Fanfic: Animus viam monstrat 24
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realisieren. Dieser Ort ist das Schrecklichste was ich mir vorstellen kann.
Da war es in der anderen Welt doch wesentlich schöner. Was ist Kai bloß
widerfahren? Was ist geschehen? Tief ergriffen von den Eindrücken bleibe ich dann
vor einem riesigen Vogel stehen. Sein Gefieder sieht aus wie Feuer. Seine
Körperhaltung ist schlaff, kraft und mutlos. Er sieht traurig und schlecht aus.
Ich fühle dass es ihm nicht gut geht.
“DRANZER!!!“ schreit Kai. Sein Schrei ist ängstlich, hilflos und
dennoch stark. Als ich den Namen höre, beginne ich zu verstehen. Das ist
also Dranzer. Das ist Kais aller bester Freund. Dranzer der Kai geholfen hat als
es ihm schlecht ging, der ihn aufgebaut hat als er nicht mehr konnte. Jetzt
beginne ich zu verstehen. Kai laufen die Tränen über die Wangen. Es bricht
mir das Herz ihn so zu sehen.
Ich schiebe meine Gedanken, meine Ängste beiseite und umarme Kai von hinten.
Kai soll wissen dass ich da bin. Egal wie groß meine Angst ist, egal wie
groß die Panik in meinem Herzen ist. Ich bin jetzt für Kai da. Alles andere ist
mir völlig egal!
“Das ist deine Welt? Hierhin wolltest du zurück?“ flüstere ich
ihm ins Ohr und lege meinen Kopf auf seine Schulter. Ich will Kai ja
verstehen, aber ich schaffe es nicht. Wie kann man nur an so einen Ort zurück wollen?
Hier ist es furchtbar. Ich muss mich zusammen nehmen um nicht vor Angst und
Panik laut los zu schreien. Dieser Ort ist Horror für mich. Es gibt nichts
Schlimmeres als ihn.
Kai dreht sich zu mir um und nimmt mich bei der Hand. Ich schweige und folge
ihm. Er führt mich einen langen, kalten Gang entlang. Ich muss mich
konzentrieren um ruhig zu bleiben. Am liebsten würde ich mich jetzt an Kai klammern
und die Augen schließen. Doch ich muss mich zusammen reißen. Für ihn und für
mich. Plötzlich kommen uns ein paar Kinder entgegen. Ich habe bemerkt dass uns
niemand sehen kann.
Tränen schießen mir in die Augen als sie an uns vorbei gehen. Sie haben
ihren Kopf gesenkt und gehen still den Korridor entlang. Ein Junge mit blondem
Haar und blauen Augen kommt uns entgegen. Doch sein Blick ist leer. Genauso wie
Kais vorhin. Seine Hände sind angeschwollen und rot. Er hat diverse
Schürfungen im Gesicht. Und so geht er an uns vorbei. Mir tut das Herz weh wenn ich
diesen Junge sehe. Mein kleiner Bruder dürfte im gleichen Alter wie dieser
Junge sein.
Kai führt mich in ein Zimmer. Ich reiße die Augen auf und beginne leicht zu
zittern. Sofort versuche ich das Zittern zu unterdrücken was mir auch
gelingt. Die Wände sind Grau. Das Bett ist aus einem Metallgestell, einer Matratze
und einer alten, modrigen Decke und einem Polster. Ein Schrank steht im
Zimmer, ebenso ein alter kleiner Tisch und ein Sessel. Das Zimmer hat kein Fenster.
Die Glühbirne die ohne Lampenschirm von der Decke hängt spendet wenig Licht.
Ich weiß dass dies Kais Zimmer ist.
“Nun ist es nicht mehr meins“ Sagt Kai mit leiser Stimme. Ich
merke wie schwer es ihm fällt. Aber ich kann mich nicht mehr zurück halten.
Hier ist alles so furchtbar.
Trauer ergreift mich wenn ich mir vorstelle dass Kai in diesem Zimmer
gewohnt hat, dass er genauso wie die Kinder behandelt wurde. Bei diesem Gedanke
beginnt mein Herz zu schmerzen.
“Was ist dir in der anderen Welt schlimmes passiert, dass du wieder in diese
schreckliche Welt zurück willst, dass du von mir wegwillst?“ frage ich
leise um nicht gleich los zu weinen. Ich verstehe das einfach nicht. Kai
sieht mich zweifelnd an. Ich erwidere seinen Blick und sehe ihn entschlossen an.
Kai schließt kurz die Augen und plötzlich stehen wir wieder in der Stadt.
Rauch um uns herum, brennende Häuser und Geschrei. Aber das kommt alles von
weiter weg. Wir sind nicht mitten in der Stadt. Kai und ich sind ein wenig
außerhalb. Ich richte meinen Blick auf Kai. Aber Kai steht doch neben mir und hält
meine Hand. Ich brauche einige Sekunden um zu verstehen was hier geschieht.
Dann sehe ich zu Kai, der vor einem dunklem Licht steht. Plötzlich greift Kai
nach einer Waffe. Das dunkle Licht bittet um Gnade, versucht sich noch zu
retten, aber es ist zu spät. Kai richtet die Waffe auf das
Licht.....und....dann drückt er ab. Das Licht fällt zu Boden, bleibt dort leblos liegen und
erlischt schließlich. Der Schuss dröhnt in meinen Ohren. Ich reiße meine Augen auf
und sehe auf Kai, der die Waffe wegschmeißt und davon rennt. Und plötzlich
bricht Dunkelheit über uns herein. Als ich das nächstes mal die Augen
aufschlage stehen Kai und ich wieder in Michaels und Gabriels Zimmer.
Kai steht vor mir. Silberne Tränen bahnen sich einen Weg über seine Wangen.
Dann wendet er den Blick zu Boden.
Das war es also. Das hat Kai so furchtbar belastet. Kai hat ein dunkles
Licht getötet. Ich hebe Kais Kopf an sodass er mir in die Augen sehen muss.
“Kai, warum hast du es mir denn nicht gesagt? Warum bist du nicht zu
mir gekommen? Ich stehe hinter dir. Egal was du tust oder getan hast. Es ist
mir völlig egal. Es ist mir sogar Scheißegal. Kai, ich liebe dich. Mir ist es
egal. Ich werde immer zu dir stehen, egal was geschieht.“ Sage ich und
lächle ihn warm an.
Kai sieht mich verwirrt an. Wahrscheinlich hätte er jede andere Reaktion von
mir erwartet, nur nicht diese.
Und dann fällt er mir in die Arme. Vergräbt seinen Kopf bei mir und beginnt
leise zu schluchzen. Ich streiche ihm beruhigend über den Rücken und über den
Kopf. Es ist mir egal ob Kai ein dunkles Licht getötet hat oder nicht.
Schließlich haben diese Lichter die Stadt angegriffen. Haben viele
“Lichter“ getötet. Ich weiß zwar nicht ob ich auch so reagiert hätte, ob ich dieses Licht getötet hätte, aber ich stehe hinter Kai. Ich vertraue ihm.
Natürlich bin ich ein wenig geschockt. Kai hat vielleicht nicht das Richtige getan,
aber er bereut es jetzt zu tiefst. Er hat ein furchtbar schlechtes Gewissen.
Und das ist Strafe genug. Ich stehe hinter ihm.
“Komm, wir gehen in unser Zimmer.“ Flüstere ich zu Kai, der
darauf hin den Kopf hebt. Er wischt sich die Tränen weg, nimmt mich in den Arm
und gemeinsam gehen wir in unser Zimmer. Dort setzen wir uns auf mein Bett. Ich
nehme Kai in den Arm und streiche ihm über die Wange. Ich will Kai jetzt
nicht nach seiner Welt fragen. Nicht jetzt. Kai schlingt seine Arme um mich und
legt seinen Kopf auf mein Schlüsselbein.
“Es tut mir so furchtbar Leid.“Flüstert Kai mit gebrochener
Stimme.
Ich erwidere nichts darauf. Ich halte es nicht für angebracht.
“Ich habe dich angelogen. Ich hätte fast alles zerstört.“
Flüstert Kai weiter.
“Jetzt ist alles vorbei. Jetzt wird wieder alles gut.“ Sage ich.
Ich bin noch immer zutiefst erschrocken über Kais Welt. Nie im Leben hätte
ich mir vorgestellt dass seine Welt so furchtbar ist. Dass sie so kalt, so
hasserfüllt ist. Und dort haben er und Tala ihr gesamtes Leben verbracht? Bei
diesem Gedanken erschaudere ich leicht.
Plötzlich merke ich wie Kais Umarmung lockerer wird uns sich schließlich
löst. Kai ist eingeschlafen. Ich fasse nach einer Decke, dabei rutscht Kais Kopf
von meiner Schulter in meinen Schoß. Ich nehme die Decke und lege sie über
ihn. Ich kann Tränen in den Augenwinkeln erkennen. Ich streiche Kai über die
Wange und betrachte ihn. So viele Gedanken schwirren durch meinen Kopf. Ich
nutze die Zeit und versuche sie zu ordnen.
(Kais Sicht)
Tränen schießen in meine Augen, mein Körper bebt. Aber am schlimmsten ist
das Chaos in meinem Herzen. Die Angst, die Selbstvorwürfe, die Gewissensbisse,
der Schmerz.... Ich hätte nie gedacht, dass ich so viele Gefühle habe, dass
sie alle auf einmal kommen können, dass sie alle miteinander verbunden sind. Am
liebsten würde ich zurück in die Dunkelheit fliehen, mich treiben lassen,
dorthin, wo mich nichts erreichen kann.
Ich habe panische Angst vor dem, was jetzt kommt. Was wird Nini nun sagen?
Wird sie sich vor mir fürchten? Zu recht! Ich weiß, dass sie direkt vor mir
steht. Ich kann ihre Nähe, ihre Wärme spüren. Nur wenn ich die Augen öffne werde ich erfahren was sie nun denkt. Ganz vorsichtig hebe ich meine Lider... und blicke ihr direkt in die Augen. Sofort senke ich den Blick auf den Boden. Nein, ich kann sie jetzt nicht anschauen!
Zu schrecklich war das, was ich getan habe, als dass ich noch aufrecht und
voller Selbstvertrauen gehen könnte, dass ich selbstbewusst den Kopf heben
könnte, anderen einfach in die Augen schauen könnte, ohne den Blick abwenden
zu müssen, weil sie sonst meine Schandtat erkennen könnten, weil sie dann mit dem
Finger auf mich zeigen. Und dann bin ich allein. Und das ist meine allergrößte
Angst. Allein zu sein! Dann hat nichts mehr einen Sinn. Weder mein Leben
noch jede Handlung, die ich ausführen würde.
Man sagt immer jeder Mensch hat für seine Taten ein Motiv, auch wenn er es
nicht kennt. Was ist mein Motiv? Wut? Verzweiflung? Hass? Nein, keines dieser
Dinge trifft zu. Ich bin nur ein Tier, mehr nicht. Ein bisschen Macht in
meinen Händen und ich werde zum Monster,