes Miststück!!“ kreischte er hysterisch und war wie vollkommen ausgewechselt. „STIIIIIRB!“
Sie war schon lange tot, als er am Boden lag und laut weinend noch immer das Messer in sie hineinstach.
Erst als er bewusstlos zusammenbrach, nachdem er Shampoo ermordet hatte, um meinen Tod zu rächen, kehrte Stille ein.
... meinen Tod...
Ich war gestorben... Und Ranma... Er liebte mich so sehr, dass er dafür zum Mörder wurde. Nie konnte ich ihm sagen, wie sehr ich ihn ebenfalls liebte. Was hätte ich darum gegeben, nur noch eine Chance dazu zu bekommen... Eine einzige Chance!
Tonlos starrte ich auf meine schmutzigen Hände, als ich jenes Puzzleteil, nachdem ich so verzweifelt gesucht und das ich endlich wiedergefunden hatte, am liebsten wieder verdammt hätte. Immer noch fassungslos und in einer schmerzhaften, festen Starre gefangen, wanderte mein Blick zu meinem eigenen regungslosen Körper. Meine Haut war grau, mein Gesicht ausdruckslos. Und gekleidet war ich in meinen Karate-Gi. Es war das, worin ich mich am wohlsten gefühlt habe... Das, worin Ranma mich das erste Mal gesehen hatte. Das, worin ich stark war und immer weiter kämpfte.
Nur aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass Ranma plötzlich einen spitzen, glänzenden Gegenstand in der Hand hielt. Geschockt erkannte ich es wieder: Es war das Messer, mit dem Shampoo mich...
Entschlossen und mit kalter Miene hob er es steil mit der Klinge auf sich selbst gerichtet an. Es regte sich kein Gesichtsmuskel der Furcht. Das einzige Gefühl, das sich in seinem Gesicht abzeichnete, war die tiefe Trauer. Die Tränen quollen aus seinen Augen und rannen in Strömen sein Gesicht hinab, tropften von seiner Nasenspitze, liefen in seine Mundwinkel. Nur für den Bruchteil einer Sekunde funkelten seine Augen ein ganz klein wenig auf, als er den Griff des Messers fester umschloss und es sich dann selbst in die Brust stach. Den Blick nicht von meinem kaltem Leichnam lassend, keuchte er auf. „Nur ein Tag... ohne dich... ist eine Ewigkeit...“
„... AKANE!!“
...
*Nur ein Tag ohne dich ist eine Ewigkeit*
...
*Nur ein Tag ohne dich ist eine Ewigkeit*
...
*Nur ein Tag ohne dich...*
*... Nur ein Tag...*
*... ohne dich...*
*... ist eine Ewigkeit*
*Nur ein Tag ohne dich...*
...