Fanfic: Animus viam monstart 22
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(Kais Sicht)
Meine Haare hängen mir nass ins Gesicht, meine Kleidung klebt an meinem Körper. Meine rechte Hand schmerzt immer noch, auch der Verband darum ist nass und die Wunde brennt wie verrückt. Doch ich versuche diesen Schmerz zu unterdrücken. Es gibt schlimmeres! Also laufe ich weiter, suche in den Trümmern nach Verschütteten. Ein schwacher Laut dringt an mein Ohr. Sofort renne ich zu den Trümmern von denen er kommt. Das Rufen wird immer lauter. Unter den Trümmern muss noch jemand sein! Meine Hände entfernen Betonbrocken, graben sich immer tiefer. Meine Finger schmerzen und sind ganz rot und aufgerissen. Aber ich darf nicht aufgeben! Darf nicht hilflos sein und schon gar nicht über das nachdenken, was ich vorhin glaubte zu sehen. Nein, nicht schon wieder daran denken! Ich muss weiterarbeiten! Wie ein Roboter entferne ich immer mehr Steine. Die Schreie werden lauter und stacheln mich noch mehr an. Ein Leben, wenigstens ein Leben will ich retten können! Ich darf nicht versagen! Da, ein Teil des Körpers wird frei. Mit letzter Kraft schiebe ich die letzten Betonbrocken weg. Eine junge Frau kommt keuchend und weinend hervor. In ihren Armen hält sie ein kleines Baby. Es atmet nicht mehr!
Mein Herz zieht sich bei diesem Anblick zusammen. Das Gesicht der Frau ist schmerzverzerrt, aber nicht von den körperlichen Schmerzen!
„Domine, exaudi orationem meam et clamor ad te veniat! (Herr, höre mein Gebet und lass mein Schreien zu dir kommen!) De profundis clamavi ad te, Domine! Domine, exaudi vocem meam! Fiant aures tuae intendentes in vocem deprecationis meae! (Aus der Tiefe rufe ich zu dir, Herr! Herr, höre meine Stimme! Lass deine Ohren merken auf die Stimme meines Flehens!“, schreit sie verzweifelt und fällt kraftlos auf die Knie. Noch immer umklammert sie das Baby. Bilder steigen in mir hoch, doch ich versuche sie zu unterdrücken. Ich kann ihren Schmerz nachempfinden, auch wenn ich nicht weiß, was sie da eben gerufen hat.
„Kommen Sie, Sie brauchen Hilfe!“, sage ich zu ihr und zerre sie hoch.
„Nini ist verletzt! Sie hat sich am Bein verletzt erzählen diese Kinder!“ Ein Mädchen, etwa in meinem Alter kommt rufend auf mich zu und hilft mir die Frau zu stützen. Wer ist sie? Sie geht einfach offen auf mich zu und woher kennt sie Nini? Was ist mit Nini? Wo ist sie? Ich muss ihr helfen! Doch erst muss ich diese Frau in die Kathedrale bringen!
Erleichtert schließe ich Nini in meine Arme. Ich habe mir riesige Sorgen gemacht, aber zum Glück geht es ihr halbwegs gut! Vorsichtig helfe ich ihr den verletzten Mann zu stützen.
Wir können hier nichts mehr machen! Warum will Nini also bei diesem Mädchen namens Kira bleiben? Ich spüre, wie ein gehasstes Gefühl in mir hochsteigt, doch kann ich es nicht unterdrücken. Zu gut kenne ich es, als dass ich nicht wüsste, was es ist: Eifersucht! Sie lässt neue Fragen erscheinen: Nini kennt Kira höchstens eine Stunde, warum will sie jetzt schon nicht von ihrer Seite weichen? Ich versuche mir Ausreden für Nini einfallen zu lassen, aber das lässt meine Eifersucht nur noch größer werden.
„Komm Nini ich verbinde deinen Fuß!“, sagt Kira und holt Verbandszeug. Da muss ich ihr Recht geben, Ninis Fuß sieht nicht sehr gut aus.
„Geht es dir gut?“, fragt Nini mich und schaut mir in die Augen. ‚Nein, es geht mir beschissen!’, schreit es in meinem Inneren und wieder kommen die Bilder hoch. Doch ich will Nini nicht beunruhigen. Sie hat schon genug durchgemacht! Aber ihr Blick ist so durchdringend. Ich muss mich einfach abwenden! Doch Nini lässt sich mit meiner Antwort nicht befriedigen und fragt noch einmal nach. Die Bilder in meinem Kopf werden größer, schrecklicher. Die Erinnerungen erdrücken mich. Ich muss hier weg! Weg von dieser Kira, weg von Ninis forschendem Blick!
Endlich, endlich bin ich alleine! Erleichtert schließe ich die Badezimmertür hinter mir. Im nächsten Moment werde ich schon von einer Welle von Erinnerungen überrollt. Ich taumle zum Waschbecken und stütze mich dort ab. Meine Beine zittern, genauso wie meine Arme. Und meine rechte Hand brennt immer noch. Achtlos reiße ich den nassen Verband ab. Die Wunde blutet wieder, doch es ist mir sehr egal. Ich brauche eine Dusche. Ich fühle mich so dreckig! Also stolpere ich in die Dusche, beachte die Blutspur hinter mir nicht weiter und stelle das Wasser an. Es rinnt warm meinen Körper hinunter, erwärmt meine nasse Kleidung, die noch immer an mir klebt, doch ich beachte das alles nicht. Die Erinnerungen, sie sind immer noch da, egal wie sehr ich versuche sie zu unterdrücken. Und nun übermannen sie mich ganz. Meine Beine geben nach und ich gehe in die Knie, knalle mit dem Kopf gegen die Wand. Ich habe Nini angelogen! Auch sie! Es geht mir beschissen und ich sage ihr es geht mit gut. Sie hat ein Recht zu erfahren, dass ich glaube Jenny gesehen zu haben! Einen kurzen Augenblick nur, als ich in den Himmel schaute, aber ich bin mir sehr sicher. Sie hat alles mit angesehen und nicht geholfen! War Tala auch dabei? Hat Tala auch nur einfach zugeschaut wie diese Leute leiden? Doch nicht das ist es, was mich bedrückt. Nein, das schlimmste Ereignis kam danach. Noch einmal muss ich es durchleben:
Ich habe mich weit von der Kathedrale entfernt. Vielleicht zu weit? Da vorne sehe ich jemanden! Ich laufe auf ihn zu, doch ruckartig bleibe ich stehen. Ein Mann kommt auf allen Vieren zu mir gehumpelt. Er zieht sich mehr über den Boden, als dass er kriecht! Doch es ist kein helles Licht! Nein, er hat schwarze Kleidung an, an seiner Hose steckt eine Art Waffe.
„Bitte…. Hilf… mir!“ Mit letzter Kraft streckt er seine Hand zu mir aus. Aber ich ergreife sie nicht. Nein, ich stehe da und schaue ihn kalt an. Doch in mir wütet ein Kampf. Wut lodert in mir auf. Er hat dieses Elend mit verursacht! Er ist ein Soldat der gegnerischen Seite. Und nun erwartet er von mir, dass ich ihm helfe? Hat er nicht gesehen was für ein Elend er angerichtet hat? Wie egoistisch er doch ist!
Ja, gerade war er noch stark und hat ohne zu überlegen gemordet. Und nun ist er schwach, windet sich vor mir im Dreck und winselt wie ein Hund.
Ohne nachzudenken bücke ich mich, greife nach seiner Waffe und ziele auf ihn. Seine Augen weiten sich entsetzt, seine Lippen formen ein: ‚Nein, bitte nicht!’, doch es ist schon zu spät. Ich habe schon abgedrückt. Einfach so! Ein einziger Knopfdruck und er ist tot. Mehr nicht! Nur ein Knopfdruck und alles um mich herum stürzt zusammen. Mein ganzes Dasein. Ein Knopfdruck und ich wurde zum Mörder. Allein aus Wut habe ich ein Leben ausgelöscht! Ich habe Richter gespielt, habe ihn zum Tod verurteilt. Geschockt starre ich ihn an. Die Waffe fällt aus meiner Hand, ich mache kehrt und renne zurück.
Wasser läuft meine Wangen hinunter. Sind es Tränen, oder ist es nur das Duschwasser? Mein Körper wird von Krämpfen geschüttelt. Doch am schlimmsten ist die Erinnerung. Warum bin ich zu so etwas fähig? Warum habe ich einfach so ein Leben ausgelöscht? Ich hatte nicht das Recht dazu! „Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa! (Meine Schuld, meine Schuld, meine große Schuld)“, kommt mir leise über die Lippen. Ja, diesen Satz habe ich in der Abtei gelernt. Er hat mit geholfen die schlimmen Dinge, die ich getan habe, zu verarbeiten. Aber nun hilft es nicht. Kein bisschen. Was bringt es mir zu wissen, dass ich schuldig bin??
Nini…. Werde ich ihr noch in die Augen sehen können? Ich bin ein Mörder! Wird sie mir verzeihen können auch ohne zu wissen, was ich getan habe? Oder ist ihr Kira wichtiger? Nein, jetzt versuche ich meine Wut auf Kira zu leiten. Das ist nicht fair! Ich bin der Schuldige! Egal wie lange ich unter der Dusche stehe, egal wie oft und lange ich mich wasche, die Schuld wird immer an mir kleben, wird mich umgeben, wird ständig die Schmerzen heraufbeschwören. Mir ist übel, doch auch erbrechen wird mir nicht helfen! Das Böse ist in mir, aber es wird nicht herauskommen. Ich kann förmlich spüren, wie es immer mehr von mir Besitz ergreift. Es geht von meinen Händen aus und wandert langsam weiter. Ich stehe auf und taumle aus der Dusche zum Spiegel. Ich muss diese Hände irgendwie wegbekommen! Muss verhindern, dass das Böse ganz die Kontrolle über mich übernimmt!
Als ich mein Spiegelbild sehe erschrecke ich. Mein Gesicht ist verzerrt, ich habe es nicht unter Kontrolle. Ist es mein Gesicht? Mein Blick fällt wieder auf meine Hände. Ich muss sie loswerden! Mit der Faust schlage ich auf den Spiegel ein und er zersplittert in viele Stücke. Eines hebe ich auf. Ja, damit kann ich die Hände loswerden! Krampfhaft umklammere ich die Scherbe und gehe mit ihr zu meinem Handgelenk. Alles um mich herum dreht sich und wird schwarz. Ich lasse die Scherbe fallen. Es ist zu spät! Das Böse hat schon gänzlich von mir Besitz ergriffen! Ich merke nicht mehr, wie mein Kopf hart auf den Boden aufprallt.
(Jennys Sicht)
"Wir möchten euch nun etwas zeigen. Ihr seid nun weit genug, um es zu
verstehen. Geht einfach den Gang entlang und dann betretet das Zimmer!",
sagt eines der dunklen Lichter und verschwindet dann. Tala und ich sehen uns verwirrt
an. Was soll das? Doch wir machen, was das Licht wollte. Ist es die Neugier,
die uns treibt, oder wurden wir schon so verändert, dass wir alles machen,
was man uns sagt?
Kaum, dass wir die Tür öffnen, stehen schon zwei junge Männer vor uns. Sie
tragen lange, schwarze Gewänder. Der eine hat lange braune Haare und grüne
Augen und der andere hat dunkelblonde kurze Haare und blaue Augen, die
heller strahlen, als Talas. Er tritt vor uns sagt: "Mein Name ist Uriel!" Seine
Stimme klingt genau wie