Fanfic: "Der Rosenkavalier" oder "Shinichis größter Konkurrent" (Teil 8)
residierte und den Sonnenschein genoss: Sie hatte das Foto ausgetauscht – Yukio war an Shinichis Stelle getreten. Wie erschreckend sich die Motive ähnelten! Wieder war es ein Schnappschuss aus dem Tropical Land, wieder eine heitere Szene, nur diesmal ohne ihn. Konnte sie tatsächlich so einfach vom einen zum andern wechseln? Offensichtlich war Shinichi drauf und dran, gänzlich aus Rans Leben zu verschwinden. Umso mehr musste er sich anstrengen, diesem Spuk ein Ende zu machen.
Schließlich hatte er in Rans Taschenkalender, einem der intimsten Orte in der Welt eines Mädchens, den ersten Hinweis gefunden:
Yukio Taniguchi
37-524-6868
Die Telefonnummer war an sich nicht besonders wertvoll, schließlich gab es in der Tokioter Agglomeration mehr Telefonanschlüsse als auf ganz Hokkaido zusammen und in diesem ungeheuren Wust einen einzigen zu lokalisieren, war praktisch unmöglich.
Außerdem wurde bei der Vergabe neuer Nummern schon lange keine Systematik mehr verfolgt, so dass die Nummer nicht einmal Rückschlüsse auf einen bestimmten Stadtteil erlaubte.
Aber Conan wäre kein Detektiv, wenn ihm dieses kleine Puzzleteil nicht schon ein Stück geholfen hätte. Er hatte einfach den lieben Wonneproppen gemimt und seinen Onkel dazu überredet, mal wieder zum Polizeihauptquartier zu fahren und Inspektor Megure zu besuchen. Dort hatte er sich dann unauffällig von Kogoro abgesetzt und sich einen verlassenen Computerarbeitsplatz gesucht.
Aus der Zeit, in der er als Shinichi bei der Untersuchung von kaum aufzuklärenden Mordfällen regelmäßig die Täter überführte und von den Medien bereits als „Erlöser der japanischen Polizei“ gefeiert wurde, hatte er ein eigenes Passwort für das Rechnernetzwerk der Kriminalpolizei Tokio zurückbehalten. Er gab es ein, und schon hatte er Zugriff auf die zentrale Datenbank der japanischen Polizei.
Diese stellte für notorische Schnüffler wie Conan alias Shinichi quasi das Paradies auf Erden dar, bot sie doch die umfangreichste Datensammlung auf der gesamten japanischen Inselgruppe. Dort waren unter anderem auch sämtliche Telefonnummern gespeichert, die die japanische Telekom in den letzten fünfzig Jahren vergeben hatte, samt aller aufgenommenen Daten bezüglich des Anschlussnehmers. Das gewöhnliche Telefonbuch, bei dem jeder selbst bestimmen konnte, was über ihn veröffentlicht wurde, wenn überhaupt, war dagegen ein Witz.
So dauerte es nicht lange, und Conan hatte gefunden, was er suchte:
Polizei Tokio – Zentrales Informationssystem – Letzter Suchauftrag
Anschlussnr.: 37-524-6868
Name: Taniguchi
Vorname: Yukio
Bankverbindung: Kontonummer 48 52 07 93
Kreditinstitut Bank of Tokyo-Mitsubishi
Zuletzt gemeldeter Wohnsitz: 3-23-1 Azabu-Cho
Beika-ku, Tokyo 106-0047
Japan
Er hatte sich die Adresse notiert, einen Stadtplanausdruck gemacht und war Kogoro ein zweites Mal entwischt. Jetzt raste er durch den dunklen U-Bahn-Schacht seinem Ziel entgegen. Er wusste zwar nicht, wonach er dort eigentlich suchen sollte, aber er war fest entschlossen, es zu finden.
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Das Haus 3-23-1 Azabu-Cho war eines der typischen Apartmenthäuser, die man in den Vororten der japanischen Hauptstadt zu Hunderten fand: Ein schmuckloser Flachbau mit winzigen Zimmern, die über eine wackelige Freitreppe von außen direkt zu betreten waren. Eine groteske Kreuzung aus Schuhkarton und Kaninchenstall. Das ganze im Besitz eines vorwiegend älteren Hausherrn, der genau wusste, dass er auch das letzte Loch würde vermieten können – der Bedarf an Wohnraum in Tokio war nicht zu decken; Unterkünfte dieser Qualität gehörten zu denen, die noch am ehesten erschwinglich waren.
So sammelte sich in solchen Mietskasernen vor allem eine seltsame Mischung aus Prostituierten, die in den anonymen Kämmerchen ihre Freier empfingen, abgehalfterten Männern in billigen Anzügen, die Geschäfte mit der Yakuza abschlossen, und anderen zwielichtigen Gestalten, die vorwiegend im Dunklen agierten und sich nur äußerst widerwillig dem Tageslicht aussetzten. Der Bodensatz der urbanen Gesellschaft. Die Staffage, die nirgendwo und überall in der Stadt zu Hause war – hier fand sie ihren Unterschlupf.
Conan starrte ungläubig auf das schäbige Gebäude, das düster vor seiner schmächtigen Gestalt aufragte. In seiner Verwirrung erschien es ihm wie ein großes Fragezeichen, das Manifest seiner Zweifel an der Identität von Yukio Taniguchi. Dass der immer freundliche Yukio in solch einer üblen Absteige beheimatet sein sollte, er, die blonde Lichtgestalt, die an Anmut und Schönheit und Reinheit nicht zu überbieten war?
Conan suchte die Klingelschilder nach Yukios Namen ab und fand dessen Apartment schließlich im zweiten Stock. Yukios Wohnung war furchtbar heruntergekommen: Die aufdringliche rosa Farbe der Tür, welche die Blüten der bekanntesten Baumart des Landes zitierte, schälte sich vom Holz wie sonnenverbrannte Haut. Die duftenden, herrlichen Sakuras des japanischen Frühlings konnten diesem Ort nicht fremder sein. Conan war, als röche er Verwesung, ein süßliches Aroma, das nach kurzem in widerliche Fäulnis umschlug.
Er wurde unruhig. Je abstoßender die Sache sich gestaltete, desto mehr wurde er angezogen. Er war etwas ganz Heißem auf der Spur, das fühlte er in jeder Faser seines geschrumpften Körpers. Er überlistete das Türschloss und trat ein in das Refugium seines Konkurrenten. Conans Grundschultag war kurz, so dass er sich gründlich umsehen konnte, während Ran und Yukio noch im Unterricht saßen.
Im Inneren war es sehr ruhig und dunkel, da nur ein kleines dreckiges Fenster neben der Tür fahles Licht hereinließ. Das Apartment, welches aus einem einzelnen Raum mit angeschlossenem Bad bestand, war äußerst spartanisch eingerichtet: Ein windschiefer Kleiderschrank, ein eingekerbter Schreibtisch – und eine Matratze als Schlafplatz. Selbst für eine Studentenbude oder das Heim eines eingefleischten Junggesellen war diese Wohnung extrem karg. Weshalb aber wohnte Yukio überhaupt hier, noch dazu allein? Lebten seine Eltern nicht mehr? Oder hatte er sich so mit ihnen verworfen, dass man lieber getrennter Wege ging?
Wie er es in Rans Zimmer auch getan hatte, machte Conan sich daran, das Innenleben dieses Raums zu durchdringen, und begann, jeden Quadratzentimeter nach Hinweisen zu durchforsten. Das gestaltete sich nicht allzu schwierig, da Yukios Bleibe nicht nur spärlich eingerichtet, sondern auch recht aufgeräumt war. Um nicht zu sagen, fast schon gespenstisch leer.
Nach ein paar Minuten hatte Conan alle Ecken durchsucht, ohne auf eine verräterische Notiz oder einen rätselhaften Gegenstand gestoßen zu sein. Enttäuscht ließ er die Schultern hängen. War es nicht doch bloß ein ganz gewöhnliches, etwas vernachlässigtes Wohnhaus, in dem ein völlig unverdächtiger junger Mann lebte, und alles andere lediglich Ausgeburt seiner entfesselten Phantasie? „Das ist nichts weiter als die typische Wut des Gehörnten“, hörte er innerlich Sonoko sagen. „Wahrscheinlich kannst du es einfach nicht ertragen, zum ersten Mal die Rolle des Verlierers übernehmen zu müssen!“
Conan dachte schon, seine Spurensuche finde hier ihr jähes Ende, als ihm ein auffällig buntes Papier ins Auge stieß, das zusammengeknüllt auf dem Boden des Papierkorbs lag. Sogar ein ganzer Bogen davon, um genau zu sein.
Vorsichtig zog er ihn heraus und faltete ihn auseinander. Beim Anblick des künstlerisch verklärten Blumenmusters, das sich nun vor seinen Augen ausbreitete, musste er unwillkürlich lächeln. Dieser Fall war in der Tat blumig, sowohl was die Beteiligten betraf, als auch die Indizien.
Fast hätte er das Papier achtlos weggeworfen, doch sein untrüglicher Blick für das Wesentliche ließ ihn auch diesmal nicht im Stich: In einer Ecke prangte ein goldumrandeter, exklusiv wirkender Aufkleber, der auf den Verkäufer dieses Blumenstraußes hinwies. Conan stockte der Atem, als sein Blick auf den Schriftzug fiel:
Taniguchi Flower Corp. – Official Japanese retailer stand dort in feinen, vergoldeten Lettern.
In dem Moment fiel bei Conan der Groschen.
Er hatte schon an jenem Morgen, als Ran zum ersten Mal von Yukio erzählte, eine vage Ahnung, dass ihm der Name Taniguchi von irgendwo her bekannt war. Nun lag der Beweis schwarz auf weiß vor ihm, dass auf seinen Instinkt nach wie vor Verlass war. Die Taniguchi Flower Corp. war ein großes Unternehmen, das sich auf den Import teurer ausländischer Blumen spezialisiert hatte. Die Familie des Gründers, die Taniguchis, war mit dem Geschäft zu ansehnlichem Reichtum gekommen. Die Flower Corp. stand jedoch nicht so sehr im Mittelpunkt öffentlichen Interesses, da ihre Blumen zu den teuersten Produkten auf dem japanischen Markt gehörten und daher nur für eine kleine, erlesene Klientel erschwinglich waren.
Was hatte das nun zu bedeuten? Zunächst einmal war klar, dass Yukio nicht der war, für den Conan –und höchstwahrscheinlich auch Ran- ihn die ganze Zeit gehalten hatten: ein gewöhnlicher Oberschüler. Shinichis Freundin wurde vom Spross einer wohlhabenden Floristendynastie umworben. Blumen waren nicht Yukios Leidenschaft, sondern sein Kapital.
Conan verfluchte sich selbst. Warum war ihm das nicht schon früher aufgefallen? Offensichtlich hatte sein verletzter