Fanfic: Ein gebrochenes Versprechen

Sie mir, Ihre Zweifel mit einer Demonstration zu zerstreuen," sagte sie, und warf den Nager mit einer beinahe beiläufigen Bewegung in die nächste Quelle.




Nodoka achtete zuerst gar nicht darauf. Sie war noch zu sehr damit beschäftigt Colognes letzte Aktion zu verarbeiten. Nie im Leben hätte sie der alten Frau eine derartige Behändigkeit zugetraut.




Ein schriller, animalischer Schrei zog ihre Aufmerksamkeit aber schnell zu der Wasserfläche hin. Ein kleiner Raubvogel, Habicht oder Bussard vielleicht, planschte panisch in dem Teich als würde er ertrinken. Nichts dergleichen geschah jedoch, nach kurzer Zeit hatte sich das Tier ans Ufer gerettet, wo es scheinbar orientierungslos sitzen blieb.




"Die Quelle des ertrunkenen Falken," erklärte Cologne. "Die Legende besagt, das hier vor 236 Jahren ein junger Falke im Wasser ertrank." Nodoka blinzelte nur.




Der Falke hatte sich indes wieder erholt und watschelte wie eine Ente umher, scheinbar ohne zu wissen wohin er wollte. Nodokas Blick irrte zwischen dem Vogel, dem Wasser und der Amazone hin und her.




"Ja, es ist wirklich die Maus," sagte Cologne. "Sie hat sich verwandelt als sie in die Quelle fiel. Jetzt ist es ein Falke, und hat sämtliche Erinnerungen an das Mäusedasein vergessen." Sie nahm einen Stein und warf ihn nach dem Vogel. Dieser krächzte erschrocken und flatterte unkoordiniert mit den Flügeln, bis er den Dreh heraus bekam und in die Luft aufstieg. "Wenn er sich schnell genug an den neuen Körper gewöhnt, bevor er selber zur Beute wird, wird er überleben. Er wird ein Falke sein, ein Nest bauen und Mäuse jagen, ohne zu wissen das er selbst einmal eine war."




Nodoka schluckte hörbar. Sie wich einen Schritt zurück und blickte ängstlich auf das so harmlos aussehende Wasser. Sie registrierte gar nicht mehr, das die alte Amazone sie an der Hand nahm und sagte: "Kommen Sie. Gehen wir wieder."




* * * * *




Den Weg zurück nach Joketsuzoku hatte sie wie in Trance zurückgelegt. Ihre schmerzenden Füße waren völlig vergessen. Ihre einzigen Gedanken galten Ranma und Genma, und dem schrecklichen Schicksal das sie zweifelsohne ereilt hatte. Als Nodoka wieder einigermaßen klar denken konnte, saß sie wieder in Colognes Hütte vor dem kleinen Feuer, und die Amazone hielt ihr eine Schale unter die Nase.




"Vielleicht möchten Sie jetzt eine Tasse meines Tees kosten?" fragte sie freundlich. "Trinken Sie, er wirkt beruhigend."




Mit zitternden Fingern nahm Nodoka das Getränk entgegen und kippte die viel zu heiße Flüssigkeit in einem Zug hinunter. Der Schmerz ließ sie schnell wieder vollständig in die Realität zurückkehren.




Cologne nahm ihr gegenüber auf der anderen Seite des Feuers Platz und nippte an ihrem Tee. Sie schien darauf zu warten das die andere Frau von selber das Gespräch begann.




Was sie auch tat: "Es gibt einen Grund weshalb Sie mich zu diesen Quellen geführt haben, nicht wahr?" fragte sie mit leiser Stimme und blickte dabei in ihre jetzt leere Teetasse. Verzweifelt klammerte sie sich an die Hoffnung das es nicht das war, was sie dachte.




"Den gab es. Wie ich schon vorhin erwähnte, Sie müssen den Hintergrund kennen um zu verstehen."




Nodoka sah - jetzt hoffnungslos - der Matriarchin in die Augen. "Was ist mit meinem Sohn und meinem Mann passiert?" verlangte sie zu wissen, auch wenn sie die Antwort bereits kannte.




"Ihr Mann ist tot," antwortete Cologne geradeheraus. "Der Mensch, den Sie kannten existiert nicht mehr, weder im Körper noch im Geist. Auch wenn seine Seele noch auf Erden weilt, Genma Saotome ist ein Opfer von Jusenkyo geworden."




Nodoka schluckte. "Und mein Sohn?"




Die Antwort war unerwartet. "Ihr Kind konnten wir retten. Ihren Sohn leider nicht."




"Ich verstehe nicht ganz? Ist er nun tot oder nicht?"




"Ihr Sohn ist so tot wie sein Vater. Obwohl er im gewissen Sinne Glück gehabt hat." Cologne machte eine Pause, trank ihren Tee aus und stellte die Schale beiseite. "Frau Saotome, Sie sind noch immer Mutter eines Kindes."




Nodokas Gesicht war ein einziges Fragezeichen. Die Matriarchin der Amazonen beeilte sich mit einer Erklärung.




"Vor ein paar Wochen haben wir ein junges Mädchen in der Wildnis gefunden. Sie wußte weder wer sie war, noch woher sie kam, und zeigte die typische Orientierungslosigkeit die alle Opfer von Jusenkyo haben. Aber sie konnte sprechen, wenn auch nur japanisch, und das ist etwas das ein in einen Menschen verwandeltes Tier nie lernen kann."




Nodoka hatte einen schrecklichen Verdacht, aber sie schwieg und ließ Cologne weitererzählen.




Als der Spähtrupp sie ins Dorf brachte war sie unterernährt und halb erfroren. Wir haben sie aufgenommen und gesund gepflegt, und sie hat sich schnell hier eingelebt und Freunde gefunden. Durch die wenigen Habseligkeiten, die sie bei sich trug haben wir herausgefunden, das sie früher ein Junge namens Ranma Saotome gewesen war. Den Rest können Sie sich denken. ... Frau Saotome, ich kann Ihnen Ihren Sohn nicht zurückbringen, alles was ich tun kann ist Ihnen eine Tochter anbieten."




Lange Zeit sagte Nodoka nichts, blickte mit leeren Augen geradeaus. Nach einer Weile zog sie ein altes Pergament hervor und sah mit nachdenklichem Gesichtsausdruck darauf. Kaum merklich schüttelte sie den Kopf, so als hätte sie sich selber eine Frage beantwortet. Dann zerriß sie mit einem Seufzen das Papier und warf die Schnipsel in die Flammen.




Cologne beobachtete dies mit Interesse, unterdrückte aber eine entsprechende Frage. "Wenn Sie möchten, kann ich Sie jetzt mit ihrer Tochter bekannt machen," sagte sie statt dessen.




"Danke, aber ich glaube ich weiß schon, wer es ist," erwiderte die jüngere Frau, und dachte an das rothaarige Mädchen, das sie vorhin mit dem Panda gesehen hatte. "Und ich würde dieses ... erste Treffen mit meinem ... Kind ... lieber unter vier Augen haben."




Die Matriarchin der Amazonen nickte verständnisvoll. Nodoka atmete tief ein, straffte die Schultern und stand auf, wobei sie ihr eingepacktes Katana neben der Feuerstelle liegen ließ. Als sie jedoch das Zimmer verlassen wollte, fragte Cologne: "Frau Saotome?"




Die auberginhaarige Frau drehte sich im Türrahmen um. "Ja?"




"Darf ich fragen, was Sie da grade verbrannt haben?"




"Nichts," kam die Antwort. "Nichts, was noch von Bedeutung wäre." Die Mutter des Kindes, das einst ein Junge gewesen war, lächelte trübsinnig. "Nur ein gebrochenes Versprechen."






ENDE




* * * * *




Autors Note:


Ich finde das es (bis zum jetzigen Zeitpunkt) viel zu wenige Fanfiction gibt in denen Ranmas Mutter drin vorkommt. Ich müßte mich schon anstrengen wenn ich auch nur zehn Stück finden wollte, meine dabei ausgenommen.


Dieses Altraverse ist allen Nodoka-Fans gewidmet, sowie NguyenTranLoc, der sie jetzt vielleicht etwas lieber mag als vorher.




mark_soul@gmx.de






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