Fanfic: Auf Wiedersehen, Grossvater
er sonst kaum kannte.
Dann hörte er einen Keuchlaut, und seines Großvaters schwache aber unverkennbare Stimme. Sie rief seinen Namen. Der kleine rannte hinüber zu der unsichtbaren Stimme. Er fand Großvater hinter einem Felsblock. Doch, ach, wie sah er denn aus! So erschöpft, so aufgebraucht, so ausgezehrt hatte Son-Goku seinen Opa noch nie gesehen. Es lief dem Kind eiskalt den Rücken hinunter. „Komm her, mein Junge“, flüsterte Son-Gohan, kaum hörbar. Son-Goku trat ein paar Schritte heran und kniete sich zu Son-Gohan hinunter. „Warum siehst du so...müde aus, Großvater?“, fragte er. „Erinnerst du dich daran, wie ich dir von den Affenmonstern erzählte?“ Son-Goku nickte. „Sie waren heute hier...du siehst, die Zerstörung. Und eines...ist auf mich getreten, mit seiner riesigen Pranke, und –“ „Warum hast du dich denn nicht gewehrt?“, unterbrach der Junge. „Es war zu stark, viel zu stark.“
„Niemand ist stärker als du!“, der Junge quengelte beinahe. „Du irrst dich, Son-Goku. Diese Monster sind jedem über. Hör jetzt gut zu. Du wirst es wohl jetzt nicht begreifen, aber ich werde diesen Tag noch das Leben verlassen. Ich werde sterben. Und das ziemlich bald.“ Son-Gohan schloß seine Augen für einen Moment, öffnete sie wieder, blinzelte. „Das verstehe ich nicht, Großvater. Was heißt ’sterben’?“ „Das...kann ich dir so rasch wohl nicht erklären. Sagen wir, es ist, als ob man einschläft und nie wieder aufwacht.“ „Dann wirst du nie wieder mit mir fischen gehen, wenn du stirbst? Und nie wieder mit mir reden?“ Son-Goku war sichtbar traurig. „Nein, leider nicht.“ Son-Gohan lächelte. „Aber...ich will dir etwas hinterlassen...in meiner Truhe liegt eine Kugel...eine orangefarbene Kugel mit vier Sternen darin. Ich weiß nicht, was sie ist, aber in ihr verbirgt sich etwas fantastisches, das kann ich spüren. Sie soll dir gehören, genauso wie der Nyoibo. Und noch etwas, mein Kleiner, ich werde immer bei dir sein...merk dir das...auch, wenn mein Körper nicht da ist...meine Seele...wird es...immer sein.“
Kaum hatte Son-Gohan das letzte Wort gesprochen, gab sein Körper den Verletzungen nach, und er ließ es geschehen, er hatte nun seine letzte Aufgabe erfüllt. Seine Augen schlossen sich, seine Atmung stoppte, und schließlich hörte auch sein Herz auf zu schlagen.
Des kleinen Jungen Gedanken rasten so schnell, daß er keinen davon fassen konnte. Großvater – tot – weg – immer – allein...
Son-Goku war noch zu jung, um wirklich zu begreifen, was Tod war, doch er wußte, daß sein Großvater nie mehr mit ihm sprechen oder irgend etwas tun würde. Was jetzt tun? Ein Gedanke schien schließlich faßbar zu sein. Großvater hatte einmal gesagt, daß man tote Leute beerdigen solle. Und dann war sein Kopf nur noch leer, dumpf und neblig.
Son-Goku stand auf und ging, um den leblosen Körper, der einst Son-Gohan gewesen war, in einem Grab aus Steinen zu versiegeln.
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5. Allein
Son-Gohan. Das stand auf der größten Steinplatte des Grabes eben derselben Person. Son-Goku stand auf und lief auf sein Haus zu. Sein Blick war genauso leer wie seine Seele, als ob aller Lebenswille von ihm gewichen wäre. Und im Moment schien das auch der Fall zu sein. Der Tod seines Großvaters hatte in dem Jungen einen Schockzustand ausgelöst, denn er hatte sich nie vorgestellt, daß Großvater einmal einfach weg sein könne.
In seinem Haus, oder vielmehr dessen Überresten, angekommen, suchte er sich ein paar Klamotten zusammen und zog sich an.
Innerhalb der nächsten Tage baute Son-Goku sein Haus wieder vollständig auf. Es war nicht so schwer gewesen, wie er es sich vorgestellt hatte. Auch suchte er das, was an Reis und Nudeln noch übrig war, zusammen, und „bog“ den leicht beschädigten Brunnen neben dem Haus wieder gerade. Das Leben war wieder wie vor der schicksalhaften Nacht, doch fehlte etwas entscheidendes. Großvater. Die Zeit schien still zu stehen und doch unaufhaltsam fortzulaufen, einem durch die Finger gleitend, die Sonne strahlte nur noch halb so hell, das Essen schmeckte nur noch halb so gut, die Blätter leuchteten nicht mehr.
Tag für Tag saß Son-Goku vor seinem Haus und grübelte, was für ihn total untypisch war. Er tat sonst fast nicht, aß nichts, trank nur selten. Kurz, er war nicht mehr er selbst. So ging das ein, zwei Wochen...
Auf einer grünen, blühenden Wiese, wo sich die Schmetterlinge und die Bienen tummelten, saß ein kleiner Junge mit schwarzem Haar, das in alle Richtungen stak, und einem einfachen, blauen Kampfanzug am Leib. Sein Kopf lehnte auf den Knien, und seine Arme und sein Schwanz umschlungen seine Beine. Sein Blick war stumpf, seine Augen, so schien es, hatten ihren Glanz schon seit einer Ewigkeit verloren. Dabei waren es nur einige Tage gewesen. Nur Tage, seitdem sein Leben sich schlagartig geändert hatte. Der Junge war stark, er war schlau, aber er fühlte sich einsam und hilflos. ‚Was soll ich tun?’ fragte er sich. ‚Großvater ist weg. Für immer. Einfach so. Ich bin ganz allein...“ und die Worte „ganz allein“ widerhallten in seinem Geist, seiner Seele, seinem Herzen. Da fing der Junge an, zu weinen. Die Tränen rannen ungehindert über sein kleines Gesicht, sein Körper wurde von stoßartigen Schluchzern durchgeschüttelt. Er sank vornüber ins Gras und versteckte sein Gesicht hinter seinen Armen und seinem Haarschopf. Immer noch heftig schluchzend wischte er sein Gesicht und verschmierte die Tränen darauf. Das Salzwasser brannte auf seiner Haut. Mit etwas Mühe richtete er sich auf, und das Schluchzen klang allmählich ab. Son-Goku hob den Kopf und sah in den Himmel.
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6. Abschied
Und hinauf und hinauf sah der Kleine, bis in das gleißende Licht der Sonne. Bemüht, Antworten auf seine zahllosen Fragen zu finden. Doch gab er sich einen Ruck und stand auf, drehte sich um und ging in Richtung seines Hauses. Ihm war etwas eingefallen...noch war nicht alle Hoffnung für ihn verloren. Er ging einen gleichmäßigen Gang, der ihn bald zu dem wieder aufgebauten kleinen Häuschen brachte. Ohne zu zögern trat er ein und wandte sich einer halb vermoderten Truhe zu. Er legte die Hände an den Deckel und stemmte diesen hoch und nach hinten, bis er von selbst zu Halt kam. Son-Goku sah hinein; in der Truhe befanden sich ein wunderschöner chinesischer Fächer, ein paar Papiere, einige alt aussehende Bücher und ein paar Kleider. Nicht das, was Son-Goku suchte. Also begann er ein wenig zu wühlen, bis er auf etwas rundes, glattes, kühles stieß. Er griff danach und zog es hinaus.
Es war eine glitzernde Kugel von goldbrauner Farbe, die vier kleine rote Sterne beinhaltete. Na also. Dies war Großvaters Vermächtnis an ihn. Er besah die Kugel verwundert und entzückt. So etwas hatte er noch nie gesehen. Aber andererseits hatte er vieles noch nicht gesehen...
Plötzlich bekam das Kind so etwas wie einen Geistesblitz...er erinnere sich an Son-Gohans Worte...„Aber...ich will dir etwas hinterlassen...in meiner Truhe liegt eine Kugel...eine orangefarbene Kugel mit vier Sternen darin. Ich weiß nicht, was sie ist, aber in ihr verbirgt sich etwas fantastisches, das kann ich spüren. Sie soll dir gehören, genauso wie der Nyoibo. Und noch etwas, mein kleiner, ich werde immer bei dir sein...merk dir das...auch, wenn mein Körper nicht da ist...meine Seele...wird es...immer sein.“ Son-Goku lächelte. Nein, er war bei weitem nicht allein. Er hatte ja Großvater.
Son-Goku legte die Kugel weg und rannte nach draußen, nur um wenig später mit einem blühenden Kirschzweig wiederzukommen. Darauf hin packte er sich den Nyoibo, der nun ebenfalls ihm gehörte, sowie die Kugel, und begab sich zu seines Großvaters Grab. Behutsam legte er die Kristallkugel und den Kirschzweig auf das Grab, den Nyoibo neben sich auf den Boden. Kniend hob er seine flach einander gepressten Hände an seine Stirn, den Blick ehrfürchtig gesenkt. In dem Moment schien sich kein Blatt zu bewegen, kein Laubwerk zu rascheln, alles wurde still.
„Großvater...“, begann Son-Goku. „Ich möchte dir danken. Du hast mir viel beigebracht und ich bewundere dich. Wenn ich mal groß bin, möchte ich so werden wie du. Hoffentlich hast du es gut, da oben im Himmel. Grüße die Götter von mir. Vielleicht sehen wir uns ja eines Tages im Himmel wieder.“ Er machte eine Pause, wie ein Redner, der seine Zuhörer beeindrucken will. Kein Mensch war da, aber alles, was lebt, war des Publikums genug.
„Friede deiner Seele.“, schloß der Junge und neigte seinen Kopf noch einmal tief. Dann stand er auf, und er hatte sich verändert. Seine vorherige Ehrfurcht war verschwunden, statt dessen sah er ernst und stolz auf den Steinhaufen herab. „Auf Wiedersehen, Großvater.“, sagte Son-Goku und wandte sich um, verschwand im dichten Urwald.