Fanfic: Kenka Matsuri

eine sehr lange Zeit nicht mehr zu sehen, war bedrückend. Ein Trost war Mayas Versprechen, dass sie auf jeden Fall in Kontakt bleiben, sich ständig schreiben, und so oft es nur möglich war besuchen würden.

Am Hauseingang der Nakamuras angekommen, nahmen die Freundinnen Abschied voneinander.

"Also liebe Chiyo -" Maya grinste schief. "hör dir das an, das klingt ja, als wollt ich dich beerdigen ... Nee, Scherz! Also, nochmal: Du weißt, wenn`s nach mit ginge, würd ich morgen einfach schwänzen, und mit zum Flughafen kommen, aber wegen der Geschichts-Arbeit morgen will meine Mutter es mir nicht erlauben - du weißt ja, wie sie ist ... Na, und ohne ihre Entschudigung steh ich natürlich schlecht da, aslo ... wie dem auch sei, wir schreiben uns, und wir besuchen uns ... und wir müssen auch regelmäßig telefonieren, ich weiß, diese Auslandsdinger sindteuer, aber scheißegal!"

"Natürlich werden wir das!" Chiyo nickte eifrig. "Und in den Ferien komme ich natürlich her!"

"Ha! Dann war`s wohl nix mit Chiyo-freie-Zone!" krähte Maya.

"Neee, darauf kannst du Gift nehmen!"

"Lieber nicht - hast du denn sonst alles hier erledigt?!"

Chiyo runzelte die Stirn. "Glaub schon ... alle Schulden sind beglichen - abgesehen von meinen eigenen natürlich, wär ja schön blöd - alle Entschuldigungen und Wiedergutmachungen sind auch erledigt -"

"Die Geschichte mit Jensi von der letzten Klassenfahrt auch?"

"Als wir seine Klamotten geklaut haben? Klar!"

"Echt? Wann denn?"

"Na, neulich erst, in der Pause, weißt du nicht mehr?"

"Du meinst, als du zu ihm gegangen bist, ihm eine runtergehauen und gebrüllt hast `Na, Jensi, war doch gar nich so schlimm`?"

"Genau!"

"Na dann ... heißt es jetzt wohl Abschied nehmen ... mach`s gut, altes Haus!"

"Du auch, Maya!"

Die Mädchen umarmten sich, und nach einer längeren Wink-Phase, die andauerte bis Maya nicht mehr zu sehen war, betrat Chiyo das Haus.

*****

Den größten Teil des Tages verbrachte Chiyo damit ihren Eltern in dem mittlerweile fastb leeren Haus zu helfen letzte Dinge in Kisten zu vestauen, und Handgepäck für den Flieger durchzusehen. Am Abend hatte sie sich gerade in ihr Kanji-Lehrbuch vertieft, als ihre Mutter in ihr Zimmer gerauscht kam.

"Schatz - tut mir leid, dass ich hier so einfach reinplatze -"

"Macht nix, Mama!"

"-aber du musst mir mal wieder hier bei etwas helfen, ich werde noch wahnsinnig, diese ganzen Feiertage! Du kannst die doch alle, oder?"

"Auswendig." erwiederte Chiyo routiniert. Seit ihr eigenes Wissen, was die japanische Kultur und Sprache anbelangte umfassender war, als das ihrer Mutter (Was nicht allzu lange gedauert hatte) war es zum regelmäßigen Ritual für sie geworden, kurz vor dem jeweilig anstehenden Urlaub einen Crash-Kurs in irgendwelchen Etiketten-Regeln oder Feiertagsdaten mit ihrer Mutter zu veranstalten.

"Gut ... also, dieser ... `Tag der Verehrung der Ahnen` ..."

"Keiro no hi?"

"Äh ..." Ihre Mutter spickte in ihr obligatorisches Handbuch, ihr treuer und berüchtigter Begleiter auf all ihren bisherigen Japanreisen, wie Chiyo wusste, und das, schon weit mehr Schaden als Nutzen angerichtet hatte. "... genau! Der ist am dreiundzwanzigsten September!"

"Am fünfzehnten." erwiederte Chiyo, ohne aufzublicken.

"Mein ich doch! Ja ... ähem ... und was war noch gleich am dreiundzwanzigsten?" "Herbstanfang, Mama."

"Achja! Nagut, und im Oktober ... Ha! Das weiß ich jetzt aber! Am vierzehnten und fünfzehnten Oktober ist das äh ... `Himeji - Das Fest der Sportler`!"

"Der `Kämpfer`, Mama. `Kenka Matsuri - Das Fest der Kämpfer`." sagte Chiyo automatisch.

"Hää? ... Uups, in der Zeile verrutscht! Hmmm, das Erntedankfest war am dreiundzwanzigsten November aber wann war noch mal dieses `Sieben-Fünf-Drei- Fest`?"

"Das `shichi go san - oder auch Sieben-Fünf-Drei-Fest, am fünfzehnten November, Mama. Weißt du nicht mehr? Mich habt ihr erst mit sieben zum Schrein gebracht, weil ich, als ich drei war, am fünfzehnten November die Masern hatte." An diesem Tag wurden siebenjährige Mädchen, fünfjährige Jungen und dreijährige Mädchen und Jungen fein und traditionell gekleidet und zu lokalen Schreinen mitgenommen.

"Schön, also noch mal von vorne! `Der Ahne der Verehrung` ... äh ... Tag ... ähm .. na sag schon ..."

" ... ` "

*****

Am nächsten Morgen lief so ziemlich alles schief, was schief laufen konnte. Die gesamte Familie verschlief, und als Chiyo schließlich recht verwirrt um halb Sieben aufwachte (Aus einem konfusen Traum, in dem es aber mit Sicherheit um Feiertage gegangen war) und feststellen musste, dass sie um diese Zeit eigentlich schon am Flughafen sein wollten, gab sie laut kreischen Alarm - recht effektiv, allerdings ziemlich verspätet - ihre Eltern vielen aus dem Bett, dem lauten Gepolter nach zu schließen, der - sich trotz vielfach angefallener Zweifel immer noch Katze-nennende - und sogar für einen Hund übergewichtige Pelzsack namens Bo war nirgends aufzufinden und zu allem Überfluss hatte das am Vortag noch herrlich warme frühherbstliche Wetter endgültig seinen Geist aufgegeben, und es goss in Strömen.

Kurz und gut - der Tag begann in einer einzigen Katastrophe, die nicht enden wollte. In aller Eile angezogen konnte man sich nach einigem Hin-und- Her schließlich zumindest darauf einigen, das Frühstück erst im Flieger einzunehmen - was auch immer das bedeuten mochte - Und nach einer weiteren ebenso fieberhaften wie fruchtlosen Suche nach Bo, den Chiyo schließlich in einer der bereits abgeschraubten Toiletten entdeckte, hupte draußen das Taxi, das Herr Nakamura geistesgegenwärtig gleich nach dem hastigen Aufstehen bestellt hatte.

Am Flughafen ging die Hetzerei dann weiter - es stellte sich heraus, dass die Maschine, die die Nakamuras nehmen mussten, offenbar plötzlich von einem anderen Gate aus startete, als sie gedacht hatten, also rasten sie um viertel vor Acht durch den halben Flughafen, zu einem anderen Terminal, um dort festzustellen, dass der Flug eine Stunde Verspätung hatte.

"So eine Hetzerei, und das alles für nichts!" seufzte Frau Nakamura, während sie Bo in seinem Korb - unter sichtbaren Anstrengungen - auf einen Sitz in dem Wartebereich hievte, und sich dann daneben niederließ.

"Nun, zumindest verpassen wir unseren Flieger nicht!" ächzte Herr Nakamura mit dem Anflug eines Lächelns, als er es seiner Frau nachtat, und sich auf einen der recht unbequemen Plastiksitze sinken ließ.

*****

Am darauffolgenden Tag erwachte Chiyo auf dem Futon in ihrem Zimmer, und war sich eine Weile nicht ganz klar darüber, was sie geweckt hatte. Nirgendwo in dem großen Haus war ein Laut zu hören. Es musste noch sehr früh sein - die Morgendämmerung war bereits hereingebrochen und schickte kühles Licht durch die papierenen Wände ihrer Fenster. Äußerst widerwillig kroch Chiyo unter ihrer warmen Decke hervor, richtete sich auf und tappte barfuß zu den Schiebetüren, die ihr Zimmer von der kleinen Veranda trennten, die auf den Garten hinausführte. Die Kälte in dem kleinen Raum, die sofort, wie mit klammen Fingern nach ihren nackten Beinen griff, überzeugte sie vollends, dass dies kein Traum war, und sie die schrecklich nervige, wenn auch sehr ereignislose Reise überstanden hatte. Sie waren in der Nacht vorher erst nach Mitternacht eingetroffen, und die strapaziöse Zugfahrt nach Kyoto, die nach dem Flug bis nach Tokyo noch angestanden hatte hatte Chiyo auch die letzten Lebensgeister geraubt; Sie war, nachdem sie - wie es ihr vorgekommen war - mit dem letzten Rest ihrer Kraft ihren Großvater begrüßt hatte (Maria hatte natürlich längst geschlafen), wie ein Stein auf ihr Lager gefallen, und dort sofort eingeschlafen.

Zitternd vor Kälte, schob sie nun die Türen auf und blickte entzückt hinaus auf den Garten, traditionell angelegt, mit einem kleinen Bach und einer Steinbrücke darüber. Alles war in morgendlichen, sich vom sanft weiß-grauen Himmel kaum unterscheidenen Nebel getaucht, und glänzte vom Tau. Und es war eiskalt!

Bibbernd schob Chiyo die Türen wieder zu und stakste zum Schrank, in dem sie glücklicherweise einen, der kühleren Jahreszeit entsprechenden gefütterten Yukata fand, in den sie sich rasch hüllte. Dann machte sie sich daran, den kleinen Ofen zu heizen - sie hätte es schon gestern abend machen sollen, dann wäre sie heute nicht in solch einer Eiskammer aufgewacht. Nun war es allerdings nicht mehr zu ändern, und nachdem sie das kleine Gasgerät halbwegs zum Laufen gebracht hatte, schlüpfte sie in ihre Hausschuhe, nahm noch ein Handtuch aus dem Schrank und machte sich auf den Weg in das etws abseits vom Hauptgebäude liegende Badehaus.

Verwundert blieb sie vor dem altmodischen, kleinen Gebäude stehen; Es sah viel heruntergekommener aus, als sie es in Erinnerung hatte. Der Putz war abgeblättert, und einige der Dachziegel sahen aus, als häte man versucht, mit Gewalt welche herunterzureißen. Diealte Zedernholztür hing etwas morsch in den Angeln, sie war zerkratzt und an einigen Stellen stark eingedellt.

Wie seltsam! Dachte Chiyo sich; wo ihr Großvater doch immer so peinlich auf alles, was zu seinem Erbe gehörte, und dessen Instandhaltung achtete. Immerhin befand sich das Anwesen schon seit ewigen Zeiten im Besitz der Familie, wie sie wusste, und man sagte sogar, einer der ältesten Nakamura sei der Spross einer alten Samuraifamilie gewesen. Es passte so gar nicht zu ihrem Großvater, dieses Zeugnis seiner Vorfahren einfach so verfallen zu lassen - sie wollte ihn später einmal vorsichtig darauf
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