Fanfic: Animus viam monstrat 23
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Dann beginnt das grausame Video. Mein herz setzt aus, ich erstarre und meine Augen weiten sich.
(Jennys Sicht)
In der Tür steht ein großer kräftig gebauter und muskulöser Mann. Von dem Raum, aus dem er kommt, strahlt helles Licht, deshalb kann man nur seine Konturen sehen. Als er aus dem Licht heraustritt zittert der Boden leicht, aber auch die Luft schwingt leicht.
Das erste was mir an seinem Gesicht auffällt, sind seine Augen. Sie sind von einem noch dunkleren Braun, als Kais und passen sehr gut zu seiner Wettergegerbten Haut. Die Augen blitzen spitzbübisch und machen ihn um Jahre jünger. Das einzig helle in seinem Gesicht ist eine lange Narbe an seiner Wange. Von welchem seiner vielen Kämpfen sie wohl herrührt? Ich bin mir sehr sicher, dass er schon viele Kämpfe hinter sich hat, denn auch seine Hände sind zwar fein gegliedert, aber voll mit Hornhaut und Schwielen.
„Ich bin Viktor. Von heute an werde ich euch den Umgang mit eurer Waffe lehren. Ich werde euch zeigen wie man sie richtig bedient, wie ihr mit ihr umgehen müsst und wie ihr sie pflegen müsst.“ Der ganze Raum, jedes kleine Atom scheint unter der Kraft seiner Stimme zu erbeben. Einen Augenblick lang kommt mir die Idee, dass er mit dieser rauen, tiefen Stimme gut einen Sänger abgeben könnte, aber schnell verwerfe ich ihn. Dennoch bleibt das Lächeln auf meinen Lippen. Meine Angst ist verflogen, ich bin nur noch neugierig auf das Training. Viktor wendet sich um und geht in den Raum zurück. Bei jedem Schritt wippen seine schwarzen Löckchen leicht hin und her, dass ich ein Grinsen unterdrücken muss. Coole Haarmode haben die hier. Ein Blick auf Tala macht mich wieder ernst. Denn auch seine Miene ist total ernst und erinnert mich an den Grund, warum wir das hier machen wollen. Nämlich um Nini und Tala zu retten.
Viktor schaut uns an und sagt: „Nana, macht nicht so ein ernstes Gesicht! Etwas Ernsthaftigkeit muss zwar dabei sein, aber ihr seht aus, als würdet ihr auf einer Zitrone herumkauen! Kann ja sein, dass ihr eure Freunde retten wollt, dass ihr Angst um sie habt, aber dürft ihr deshalb nicht fröhlich sein? Dieses Training soll schließlich Spaß machen! Heute werden wir erst mal Theorie machen. Ich werde euch zunächst mal erklären wie ihr eure Waffen pflegen müsst. Es ist sehr wichtig dass ihr den Heilstein immer „aufladet“. Sie haben besondere Kräfte die eigens auf eure Persönlichkeit, auf euren Charakter abgestimmt sind. Ihr seht den Griff in der Mitte des Stabes?! Wenn ihr mit dem kleinen Finger einen Zentimeter nach rechts rutscht dann spürt ihr eine kleine Einkerbung. Legt euren Finger da drauf und drückt zwei mal fest dagegen.“
Tala schaut mich misstrauisch an, aber ich nicke ihm leicht zu. Viktor hat Recht mit seinen Worten! Nun fange ich an die Einkerbung zu suchen, kann sie aber irgendwie nicht finden. Also schließe ich die Augen und lasse meine Hand abermals über den Griff fahren. Da, jetzt spüre ich sie! Ich öffne die Augen wieder und drücke gespannt zweimal darauf. Schutzklappen fahren plötzlich über die Klingen und der Raum wird gleißend hell. Erschrocken schütze ich meine Augen vor dem Licht und mein Stab poltert auf den Boden. Als das Licht wieder verschwindet hebe ich schnell meinen Stab wieder auf und begutachte ihn. Er hat keinen Kratzer abbekommen. Dann schaue ich zu Viktor, der uns begeistert anschaut: „Das ist nicht zu fassen. Ihr beide habt es beim ersten Mal geschafft eure Steine aufzuladen. Ich fasse es nicht. Das ist ein Wunder. Noch nie hat das jemand geschafft. Ihr beide seid Naturtalente!“
Als nächstes zeigt er uns, wie man die Waffe richtig hält, wie man die Arme und Hände am besten hält um sie mit ganzer Kraft zu führen. Dann zeigt er, wie wir die Waffe halten sollen, wenn wir feuern wollen. Ich mache es nach und richte sie ohne es zu merken auf Viktor. Er springt aus meinen Schussfeld und ruft: „Du sollst nicht mich abschießen! Schießübungen gibt es später! Denk daran: Ziele nie auf jemanden, wenn du ihn nicht erschießen willst! Die Waffe kann schon mal von alleine losgehen, oder du kommst aus Versehen an den Abschussknopf und das war es dann!“ Ich nicke ernst und merke es mir fürs nächste Mal. Ich will ja schließlich niemanden töten! Zum Schluss erklärt er uns wie man die Waffe pflegt und führt es uns vor. Als ich sehe, wie sorgsam und vorsichtig er mit der Waffe umgeht muss ich grinsen. Wer hätte gedacht, dass so ein großer Kerl so feinfühlig sein kann?
Zwei Lichter bringen uns zum Speisesaal. Auf dem Weg dorthin ergreift Tala plötzlich meine Hand. Ich sehe ihn verwundert an. Seit der Umarmung auf der Wiese hat er mir nicht mehr gezeigt, dass er mich „mag“. Ob es mehr ist als nur Freundschaft? Bei dem Gedanken daran fängt mein Herz an schneller zu schlagen. Hoffentlich! Und selbst wenn nicht, so bin ich doch glücklich, dass er mich mag! Ich lächle ihn froh an und wir betreten den Speisesaal.
„Da seid ihr ja. Na wie habt ihr euch geschlagen? Habt ihr alles verstanden? Wenn ihr Fragen habt stehen wir euch gerne zur Verfügung.“, fragt Uriel und macht eine einladende Geste auf die Stühle. Wir setzen uns und ich fange sofort an: „Ja, ich habe eine Frage!“
„Und die wäre?“ Raphael lächelt mich an. Automatisch lächle ich zurück. Neben mir rutscht Tala unruhig auf seinem Stuhl hin und her und starrt Raphael säuerlich an. Was hat er denn? Ist er etwa eifersüchtig? Wie süß! Lächelnd drücke ich seine Hand und Tala schaut mich verwirrt an. Okay, dann will ich mal meine Frage stellen: „Ich wollte fragen, ob es etwas Neues von Kai und Nini gibt??!“ Gespannt und auch ängstlich schaue ich die beiden an.
„Ja, in der Tat. Da gibt es Neuigkeiten. Wir werden es euch nach dem Essen zeigen. Denn sonst, so glaube ich, würde es euch den Appetit verschlagen.“, sagt Uriel und mein Herz setzt für einen Moment aus. Was ist mit ihnen? Warum wollen die beiden es uns nicht erzählen? Aber um es so schnell wie möglich zu erfahren würge ich das Essen hinunter. Denn schon jetzt ist mir der Appetit vergangen.
Tala und ich sitzen vor der Leinwand. Mein Herz rast und mein ganzer Körper zittert. Was werden wir jetzt zu sehen bekommen? Auch Tala scheint es nicht besser zu gehen. Leicht drücke ich seine Hand und dann fängt der „Film“ auch schon an:
Wir sehen Kai mitten in einem Meer aus brennenden Häusern vor einem dunklen Licht stehen. Es kriecht auf allen Vieren und plötzlich richtet Kai eine Waffe auf ihn und schießt.
Alles um mich herum bleibt stehen, mein Herz hört auf zu schlagen, mein Atem stockt, mein Gehirn will nicht mehr klar denken. Ich kann nicht fassen, was ich da sehe. Das kann nie und niemals Kai sein! Was haben die Hellen aus ihm gemacht?
Ich spüre, wie sich etwas Warmes auf meine Schulter und plötzlich fängt mein Herz wieder an zu schlagen. In einem ruhigen gleichmäßigen Takt. Es ist das einzige was ich hören kann. Nur das Pochen meines Herzens dröhnt in meinen Ohren. Und dann bewegt sich meine Lunge wieder, saugt Luft in sich hinein und wieder heraus. Ich wende meinen Kopf zur Seite und blicke direkt in Talas Augen. Auch er ist überrascht, verwirrt und geschockt.
„Das ist nicht wirklich Kai! Denkt daran, sie haben ihn einer Gehirnwäsche unterzogen!“, sagt Raphael und schaut mich voller Mitleid an. Ich kann es immer noch nicht glauben. Kai tut mir unendlich Leid! Wenn wir die Gehirnwäsche rückgängig machen können, wird er sich dann noch daran erinnern können bzw. müssen? Mein Hass gegen die hellen Lichter steigt von Sekunde zu Sekunde an. Wie können sie das meinen Freunden antun? Sie haben kein Recht dazu! Es ist nicht schlimm, dass Kai jemanden umgebracht hat. Zumindest nicht für mich, denn Kai ist und bleibt für mich der gleiche Mensch, selbst wenn er dieses dunkle Licht aus freien Stücken getötet hätte. Ich stehe auf, um zurück aufs Zimmer zu gehen und auch Tala erhebt sich. Er will mich in den Arm nehmen, doch ich blocke ab. Ich kann das momentan nicht. Meine Wut ist zu groß und ich habe Angst, dass ich nachher zu ihm patzig werde. Außerdem will ich das jetzt selbst durchstehen. Denn ich habe Angst, dass auch Tala etwas passieren könnte und ich dann alleine bin. Dann müsste ich hiermit auch alleine klarkommen!
Ich spüre Talas verletzten und verwirrten Blick auf mir. Ja, ich würde ihn am liebsten in den Arm nehmen, aber es geht einfach nicht! Momentan geht es nicht.
„Gute Nacht!“, sagt er und legt sich in sein Bett.
„Dir auch!“, antworte ich und das Licht geht von allein aus. Ich weiß, dass diese Sache auch Tala sehr betroffen macht und auch ihn geschockt hat. Plötzlich habe ich das Bedürfnis mit ihm darüber zu sprechen, aber als ich ihn wieder anschaue, schläft er schon. Oder tut er nur so?
„Tala? Bist du noch wach?“, frage ich leise, aber er antwortet nicht.
Lange Zeit liege ich wach. Ich will schlafen, um das ganze wenigstens etwas vergessen zu können, aber ich bin nicht müde. Das hasse ich so! Kaum habe ich Probleme oder es sind schlimme Dinge passiert wirkt sich das auf meinen Schlaf aus und ich kann absolut nicht einschlafen.
So liege ich also wach und überlege und denke nach. Plötzlich kommt mir eine Idee, die ich sofort austüftle, bei der ich alle möglichen Varianten in meinem Kopf abspiele. Ja, das ist es! Mein Entschluss ist gefasst!