Fanfic: Sehnsucht öffnet alle Türen - Teil 1

ältesten Trick zurückgreifen und mit der braven Lunch wechseln, aber ... irgendwie verspürte sie nicht den Hauch eines Wunsches, sich wieder allein durch die Weltgeschichte zu schlagen. Statt in einem Hinterhof elend zu krepieren, würde sie eben hinter Gitter vor die Hunde gehen. Wen kümmerte das schon? Ihn ganz bestimmt nicht ...




So kam es, dass am nächsten Tag eine zahme, blonde Lunch in den Gefängnistransport kletterte. Handschellen und Ketten an den Beinen machten jede Bewegung mühevoll. Sie murrte nicht, als der begleitende Wachebeamte sie in den hinteren Teil des Wagens stieß und sie unsanft auf die Sitzbank knallte. Die Türe wurde verriegelt, der Fahrer stieg ein, startete den Motor und gab Gas.


Die Straße war holprig und der Fahrer schien es ziemlich eilig zu haben. Lunch wurde ganz schön durchgerüttelt. Der Wachebeamte behielt sie die ersten zwei Stunden über scharf im Auge, als er jedoch bemerkte, wie resigniert das blonde Häufchen Elend auf der harten Bank hockte, ließ seine Wachsamkeit deutlich nach. Früher hätte Lunch das ausgenutzt, ihm einen Tritt verpasst, dass er das Bewusstsein verlor, ihm die Schlüssel abgenommen und sich befreit, mit seiner Knarre den Fahrer zum Anhalten gezwungen, ihn dann mit ihren Fesseln an den nächsten Baum gekettet (natürlich nicht ohne ihn wie den Wachmann um ihre Wertsachen zu erleichtern). Ja, so war sie früher gewesen. Vielleicht hatte ihn das abgeschreckt. Wenn ihre weiche Hälfte dieselben Gefühle für ihn gehegt hätte, dann, ja dann wäre dieser vielleicht vergönnt gewesen, sein fernes, gut gehütetes Herz zu erreichen. Doch da dem eben nicht so war, hatte es wenig Sinn, einem „Was wäre gewesen wenn...“ nachzutrauern.


„Wie lange dauert es noch?“, fragte sie den Wachmann. Der, überrascht, dass die bis dahin schweigende Gefangene überhaupt ein Wort von sich gab, sah auf die Uhr. „Etwa zwei Stunden noch.“


„Ich sollte mal für kleine Mädchen.“


„Das geht im Moment nicht!“, kam es aus der Fahrerkabine, die über eine Sprechanlage mit dem hinteren Bereich verbunden war. „Wir fahren gerade durch ein Waldgebiet, aber in etwa einer Viertelstunde erreichen wir eine Ortschaft. Dort machen wir beim Wirtshaus halt und du kriegst auch was zu trinken.“


Protestieren machte ohnehin keinen Sinn, also nickte Lunch nur, und versank wieder in ihrem Jammertal, wo sie seit gestern Abend nicht mehr heraus gefunden hatte.


Plötzlich, es waren vielleicht fünf Minuten seit ihrer Frage verstrichen, trat der Fahrer mit einem Fluch auf die Bremse. Genau vor ihnen lag ein Baumstamm über der Fahrbahn. „Was machen wir jetzt?“, fragte der Fahrer den Wachmann. Lunch war es egal, solange es rasch ging.


„Ich werde aussteigen und ihn zur Seite ziehen“, sagte der Wachmann. „Du wirst die Türe entriegeln müsen.“


„Mach ich!“, der Fahrer zog den Schlüssel ab, stieg aus und entriegelte die rückwärtige Türe, sodass der Wachmann austeigen konnte. Zur Sicherheit zog dieser noch seine Waffe und kletterte dann aus dem Wagen. Nach rechts und links sichernd ging er zur Krone des Baumes und versuchte, an einem Ast zu zerren. Natürlich war der Baum viel zu schwer für ihn allein. Der Fahrer musste mit anpacken und gerade, als sie es geschafft hatten, den Stamm von der Straße zu zerren, hörten sie hinter sich das drohende Geräusch des Entsicherns eines Revolvers. „Darf ich die beiden Herren ersuchen, ihre Pfoten in den Himmel zu heben?“, fragte eine kultivierte, junge Stimme.


„Wer bist du? Ein Komplize von ihr?“, fragte der Wachmann gefasst. „Ihr werdet nicht weit kommen, ihr Gesicht ist durch die Fernsehfahndung selbst im kleinsten Kaff bekannt.“


„Wer ist diese „sie“?“, fragte die Stimme verwundert. Dann erst schien er zu bemerken wen er vor sich hatte. „Ah... so ist das also. Hmm... Ich schätze ich sollte euch das Licht ausknipsen für eine Weile. Nicht persönlich gemeint, aber ich habe etwas gegen Gefängisse...“


„Das ka...“, fing der Fahrer an zu protestieren, aber da traf ihn schon etwas hartes an der Schläfe und er sackte zusammen. Dem Wachebeamten blieb nur ein Augenblick mehr, ehe ihn das gleiche Schicksal ereilte.


Der Besitzer der Pistole und der jungen Stimme bückte sich und nahm den beiden ihre Geldbörsen, wie sämtiche Schlüssel ab. Er sah zu dem Transporter hinüber und überlegte. „Nun ja, warum nicht?“


Lunch wartete ungeduldig darauf, dass es endlich weiter ging. Wie lange brauchten diese beiden Trottel, um einen Baumstamm von einer Straße zu ziehen? Sie musste wirklich dringend und Durst hatte sie auch.


Endlich wurde die Türe des Transporters geöffnet und helles Tageslicht flutete in den fensterlosen Bereich, der nur von der schwachen, künstlichen Beleuchtung erhellt worden war. Geblendet kniff sie die Augen zu und drehte den Kopf weg.


„Willst du da drin Wurzeln schlagen, Blondy?“, fragte eine ihr unbekannte Stimme. „Die beiden Esel habe ich schlafen geschickt.“


Lunchs Augen gewöhnten sich langsam an die Helligkeit und sie konnte die Waffe in der Hand des Sprechers erkennen, auch wenn sein Gesicht im Schatten verborgen blieb. Offenbar hatte sie keine andere Wahl, als zu gehorchen.


Mühsam schleppte sie sich bis zur Türe und versuchte dann zu springen. Leider verhedderte sich ihre Kette und sie stürzte – genau auf den Räuber. Der Schuss, der sich dabei aus dem Revolver löste, strich haarscharf an ihrer Schläfe vorbei und bohrte sich durch das Dach des Wagens.


Beide gingen sie zu Boden. „Mal langsam, Blondy. Du musst mir deswegen nicht gleich um den Hals fallen.“


„Tu ich ja gar nicht, du Greenhorn“, knurrte Lunch und wälzte sich zur Seite.


„Uff, ich dachte schon, ich krieg gar keine Luft mehr.“ Ihr Befreier rappelte sich auf. „Donnerwetter, dich haben sie aber gut verpackt. Du bist wohl ‘ne große Nummer, wie? Was hast du angestellt?“


„Was geht dich das an?“ Mühsam kam Lunch wieder auf die Beine und hielt sich an der offenen Türe des Wagens fest. In ein paar Schritt Entfernung wucherte passend dichtes Buschwerk. Papiertaschentücher wusste sie im Hosensack ihres orangen Gefängnisoveralls und so humpelte sie vorsichtig, aber zielstrebig auf die Büsche zu.


„Halt, warte doch!“ Ihr Befreier stellte den Fuß auf die lange Kette, die sie hinter sich herzog und um ein Haar wäre sie erneut gefallen. „Hast du nicht etwas vergessen? Oder willst du bis an dein Lebensende mit den Eisenteilen durch die Gegend schlurfen?“


„Ist mir herzliche egal“, gab Lunch müde zurück. „Ich muss nur mal für kleine Mädchen und den Schlüssel habe ich nicht in der Tasche.“


„Aber ich“, grinste der schwarzhaarige, junge Mann und wirbelte den Schlüsselring des Wachebeamten am Zeigefinger im Kreis, dass die Schlüssel klirrten.


„Aber, ich denke nicht, dass ich sie brauchen werde“. Er schloss die Faust um die Schlüssel, drückte einmal kräftig zu und öffnete die Faust wieder. Die völlig verbogenen Schlüssel landeten zu seinen Füßen. Lunch kam das ganze Theater, das her vor ihr abzog völlig übertrieben vor. Verärgert machte sie abrupt einen Schritt nach vorne und brachte den Youngster dadurch aus dem Gleichgewicht, sodass er auf seinen vier Buchstaben zu sitzen kam. „Sorry, aber ich habe jetzt keine Zeit, deine Superkräfte und deinen coolen Auftritt zu bewundern“, sagte sie knapp und schleppte sich hinter die Büsche.


Der junge Mann starrte ihr ein wenig verblüfft hinterher und fing dann zu lachen an. Er grinste als sie nach einer Weile wieder auftauchte. „Darf ich dir jetzt die Ketten abnehmen?“, fragte er ironisch.


„Wozu?“ Zum ersten Mal sah sie ihn offen an.


Die Mutlosigkeit und Resignation in ihrem Blick erschreckten ihn. Doch er fasste sich rasch wieder, trat stumm an sie heran und brach die Handschellen mit bloßen Händen auf. Auch die Ketten fielen nach ein wenig handfester Aufforderung und sie konnte sich seit langer Zeit wieder strecken, was sie auch genüsslich tat.


„Was wirst du jetzt anfangen?“, fragte er sie.


„Das weiß ich nicht“, war ihre monotone Antwort.


„Weißt du was?“, sagte er nach kurzer Überlegung. „Warum kommst du nicht mit mir? Ich habe eine kleine Hütte ganz in der Nähe, da kannst du bleiben bis du dich entschieden hast.“


Da das so gut war wie alles andere, nickte Lunch ohne großen Enthusiasmus und trabte hinter ihm her durch den Wald. Die Hütte lag wirklich gut verborgen und war ein massiver Bau aus Holz mit einem roten Ziegeldach. „Es ist nicht sehr luxuriös und für Gäste bin ich eigentlich nicht eingerichtet“, entschuldigte er sich ein wenig verlegen und riss die Türe auf. Ein Schwall staubiger Luft fegte Lunch ins Gesicht, sie wandte den Kopf ab und griff sich an die Nase, aber es war zu spät. „Haa...tschi!“


„Gesundheit!“, lachte der schwarzhaarige junge Mann. „Ich bin nicht der häusliche Typ...“ Er wollte ihr zu zwinkern und erstarrte. Statt der resignierten, mürrischen Blondine stand da auf einmal eine komplett andere Frau mit freundlichem Gesicht und langen, dunkelblauen Locken.


„Was ... wie... wer bist du?“, fragte er misstrauisch und wich von ihr zurück.


„Hat sich mein anderes Ich noch nicht vorgestellt?“, wunderte sich die zahme Lunch. „Sie hat aber auch gar keine Manieren. Autsch!“ Sie bückte sich und betastete ihre wund geriebenen Knöchel. „Hat sie wieder etwas angestellt?“, fragte sie den immer noch perplexen jungen Mann.


„Nun ja, ich weiß es nicht genau“, rang sich dieser ab. „Jedenfalls saß sie in einem Gefangenentransporter. Ich habe sie da raus geholt.“


„Wie schrecklich!“ Lunch legte entsetzt die Fingerspitzen auf
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