Fanfic: Kenka Matsuri

ansprechen, wenn sich die Gelegenheit ergab.

Chiyo schob die schwere Tür auf - es ging nur sehr schwer - und betrat den vorderen abgetrennten Teil des Gebäudes, der als Umkleideraum diente. Von innen sah es zu ihrem Entsetzen sogar noch miserabler aus, als von außen. Der Putz schien sich in Streifen von den Wänden zu lösen, Decke und Teile der Mauern sahen rußgeschwärzt aus, als hätte es vor längerer Zeit einmal gebrannt. Vor allem aber - War es kalt! Normalerweise hätte der Umkleideraum, ebenso wie der große beheizte Baderaum angenehm warm sein müssen, doch die miefige Kälte, die aus allen Ritzen des alten Hauses zu kriechen schien, jagte Chiyo einen Schauer über den Rücken.

Doch, was nützte es, hier herumzutrödeln, vom Warten würde ihr nicht wärmer werden. Dennoch beschloss sie, mal ein Wörtchen mit dem Rest der Familie zu reden. Schließlich sollte sie ab heute hier wohnen, da brauchte sie schon eine anständige Bademöglichkeit. Es wunderte sie allerdings doch sehr, dass sich offenbar sonst niemand daran störte. Sie schlüpfte aus ihrem Yukata, dem Schlafanzug und den Hausschuhen, wickelte sich schaudernd in ihr Badetuch und schob die zweite Tür auf, der - wie sie von ihren früheren Besuchen her wusste - direkt zum Baderaum führte, in der Erwartung, dass ihr die feuchtwarme Luft, von dem heißen Wasser entgegenschlagen würde. Dementsprechend verduzt war sie denn auch, als sie hier nichts anderes als die kalte, trockene Luft, wie schon in dem kleinen Vorraum vorfand. Verwirrt blieb Chiyo einen Moment lang vor dem großen rechteckigen Becken stehen, und starrte darauf. Schon hatte sie geglaubt, das Bad sei vielleicht außer Betrieb, und deshalb völlig trockengelegt, doch die mit Holz verkleidete Wanne aus dunklem Kupfer war bis obenhin mit Wasser gefüllt - dennoch - schien etwas nicht zu stimmen. Einen Verdacht hegend, trat Chiyo an das Becken heran, und tauchte die Hand hinein - es war eiskalt! Und zwar so kalt, dass man nicht einfach nur die Hand herausnimmt, weil es sich unangenehm anfühlt, nein, viel kälter. Chiyo zuckte zusammen und zog die Hand zurück, als wäre das Wasser kochend heiß, und ähnlich war auch der Effekt gewesen. Ein kurzes, scharfes Brennen - heftig - und weit unangenehmer, als nur das kühle Kribbeln, wenn man die Hand für einen kurzen Moment in sehr kaltes Wasser taucht - Es war viel eher wie Eiswasser ...

"Das konnte doch wohl nicht sein ..." dachte Chiyo. "Selbst wenn der Heizer in dem Becken kaputt wäre, dann konnte sich das Wasser doch nicht so stark abkühlen!" Verwirrt ging sie zurück in den Vorraum, wo sie sich beeilte, ihre Sachen wieder anzuziehen; Jetzt lief es ihr erst recht kalt den Rücken hinunter. Mit dem Bad stimmte estwas ganz und gar nicht - diese Grabeskälte war definitiv nicht normal, nicht zu dieser noch verhältnismäßig milden Jahreszeit - und das war ihr unheimlich.

Den Weg zurück zum Haupthaus ging sie schneller, als es nötig gewesen wäre, wenn ein Nachbar sie hier so durch den Garten huschen sähe, müsste er sich bestimmt wundern, doch das war ihr im Moment egal. Sie gelangte auf die große Haupt-Veranda, die fast um das ganze Haus herum führte, ging schnell darüber hinweg und hörte die Dielen unter ihren Füßen knarren, dann hatte sie die Schiebetür erreicht, durch die sie in das geräumige Wohnzimmer galangte, und hob die Hand, um sie zu öffnen, doch bevor sie sie auch nur berührt hatte, wurde sie unvermittelt von der anderen Seite aufgeschoben, und Chiyo - noch immer völlig in Gedanken versunken - stieß einen unterdrückten Schrei aus. Auf der anderen Seite der Tür stand Maria, und blickte sie überrascht an.

"Chiyo-chan!"

"Ma ... Maria! Du hast mich erschreckt ..."

"Na hör mal -" Maria tat gespielt entrüstet. "Ich weiß, wir haben uns lange nicht gesehen, aber so sehr habe ich mich doch wohl kaum verändert, oder?"

"Nein," sagte Chiyo und grinste verlegen, sie kam sich jetzt plötzlich - außerhalb des düsteren kleinen Badehauses - wegen ihrer Furcht ziemlich lächerlich vor. Dann musterte sie ihre Schwester; Es stimmte, sie hatte sich kaum verändert. Ihr hatte man das japanische Blut schon immer noch eine Spur mehr angesehen, als Chiyo, und diese war sich deswegen nie so ganz sicher gewesen, ob sie ihre Schwester darum beneiden sollte, oder nicht. Wie früher schon immer, trug Maria das pechschwarze und völlig glatte Haar etwa schulterlang, sie machte nie irgendetwas damit, und trotzdem sah es immer perfekt aus! Sie besaß ein klassisches breites Gesicht, in dem ihre schrägen Augen erst richtig wirkten, und wenn sie sich ihr Haar hochsteckte, was sie zum Baden manchmal tat, dann erinnerte sie Chiyo immer an ein altes Poster mit einer wunderschönen Geisha darauf, das sie vor Jahren einmal bei einem Ausflug mit ihrer Tante in Gion gesehen hatten. Chiyo beneidete sie ein wenig um diese klassische Schönheit, mit der sie durchaus als echte Japanerin durchgehen konnte. Chiyo dagegen sah man sofort den Mischling an. Ihr Gesicht war schmaler, ihre Augen nicht ganz so schräg, außerdem waren diese nicht wie die der meisten Japaner dunkelbraun, sondern von einem seltsamen hellen silbrigen Grau, auch wenn ihre Haare fast genauso dunkel waren wie die ihrer Schwester. Chiyo ließ ihr Haar nun schon seit Jahre wachsen, es reichte ihr mittlerweile fast bis zur Taille, allerdings war das so gut wie nie zu sehen, denn sie trug es fast immer zu einem Knoten zusammengedreht oder in einem Zopf geflochten.

Maria schob die Tür nun ganz auf, um ihre jüngere Schwester hereinzulassen, als Chiyo über die Schwelle trat wurde sie von der wohligen Wärme des geheizten Hauses empfangen, wie von einem freundlichen Gastgeber. Außer den beiden Schwestern war offenbar noch niemand wach.

"Seit wann bist du so schreckhaft, Onee-chan?" wollte Maria lächelnd wissen. Chiyo fiel auf, dass sie schon die ganze Zeit wie selbstverständlich japanisch mit ihr sprach - die bisherigen beiden Jahre alleine, beziehungsweise mit ihrem Großvater und Onkel, hatte sie sich offenbar völlig daran gewöhnt, (Da ja niemand da gewesen war, mit dem sie deutsch hätte sprechen können) und tat es nun bereits automatisch.

"Ach, das war gar nichts, ich war nur gerade im Badehaus, aber da war -"

"Im Badehaus?" Maria hob überrascht die schmalen Augenbrauen. "Draußen? Aber weshalb das denn?"

"Wie - `Weshalb das denn`? Um zu baden, warum wohl sonst?"

Maria öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch in dem Moment öffnete sich die Tür, und Seiji Nakamura, ihr Großvater kam herein. Er lächelte die Mädchen an, die bei seinem Eintreten respektvoll die Köpfe neigten.

"Großvater, du bist ja schon auf!" Maria eilte ihm entgegen. "Ich habe bereits Tee gekocht, warte, ich werde dir einen bringen."

"Vielen Dank Mariko, Shin wird das erledigen, ich habe ihn bereits in die Küche geschickt, er macht sowieso zu wenig in der Küche."

"Aber wieso sollte er denn auch, er ist ein junger Mann, und soll sich lieber um seine Arbeit kümmern. Den Haushalt kannst du ruhig mich erledigen lassen, Großvater."

Der alte Mann lachte. "Lass ihn nur machen, Mariko, er kommt sicher klar, keine Sorge, er wird schon nicht sämtliche Teeservive zerschllagen, die es in diesem Haus gibt - es gibt hier immerhin eine Menge."

Maria sah zwar aus, als sei sie persönlich sich da nicht so sicher, schwieg aber.

Seiji wandte sich nun an Chiyo. "Chiyo-chan, es ist schön dich wieder bei uns zu haben. Hast du gut geschlafen, die erste Nacht im neuen Bett?"

"Aber Großvater, ich schlafe in diesem Bett doch schon, seit ich vier bin!"

"Sicher, aber nun in der Gewissheit, dass es für länger sein wird, als nur ein paar Wochen."

Sie lachte. "Nun, ich habe auf meinem alten neuen Futon sehr gut geschlafen, allerdings frage ich mich, ob das auch nächste Woche noch so sein wird ..."

"Machst du dir Sorgen wegen der Schule? Das brauchst du nicht, Chiyo-chan, du wirst überrascht sein, wie schnell du dich eingewöhnst, bei Mariko war es ja ebenso."

Maria nickte ihr jetzt ebenfalls aufmunternd zu. "Glaub mir, Chiyo-chan, es ist wirklich nicht so schwer, und wenn ich dir helfen kann, brauchst du es nur zu sagen - es gibt wirklich keinen Grund Angst zu - ... Ach da fällt mir ein, Großvater, Chiyo war im alten Badehaus. Hast du ihr denn nicht Bescheid gesagt?"

Chiyo wunderte sich über den alarmierten Blick ihres Großvaters. "Bescheid gesagt? Wieso?" Chiyo sah von einem zum anderen. "Es ist kaputt, nicht wahr? Ich dachte zuerst, nur die Heizung im Vorraum sei deffekt, aber dann bin ich in denBaderaum gegangen, und das Wasser war eiskalt -"

"Du hast hineingefasst?!" Ihr Großvater sah sie erschrocken an, fasste sich dann jedoch rasch wieder. "Nun, es ist ja alles in Ordnung, aber du darfst da nicht mehr hineingehen, Chiyo, hörst du? Man kann das Bad auch ohnehin nicht mehr benutzen, es lässt sich nicht mehr heizen, wir haben jetzt ein neues Bad innerhalb des Hauses. Wenn du dem Flur folgst, auf dem auch dein Zimmer liegt, ist es ganz am Ende an der linken Seite - dort, wo vorher die zweite Küche war. Und geh nicht mehr in das Badehaus im hinteren Garten, ja?"

Chiyo sah ihn überrascht an. "Natürlich werde ich nicht mehr hineingehen, wenn man es nicht mehr benutzen kann, wäre es ja auch dumm, das zu tun. Aber was wäre denn so schlimm daran? So ernst, wie du klingst, Großvater, könnte man ja fast denken, es wäre gefährlich dort!"

"Nun, gefährlich ist vielleicht nicht das richtige ... Jedenfalls sollte man nicht mehr hineingehen, das Haus ist alt und baufällig, und wenn wir Pech haben, kommt uns diesen Winter noch das Dach
Suche
Profil
Gast
Style